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[Tutorial]Der Kleine Kritikführer - wie verfasse ich gute Kritiken?

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Beitrag von Schreibsel-Chi Do 29 Dez 2011 - 7:21

Kritiken schreiben ist nicht einfach. Das haben wir alle erlebt und erleben es zum Teil immer noch. Nicht immer findet man die richtigen Worte um zu sagen, wie man einen Text findet, sei es jetzt in positivem oder negativen Sinne. Dass es gerade für neue oder junge User schwer ist, eine Kritik zu formulieren und sich vor Augen zu führen, was alles dazu gehört um eine inhaltlich gute und hilfreiche Kritik zu schreiben ist uns vollkommen klar, deswegen sei hier an dieser Stelle noch einmal gesagt, dass niemandem der Kopf abgebissen wird, wenn er oder sie seine Meinung zu einem Text äußert. Wie beim Schreiben von eigenen Texten wird man auch mit jeder Kritik, die man liefert, besser und bekommt ein Gefühl dafür, an welchen Punkten man kritisieren kann oder sollte, damit der Gegenüber die Hilfe bekommt, die er erwartet oder braucht.
Weil gute Kritiker aber nicht über Nacht geboren werden und wir aber nun mal ungeduldige Wesen sind, haben wir einen kleinen Leitfaden erstellt, damit jeder, der sich in irgendeiner Weise unsicher fühlt, was er oder sie beachten sollte, eine Stütze hat um die wichtigsten Eckpunkte einer Kritik zu finden.
Außerdem wollen wir weg von den ein-Satz-find-ich-gut-Kritiken, so nebenbei. Also:

Lady- and Gentlescribblers, we proudly present:

Den Kleinen Kritikführer

Punkt 1) Keine Angst vor Kritiken!

Der wichtigste Punkt gleich voraus. Hab keine Angst davor eine Kritik zu schreiben (aber auch nicht eine zu bekommen). Egal ob neuer oder schon routinierter User, alle Meinungen zählen.
Je mehr Kritiken man bekommt, desto mehr Blickwinkel tauchen für den Autoren auf. Fehler oder Ungereimtheiten, die einem gar nicht auffallen, springen einem anderen gleich ins Auge. Es ist egal ob die anderen Kritiker vor dir eine Textstelle besonders gelobt haben, bist du anderer Meinung, dann sag dieses ganz offen. Meinungsfreiheit herrscht überall und ein Text den 9 Leute gut finden kann dem 10 trotzdem nicht gefallen. Egal ob positiv oder negativ, Hauptsache du setzt dich mit dem Text auseinander.
Manchmal kann es wirklich schwer sein ein Gefühl, das man beim Lesen hatte, auf den Punkt zu bringen. Scheu dich nicht davor auch abstrakt an die Sache heranzugehen. Einigen Hilft es die Sache eher zu umschreiben, sie mit Hilfe von Beispielen zu erklären. Wenn etwas unklar ist, wird der Autor schon Rückfragen stellen, was dir auch Zeit gibt das Ganze noch einmal durchzudenken, vielleicht einen anderen Blickwinkel zu finden und beim nächsten Mal klarer darauf eingehen zu können. Die Hauptsache ist, dass du schreibst, was du denkst, am besten in mehr als zwei Sätzen.
Nur: Vergiss die Begründung nicht.

Punkt 2) Der Stil

In welcher Reihenfolge du auf die Punkte eingehst ist vollkommen egal, die meisten fangen mit dem Stil an, weil's die leichteste Art ist in die Kritik hinein zu kommen. Hier gibt’s ein paar einfache Fragen, die du dir während des Lesens schon selber stellen kannst:
Gefällt dir der Schreibstil? Wenn ja, was gefällt dir gut? Wenn nicht, was stört dich? Sind die Sätze zu verschachtelt oder eher zu kurz und einfach gehalten? Stören Worte den Lesefluss? Wird in einem stilistisch hochwertigen Text z. B. immer mal wieder Umgangssprache verwendet stößt man schnell auf diesen Stilbruch. In diesem Fall ist es gut die entsprechende Passage zu markieren und den Autoren darauf hinzuweisen. Am besten auch gleich mit Verbesserungsvorschlägen, sofern man einen hat. Egal was dir auffällt, notier es und gib dem Autoren Rückmeldung.
Auch hier gilt wieder: Begründe dich! Dem Autoren ist nicht mit einem "Das mag ich nicht" geholfen. Wir alle werden nur besser, wenn wir wissen was nicht gefällt oder was besonders gefällt.

Punk 3) Die Handlung

Das Kernstück einer jeden Geschichte. Ohne Handlung keine Geschichte, allerdings nützt auch die beste Handlung nichts, wenn der Autor sie nicht rüberbringen kann. Als Leser kann man ihm dabei helfen zu sehen, ob er sich verständlich ausdrückt oder nicht. Für einen Autor, der schon lange an einer Geschichte arbeitet ist es manchmal schwer zu sehen, ob die Handlung aus dem Text auch wirklich ersichtlich ist, mit der Zeit entwickelt sich da eine Art Blindheit, gerade was kleine Details angeht. Immerhin weiß er was passiert und wohin es führen soll, der Leser nicht. Aber auch neue Autoren, an ihrem ersten Werk, können dabei Probleme haben.
Für dich als Kritiker ist das der wichtigste Punkt, den du unbedingt behandeln solltest. Ein lupenreiner, hochgestochener, wunderbar lesbarer Stil nützt nämlich gar nichts, wenn der Leser am Ende der Geschichte da sitzt und keine Ahnung hatte worum es ging oder was passiert ist. Und da kommst du ins Spiel. Schon beim Lesen solltest du dir Gedanken machen: Ist die Handlung durchschaubar, sprich, kannst du herauslesen um was es gehen soll, oder ist die Handlung so versteckt oder, im schlimmsten Fall, gar nicht vorhanden, sodass der Text vollkommen an Bedeutung verliert? Sollte das der Fall sein, dann ist es hilfreich dem Autoren mitzuteilen, wieso der Text unverständlich ist. Das muss nicht unbedingt an der Handlung liegen, es kann auch daran liegen, dass die Sätze so umständlich geschrieben sind, dass einfach kein klarer Sinn daraus hervorgeht.
Wir merken hier ganz nebenbei: Die einzelnen Punkte, die wir hier aufführen, greifen in einander und sind nicht immer voneinander getrennt zu bewerten.
Selbst wenn die Handlung klar erkenntlich ist, sollte man mitdenken beim Lesen. Vielleicht ist einem die Handlung ja viel zu durchschaubar oder es fällt einem eine Ungereimtheit auf. Das trifft wieder meistens die Autoren, die schon länger an Geschichten schreiben oder gerade dabei sind große Korrekturen in ihrem Werk vorzunehmen, evtl. auch den gesamten Text nochmal neu zu schreiben. In solchen Fällen übersieht man schon mal schnell Handlungsstränge, die gar keinen Sinn mehr ergeben.
Und wieder: Lass dich nicht einschüchtern! Mein nicht, dass du evtl. einfach nicht schlau genug für den Text bist, der Autor soll dafür sorgen, dass sein Leser mitkommt, wenn du dabei Probleme hast, dann schreib das, Frag ganz offen danach, niemand wird dich dafür fressen.

Punkt 4) Die Charaktere

Die Charaktere einer Geschichte tragen ihre Handlung. Sind die Charaktere eindimensional können sie die Handlung nicht richtig vermitteln, bzw. der Sinn ihrer Handlungen ist nicht verständlich. Hier geht es nicht immer unbedingt darum herauszufinden ob ein Charakter schnell zu verstehen oder einfach gestrickt ist, eher geht es darum zu sehen ob das, was der Charakter macht auch zu der Persönlichkeit passt, die der Autor ihm zugedacht hat. Handelt ein Charakter entgegen alle Erwartungen kann das eine Geschichte unglaubwürdig machen. Aber aufgepasst! Nicht immer sind solche Widersprüche falsch! Wenn der Autor der Geschichte eine Drehung gibt, die den Wandel nachvollziehbar machen, dann hat ja alles seine Richtigkeit. Hier bist also du als Kritiker gefragt: Bevor du einen Charakter ablehnst, frag dich auch selber ob du verstanden hast, wieso es so passiert und nicht anders. Auch als Leser kann man wichtige Stellen übersehen. Solltest du trotzdem der Meinung sein, dass es so absolut nicht geht: Vergiss die Begründung nicht!

Punkt 5) Rechtschreibung und Grammatik

Wie schnell kann man sich nicht auf einer Tastatur vertippen.
Nicht alle Fehler findet Word, ist z. B. etwas richtig geschrieben, aber in dem Zusammenhang vollkommen falsch, wird es nicht von Word angezeigt. Und auch Autoren sind nur Menschen. Fehler finden ist schwer, wenn man den Text kennt, der Autor weiß ja, was da stehen soll.
Also: Finde die Fehler!
Und vergiss nicht sie auch (am besten mit der Textstelle) anzugeben.

Punkt 6) Schlusssatz

Oft hilft es alles am Ende nochmal in einen Satz zusammen zu fassen. Dabei ist nicht gemeint, dass du alles nochmal kurz aufzählst, sondern mehr noch eine kurze Respons, gerade wenn die Kritik viele Fehler oder Ungereimtheiten beinhaltet ist es schön für den Autor noch ein paar aufmunternde Worte zu hören. Hier also nicht die Fehler zusammenfassen sondern nochmal betonen, was gut war.
Immerhin wollen wir ja helfen und nicht demoralisieren, denn: Übung mach den Meister!


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