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Themenfindung

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Beitrag von Nafn Mo 16 Aug 2010 - 5:48

Bin grad zufällig auf etwas gestoßen, dass ich vor Jahren zum Thema Themenfindung in mein inzwischen off gegangenes Forum gepackt hatte. Eventuell ist es für den ein oder andren von Interesse. Zustimmung und Widerworte sind erwünscht.


Jeder Autor stellt sich die Frage, welche Themen die Leser interessieren. Bei genauerer Betrachtung stellt sich dabei schnell heraus, dass es im Grunde immer dieselben Themen sind. Es sind Themen, die sich mit den menschlichen Bedürfnissen und Interessen befasst, die jeden angehen. Solche Themen sind:

- Tod/ Überleben
- Liebe/ Erotik
- Ruhm/ Erfolg
- Rache
- Macht/ Politik
- Wirtschaft/ Geld
- Selbsterkenntnis

Analysiert man erfolgreiche Geschichten, so findet man eine oder mehrere der aufgeführten Themen fast immer, eine gewisse Abstraktion vorausgesetzt. Diese Themen liefern dramatische Impulse, motivieren Charaktere in einer Handlung und setzen so die Geschichte erst in Gang.
Orientiert man sich beispielsweise an der Grundthematik Tod/Überleben, dann findet man diese in fast jeder Kriminalgeschichte, Thriller-/Horrorgeschichte oder Katastrophengeschichte.

Neben den wiederkehrenden Themen gibt es auch eine große Anzahl von Standardsituationen, aus denen sich erfolgreiche Geschichten immer zusammensetzen. Der amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell fasste in seinem Buch "The Hero With a Thousand Faces" Erzählmuster von Märchen, Sagen und Mythen zusammen. George Lucas machte sich diese Erkenntnisse für seine Star Wars Reihe zu nutze. Auch Tolkiens Erzählstruktur, Charaktere und Konfliktsituationen seiner Trilogie Herr der Ringe basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Wirkung von keltischen und germanischen Mythen.
Der Erfolg einer Geschichte beruht jedoch nicht allein auf der Anwendung erfolgreicher Motive und Situationen. Für die dramaturgische Arbeit ist es allerdings von Vorteil, wenn man verstanden hat, dass man nichts Neues erzählen kann. Viel entscheidender ist es, wie man etwas erzählt, als was man erzählt. Form und Struktur einer Darstellung haben somit eine größere Bedeutung als der Inhalt selbst.
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Beitrag von Ockzor Di 17 Aug 2010 - 0:36

Ein theoretisch sehr guter Ansatz. In der Praxis offenbart sich jedoch ein entscheidener Nachteil: Es wird die selbe Thematik/Geschichte ständig wiederholt. Gerade was den Punkt Liebe/Erotik betrifft.

Ein Beispiel: Kennt jemand von euch einen politischen Thriller, indem sich der Protagonist nicht verliebt? Falls er das nicht tut, so ist er meistens schon verliebt und rächt seine Geliebte oder rettet sie aus einer gefährlichen Situation.

Inhaltlich hat diese Liebesbeziehung dabei keine größere Bedeutung. Für den Plot ist sie meist unwichtig. Außer das Paar arbeitet auch als Paar - aber handlungstechnisch gesehen, könnte man daraus ein gleichgeschlechtliches Team machen und die Handlung wäre praktisch die gleiche.

Was ich damit sagen will: Mir kommt es oft so vor, als würden manche Autoren eine Geschichte mit dem Vorsatz erfinden, dass gewisse Elemente vorhanden sein müssen. Das schafft aber eine limitierte Anzahl von möglichen Szenarien, was der Innovation ganz und gar nicht förderlich ist.

Weitere Beispiele:

Fantasy: Die Elemente Krieg + Sieg des Guten werden kombiniert. Das Ergebnis: Eine große Schlacht, in der das Böse (natürlich nur) fast gewinnt. Aber dann passiert etwas (der Held taucht auf) und das Gute siegt.

Krimi: Das Gute gewinnt + böses Genie: Ein geschickt eingefädelter Mord wird am Ende vom Helden aufgedeckt, nachdem der Mörder sämtliche anderen Charaktere narrt

Ich würde daher eine umgekehrte Strategie vorschlagen. Man macht sich eine Liste mit Dingen, die nicht vorkommen/eintreten sollen.

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Beitrag von USS Nelame Di 17 Aug 2010 - 3:14

Liebe ist nicht immer gleich Liebe und Erotik nicht immer gleich Erotik. Wieso soll der Held denn immer sein Mädchen kriegen?

Das verehre ich zum Beispiel an japanischer Fantasy oder generell an japanischen Geschichten, die auch in Europa ankommen sehr (meistens in Form von Manga oder Anime). Diese Werke strotzen geradezu vor Klischees - aber sie sind so elegant und präzise angewandt, dass sie, obwohl sie so klischeehaft sind, wieder in einem völlig neuen Licht erscheinen. Da wird damit gearbeitet, wenn die Frau nicht kochen kann oder der Mann eine Niete im Haushalt ist und genau auf diesen Schwächen eine Geschichte aufgebaut, die die Charaktere noch feiner strukturiert und beleuchtet.

Auch an Liebesbeziehungen gibt es so viele unterschiedliche. Manche werden unter ein verbindenes Motiv gestellt, manche sind typische Hass-Liebe-Beziehungen, in anderen ist ein Partner untergeordnet...
Liebe, Religion, ein gemeinsames Hobby, Zufall oder einfach nur Sex - auf allem kann solch eine Liebesbeziehung aufbauen.



Damit will ich sagen: Natürlich, es gibt diese gewissen Grundthemen, die Nafn aufzählt und genau diese Problematik, die Geist herleitet. Aber die Probleme entstehen erst daraus, wenn man nicht innovativ ist und die Grundthemen (Liebe, Ruhm, Macht, Drama und so weiter) nach einem bewährten Schema F wählt, das sich schon tausende Mal als erfolgreich bewährt hat.




Man braucht ein bisschen Mut zu Dingen, die weniger vorkommen, denn ganz neu wird man wahrscheinlich nichts mehr erfinden können.
Also wieso sollte der Held immer sein Mädchen kriegen?
Wieso muss der Mörder immer ein böses Genie sein?
Warum ist in der Fantasy immer eine große Schlacht von nöten, um das Gute siegen zu lassen?

Mut dazu, die Klischees zu umgehen!


EDIT: In meinen Augen ist das ein Aspekt, der zum Beispiel Nafns Geschichten auszeichnet. Er bedient sich gerne der Klischees und setzt sie so ein, dass es einem Blinden mit Krückstock auffallen würde... nur, um sie dann in einer Weise darzustellen, die entweder lustig, oder überraschend und gar raffiniert ist. Darum bin ich ja auch ein großer Fan, von Nafns Werken lachen

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Beitrag von Ockzor Di 17 Aug 2010 - 8:56

Du bist ein Freund der Satire. Natürlich, will man einen derartigen Text verfassen, so ist man gut daran beraten sich an gängigen Klischees zu orientieren und diese zu verneinen.

Bei anderen Textgattungen hat man da es schwieriger, da diese sonst unfreiwillig komisch werden können. Allerdings muss Zynismus nicht immer zum Lachen anregen. Er kann auch schockieren, verstören, provozieren. George Orwell (Die Farm der Tiere, 1984) war darin gut.

Das wäre übrigens eine interessante Schreibübung: Eine Satire oder einen sonstigen lustigen Text in eine düstere Geschichte zu verwandeln.

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