Amnesie

Ich spreche nicht gern über meine persönlichen Erlebnisse und Empfindungen, aber bis dato hatte ich nie Schwierigkeiten mich an selbige zu erinnern. Zumindest dachte ich das.
Vor einigen Wochen fand ich meine alten Schulzeugnisse der Grund- und Realschule. Ich war, gelinde gesagt, schockiert. Die Noten dort konnten einfach nicht zu mir gehören, absolut unmöglich. Laut diesen Zeugnissen war ich bis zum Ende der zehnten Klasse nicht mehr als ein Durchschnittsschüler, der bei einer mit Befriedigend bewerteten Klausur erleichtert war und bei Gut in Jubel ausbrach.
Das war nicht der jedem bekannte "Oh Gott, war ich schlecht!"-Effekt, sondern ein absolutes Nicht-Erinnern an die eigene Vergangenheit. Ich habe einen totalen Filmriss bei allem, was vor meinem 16. Lebensjahr geschehen ist; meine älteste Erinnerung stammt vom Abschlussball der Realschule.
Anfangs dachte ich noch, ich hätte in dem Moment einfach eine Blockade im Kopf, doch nach mehreren Wochen kann ich mich noch immer an nichts erinnern. Ich nehme weder Drogen noch trinke ich Alkohol, ich rauche nicht einmal. Mir fällt auch keine psychische Ursache ein, die zu einer solchen Amnesie führen könnte.
Der Schreck ist mittlerweile verflogen und hat einem nüchternen Interesse Platz gemacht. Ich möchte wissen, ob irgend einer unserer älteren User schonmal etwas ähnliches erlebt hat. Dabei muss es sich nicht gleich um eine solche ausgewachsene Amnesie handeln, sondern auch um Erinnerungen, die eigentlich da sein sollten, es aber nicht mehr sind. Habt ihr Gegenstände aus eurer Kindheit gefunden und musstet dann rätseln, wo die herkommen und was die mit euch zu tun haben?

Mir geht es leider genauso. Nur genau im umgekehrten Sinne. Ich war bis zur 9. Klasse ein Musterschüler, Einserkandidat und immer einer der besten in meiner Klasse.
Naja... dann setze mit Beginn meiner Depressionen auch der Amnesie-Effekt ein, den du hier beschreibst. Heute glaube ich es nicht mehr, dass ich überhaupt mal etwas konnte, ich erinnere mich auch gar nicht mehr dran, wie ich das damals überhaupt hingekriegt habe.
Und ja, es gibt so Dinge. Mein Tagebuch zum Beispiel. An das konnte ich mich nicht mehr erinnern und habe mich selber gar nicht mehr wiedererkannt, als ich es mal unter einem Haufen Krempel gefunden und gelesen hatte. Genauso geht es mir mit meinen Bildern, die ich früher immer gemalt habe.

Ich weiß ja nicht, wie das bei dir ist, aber bei mir ist es eindeutig eine Folge meiner Depressionen. Vielleicht ist es auch bei dir so? Oder du hattest ein Trauma, das du dringend mal durch einen Therapeuten begutachten lassen solltest?
Dein Kopf vergisst nie umsonst. Es gibt immer Gründe dafür. Denn normal ist, dass er sich an alles erinnert.

Dass Depressionen eine Ursache sein können ist klar. Ich würde jetzt überzeugt sagen ich hätte nie welche gehabt, und das glaube ich auch wirklich, nur da mir eben ein ordentliches Stück meines Lebens fehlt hat diese Aussage kein Gewicht. Was ich aber definitiv weiss ist, dass ich kein Trauma habe. Zu so etwas würden sich irgendwo Informationen finden.
Übrigens habe ich gestern Abend noch etwas interessantes herausgefunden: ich hatte als Kind ein Pflegepferd und bin aktiv auf lokalen Turnieren geritten. Trotzdem habe ich eine Pferdephobie und kann mich diesen Tieren nicht näher als zwei Dutzend Meter nähern ohne Schweißausbrüche und Herzrasen zu bekommen. Dabei gab es laut meinem Vater niemals einen Unfall oder sonstigen Vorfall, der diesem Wandel zugrunde liegt.
Mir kommt es fast so vor, als hätte sich meine Persönlichkeit einmal um 180° gedreht und den alten Teil abgestoßen. Das finde ich bemerkenswert, aber ich verstehe das Warum nicht. Sicher keine Gifte, die ich zu mir genommen habe. Psychische Belastung kann ich wie erwähnt ebenso ausschließen. Damit bliebe als logische Erklärung nur noch der psychische Schutzmechanismus außerhalb der Belastungsbewertung, aber wovor sollte mein Hirn mich schützen wollen?

Das kann nur ein Tiefenpsychologe mit dir herausfinden. Sichere Methode wäre wohl die Hypnose. Oder aber so genannte Traumreisen und deren Deutungen.
Und ich meine... da du ja auch vehement behauptest, asexuell zu sein, könnte da durchaus etwas sein. Vielleicht auch etwas, was deine Eltern gar nicht erst mitbekommen haben? Immerhin - auch Asexualität kommt nicht von ungefähr, sondern ist Folge vieler unterschiedlicher Aspekte. Genauso wie Ekel ist sie nicht angeboren, sondern erlernt.

Die Frage ist aber auch, ob es dir die Sache überhaupt wert ist, das heraus zu finden. Beeinträchtigt dich das denn in deiner Gesundheit oder in deinem Leben?

Von Traumdeutung halte ich nichts. Ich schätze auch nicht, dass ich dort eine Antwort erhalten würde. Unser Gehirn projiziert zufällige Bilder, nach denen ich mich richten soll - mir einfach zu unsicher.
Deine Bedenken bezüglich meiner Asexualität in allen Ehren, aber nein. Der Grund dafür ist ein anderer, der hier aber nicht erwähnt werden muss.

Ich beziehe deine Frage nach dem Willen des Herausfindens nun rein auf die Amnesie, auch wenn ich das Gefühl habe du sprichst hier eher auf die sexuelle Ausrichtung an.
Prinzipiell ist mir der Grund dafür egal, denn es schränkt mich nicht ein. Im Gegenteil, eigentlich ist es doch besser sich nicht daran zu erinnern was für ein Untermensch man einst wohl gewesen sein muss. Mich interessiert vielmehr der Grund für so einen abrupten Filmriss, und ob man so etwas womöglich gezielt herbeiführen könnte.

Schließlich habe ich das Thema auch deswegen erstellt. Gerade bewegt sich die Unterhaltung vielmehr in Richtung einer Diagnose meines Falles, mir geht es aber um die generelle Ansicht, Erfahrungsberichte anderer User, Meinungen.