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Raum ist Raum. Oder nicht?

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Welche Textstelle ist besser?

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Beitrag von USS Nelame Do 7 Apr 2011 - 4:36

Ich hatte gestern Abend eine sehr interessante Diskussion über ICQ mit einem Bekannten und würde die gerne hier ins Forum weiter tragen. Und zwar war der Gegenstand unserer Diskussion, dass ich gerade dabei war, eine Geschichte zu schreiben, in der meine Protagonisten einen bestimmten Raum betreten haben. Mein Gegenüber meinte plötzlich, dass es scheiß egal wäre, ob oder wie intensiv ich den Raum beschreibe, dass ein Leser gar nicht auf so etwas achten würde und es deshalb vollkommen unwichtig für die Story wäre. Dem würde ich zwar vehement widersprechen, habe dann jedoch vor kurzem durch einen Betaleser die Prognose meines Diskussionspartners bestätigt gekriegt, als ihm eine abgespeckte, oberflächliche Version des Textes geschickt hatte.


Nun meine Frage an euch. Wie seht ihr das? Ist ein Raum immer derselbe Raum, egal wie intensiv man ihn beschreibt und spielt das dann überhaupt eine Rolle für die Geschichte selber?

Um den Unterschied zu verdeutlichen, kommt hier jetzt noch ein Fallbeispiel:
1 schrieb:(...)Vor ihnen stand er nun, der große Palast. Eine große Ehre, überhaupt hier herein gelassen zu werden. Der Diener winkte sie schnell hinein in den ersten Vorraum - ein wunderbar geschmückter Saal. Alles war geradezu überwältigend. Als hätten sie einen Schritt in Richtung Himmel getan. Der Diener war bereits vor gegangen und so folgten sie ihm schnell in die nächste Kammer. Auch hier sah alles prächtig aus - eben wie in einem richtigen Palast. (...)

2 schrieb:(...)Vor ihnen stand er nun, der große Palast. Für sie war es eine große Ehre, überhaupt hier herein gelassen zu werden. Der Diener hatte bereits die erste Tür erreicht und winkte sie schnell in den ersten Vorraum herein. Kaum waren sie eingetreten, da überwältigte sie auch schon der Glanz aller Reichtümer, die hier waren. Feine Reliefs und mit Gold verzierte Statuen füllten den Raum und schmückten ihn neben den zahlreichen und teuren Gemälden noch zusätzlich. Dazu lag ein sanfter Duft von Weihrauch in der Luft und untermalte diese Pracht mit noch mehr Würde. Als hätten sie einen Schritt in Richtung Himmel getan.
Der Diener war bereits vor gegangen und so folgten sie ihm schnell in die nächste Kammer. (...)
Beide Texte beschreiben ein und dieselbe Handlung, sind jedoch in ihrer Detailauslegung sehr unterschiedlich. Wenn ihr auf meine Diskussionsfrage selbst nicht eingehen könnt oder wollt, so gelingt es euch vielleicht eher, hiermit was anzufangen. Welche der beiden Textstellen findet ihr besser und warum?

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Beitrag von Neverman Do 7 Apr 2011 - 6:16

Ich sehe das Problem in diesem konkreten Beispiel nicht in der Fülle der Beschreibungen, sondern in der Masse an Superlativen. Es ist schwer, viel und ausschweifend über gemeinhin großartige Dinge zu schreiben, wer das nicht gut genug kann, dessen text klingt angestrengt gedehnt und schwulstig. Ich bevorzuge die lange Variante, die erste ist mir einfach zu unklar. Das mögen aber auch subjektive Vorlieben sein.
Aber ich weiß, was du meinst, ich sehe es oft in zeitgenössischen Romanen. Es scheint mir fast ein Fluch zu sein, so viel wie möglich zu beschreiben, immer und immer wieder alles bis ins akribische Detail wiederzugeben, damit man sich als Leser bloß nicht zu sehr anzustrengen braucht. Ich würde eine lange Beschreibung gegen eine wahnisnnig faszinierende Art zu schreiben schnell eintauschen, aber das ist auch leichtfertig dahingesagt. Letzten Endes kommt es ganz auf den Stil des Autors an. Schau dir die Bücher Walter Moers an. Die leben von der exzessiven Beschreibung, Umschreibung, von der orgastischen Übertreibung bis zum Gehtnichtmehr. Auch Terry Pratchett kann sich lange Ausschweifungen erlauben. Andere Bücher gehen davon kaputt, andere Schreibarten vertragen das nicht.

Also gar nicht mal so einfach... Die Waage muss gehalten werden, im Zweifelsfall. Oder aber man schreibt so unwiederstehlich, dass man darauf pfeifen kann.^^
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Beitrag von Myri Do 7 Apr 2011 - 7:34

Mir sagt die zweite mehr zu, allerdings hauptsächlich wegen des Satzes "Alles war geradezu überwältigend." in der ersten Version. Hättest du den weggelassen, wäre es zwar sehr ungenau gewesen, aber zumindest nicht "unbefriedigend". So erwartet man nach diesem ziemlich allgemeinen Wort ein bisschen nähere Beschreibung.
Du hast hier natürlich eine typische Palastbeschreibung gewählt - vielleicht hatte dein Freund auch deshalb das Gefühl, alá "Gold, Statuen, Reliefs - weiß ich schon, dass so ein Palast aussieht". Ich denke, du hast dir dabei vermutlich einige Gedanken gemacht und dementsprechend ist es eher unangemessen, wegen der einen Szene das Aussehen des Palastes zu ändern, aber natürlich erregt die Beschreibung von etwas Ungewöhnlichem (also von Etwas, das der Leser in dieser Form nicht kennt bzw. erwartet hätte) mehr Aufmerksamkeit.
Ansonsten schließe ich mich Neverman an: Es kommt immer drauf an, wie der Autor schreibt. Bei manchen passt es einfach, gliedert sich ein, bei anderen nicht. Nebenbei liegt es natürlich auch an der Veranlagung des Lesers, an der Situation, am beschriebenen Ort.

Vertritt dein Bekannter diese Meinung eigentlich generell oder nur für diese spezielle Szene? Was ihn nämlich meiner Ansicht nach noch dabei stören könnte - und ihm so das Gefühl vermitteln, die Beschreibung sei "unnötig" - ist, dass du hier einen sehr klaren Trennstrich zwischen Handlung und Beschreibung ziehst. Du widmest ein paar Sätze allein der Umgebung, die Handlung friert derweil quasi ein. Meist ist es dem Leser dabei bekömmlicher, die Beschreibung in die Handlung eintröpfeln zu lassen.
In der Art von "Ihre Schritte hallten von der Decke wider, die golden hoch über ihnen schimmerte, während der Diener sie zu einer Tür führte, neben der zwei reich geschmückte Statuen drohend aufragten." Ist nicht das ideale Beispiel, aber ich glaube, du weißt, was ich meine.

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Beitrag von Ockzor Do 7 Apr 2011 - 9:23

Ich stimme für Version 2.

Der Grund: In der ersten Variante wird das oft zitierte Prinzip "Show don´t tell" vernachlässigt. Dem Leser wird gesagt, der Saal sei prächtig - es sei schlicht so. Der Erzähler lässt dem Leser nicht die Chance, sich dies selbst zu denken.

Allerdings muss ich sagen, dass auch Version 2 ihre Schwächen hat. Für meinen Geschmack wird die Schönheit des Saales zu sehr in den Himmel gehoben. Eine detailgetreue Erzählweise muss nicht zwingend einseitig sein.

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Beitrag von USS Nelame Do 7 Apr 2011 - 9:46

Geist schrieb:Der Grund: In der ersten Variante wird das oft zitierte Prinzip "Show don´t tell" vernachlässigt. Dem Leser wird gesagt, der Saal sei prächtig - es sei schlicht so. Der Erzähler lässt dem Leser nicht die Chance, sich dies selbst zu denken.
Ja, genau das ist der Grund, weshalb ich diese Frage stelle. Ich habe irgendwann mal gelernt, dass "Show don't tell" >> "Erzählung" ist. Ich denke mal, dies ist ein Unterschied, über den sich nur Autoren klar werden, die sich tiefer mit der Materie befassen, es womöglich sogar mal professionell betreiben wollen. Darum wende ich mich damit auch an euch, denn ich behaupte mal, wenn jemand Ahnung vom Schreiben hat, dann sind es die Leute hier im Forum. Weiter vermute ich, dass dies auch schon eine Problematik ist, die nicht mehr offensichtlich ist, sondern eher unbewusst beim Leser wirkt. Also quasi Aufwertung der eigenen Geschichte mit fortgeschrittenen Methoden? Interessieren würde es mich auf jeden Fall, denn die Umfrage ist zwar erst ein paar Stunden alt, jedoch zeichnet sich ein Trend ab... wie ich erwartet hatte im Übrigen ^^

Mich würde übrigens interessieren, wo noch die Schwächen der zweiten Version sind. Sicher, es ist ein Fallbeispiel, aber es orientiert sich teilweise an dem, was ich zur Zeit schreibe und ist somit auch ein wenig stellvertretend für meinen Stil.


@ Myri: Was meinen Bekannten angeht, so scheint es seine generelle Meinung zu sein und eine relativ vorgefertigte Meinung zu haben.

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Beitrag von Seido Fr 8 Apr 2011 - 0:32

Welche Version besser ist hängt mMn definitiv von der Situation ab, in der die Charaktere stecken.

Die zweite Version lässt erkennen, dass die Charaktere von dem Reichtum umgehauen werden. Vielleicht einfache Leute, die soviel Glitzer noch nie gesehen haben und denen deswegen nun der Mund offen steht. Alles wird begafft und bleibt in Erinnerung.

Die erste Version hingegen lässt, bedingt durch scheinbares fehlendes Interesse der Charaktere, sich alle Details anzusehen, die Vermutung aufkommen es handle sich für sie um eine Selbstverständlichkeit. Man schläft eben selber in einem goldverzierten Bett, warum also den Prunk in jemand anderes Haus eines genaueren Blickes würdigen?

Will man also nicht schreiben "Annemarie entstammt einem reichen Adelsgeschlecht und schaut deswegen nicht einmal hin", so kann man auch einfach wie in Version 1 die Adjektive auf Sparflamme schalten.
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