Vampire-Das RPG IV

„Oh...Okay. Nein, ich denke, ich gehe lieber jetzt. Und beeil mich. Die Wahrscheinlichkeit, Damion hier drinnen zu begegnen, ist größer, als draußen. Daher bin ich eigentlich ganz froh, wenn wir bald los gehen“, sagte Rubina, nachdem sie es sich nochmal durch den Kopf hat gehen lassen.
Mit einem schiefen Lächeln trat sie zur Tür und Jael zu. „Dann bis gleich“

„Weil wir etwas haben, dass sich Verstand nennt und wir benutzen ihn auch. Anders als ihr“, entgegnete Jess monoton und folgte Damion mit langsameren Schritten. „Sind wir bald bei ihrem Zimmer? Sonst würde ich nämlich vorschlagen, dass ich hier warte. Kommt vermutlich nicht so gut, wenn wir beide vor ihrer Zimmertür aufkreuzen. Aber... ehrlich. Reiß dich zusammen. Zeig dich von deiner... menschlichsten Seite, die noch irgendwo tief in dir vergraben ist“

Rubinas Gründe konnte Jael durchaus nachvollziehen. Das Risiko Damion zu begegnen war wirklich größer, wenn sie hier blieb. "Gut, bis gleich", antwortete er ihr deshalb und war in der nächsten Sekunde schon bei ihr. Er öffnete die Tür und hielt sie, damit sie Hinderungslos hinaus treten konnte.

Damions Geste sprach für sich. Menschliche Seite, dass er nicht lachte! Er würde Ruby zeigen, was sie brauchen würde um ihr gekränktes Selbstwertgefühl wieder aufzurichten. Meine Güte, er hatte ja nicht gerade etwas Weltbewegendes getan. Nur sein Widersehen mit Jess etwas sehr gefeiert, hatte er mit Ruby doch auch. Vor ihrer Tür angekommen blieb er stehen und schlug laut gegen das Holz. Die Türen waren schwer und schluckten viele Geräusche. "Ruby! Ich bin's, mach auf", rief er und versuchte möglichst nicht aggressiv zu klingen.

„Bis gleich“ Rubina blieb noch einen Moment im Türrahmen stehen, lächelte Jael an und riss sich dann letztendlich los, raus aus der Starre, hinaus auf den Korridor. Sie sah sich kurz um, vergewisserte sich, dass Damion nicht in der Nähe war und machte sich dann auf den Weg auf ihr Zimmer, wobei sie sich beeilte. Hätte sie allerdings gewusst, was sie bei ihrem Zimmer erwartete, hätte sie sich bestimmt lieber versteckt.
Wie vom Donner gerührt blieb sie also stehen, als sie den Korridor erreichte, auf dem ihr Zimmer lag – und entdeckte nur wenige Schritte weiter Damion. Jess hatte sich, als sie die Schritte gehört hatte, davon gestohlen – um die Ecke.

Langsam wurde Damion ungeduldig. Er hatte schon zwei Mal geklopft und von drinnen kam doch keine Reaktion. Der Gedanke die Tür einfach einzureißen wurde immer verlockender. Und dann zog ein leiser Windhauch durch den Gang. "Ruby", sagte er leise mit einem Lächeln und war im nächsten Moment auch schon bei ihr. "Hier versteckst du dich." Sanft stricht er ihr die Haare aus dem Gesicht.

Verdammt. Gerade als Rubina sich dazu besann, lieber auf dem Absatz kehrt zu machen, entdeckte Damion sie und war dann plötzlich auch schon neben ihr. Scharf sog sie die Luft ein, als er die Hand hob und schlug diese dann auch energisch und kraftvoll genug beiseite, als er ihr die Haare aus dem Gesicht strich. „Wag es nicht!“, zischte sie ihn an und funkelte ihn dabei wütend an. „Was fällt dir eigentlich ein!?“, warf sie ihm aufgebracht gegen den Kopf und schubbste ihn dann grob zurück. „Sollte meine Ohrfeige gestern nicht ausdrücklich genug gewesen sein, sagte ihr es dir auch gerne noch verbal: Ich will dich nicht mehr sehen. Ich will dich nicht hören und schon gar nicht, dich spüren. Halte dich fern von mir, Damion“, sagte sie ernst, aber wieder etwas ruhiger und trat dann an ihm vorbei zu ihrem Zimmer, die Hände zu Fäusten geballt.

Leise knurrend versuchte Damion sich zu beherrschen. Jess' Worte waren durchaus bei ihm angekommen und jetzt konnte er schlecht behaupten, dass sie nicht wahr gewesen waren. Wenn er Ruby irgendwie aus ihrer gekränkten Schale ziehen wollte, dann würde es nicht helfen jetzt durchzudrehen und Krach zu machen. Die Hand zur Faust geballt folgte er seiner Tochter und griff an ihr vorbei nach dem Türgriff, um sie daran zu hindern sie zu öffnen.
"Okay, dann guck mich nicht an, aber zuhören, das könntest du", sagte er und versuchte seiner gepressten Stimme keinen allzu aggressiven Klang zu geben.

Ruby presste ihre Lippen aufeinander, so fest, dass sie schon ganz blass waren, was bei ihrer Hautfarbe wirklich eine Leistung war. Stumm starrte sie die Tür an und dann die Hand, die die Klinke festhielt und sie davon abhielt, das Zimmer zu betreten.
„Und wozu?“ Sie drehte sich zu ihm um, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den Türrahmen. „Es wurde schon alles gesagt, Damion. Du hast mir zweimal weh getan. Zweimal! Beim ersten Mal hast du mich einfach zurück gelassen und dieses Mal betrogen. Was wird es beim nächsten Mal?“, fragte sie ihn, wobei ihre Lippen wieder gefährlich beben begannen.
„Ein drittes Mal überlebe ich es nicht. Oh, warte, mir fällt ein, umgebracht hast du mich ja auch schon“, sagte sie mit einem eisigen Lächeln.

Klarere und härtere Worte hatte Damion selten gehört, schon gar nicht von Ruby. Dass sie ihm dabei auch noch in die Augen sah machte es nicht einfacher. Sie schaffte es tatsächlich, dass er sich schuldig fühlte! Vor allem der Vorwurf sie getötet zu haben traf tief, gerade wegen seiner Wahrheit. "Ich hab dir ein Leben geschenkt", fauchte er leise, ließ die Klinke aber los und wich ein Stück zurück. "Weil ich es nicht ertragen konnte dich sterben zu sehen. Glaubst du ehrlich, dass ich das vorher schon einmal gemacht habe? Oder hinterher? Bilde dir nicht ein mein Inneres zu kennen." Großzügig ließ er dabei das Detail aus, dass er sie erst in die Lage des Sterbens gebracht hatte. Aber so offen war er tatsächlich noch nie gewesen, er hatte das Gefühl ihr gerade die Kehle hinzuhalten, obwohl er genau wusste, dass sie sie einfach herausreißen würde.

„Ja. Du hast mir mein Leben genommen und mir ein anderes gegeben. Aber ich hätte kein anderes nötig gehabt, wärst du nicht gewesen“, sagte Rubina und atmete tief scharf, ehe sie ihre Hand auf die Klinke legte. Dabei sah sie ihn weiterhin an und hob nun ihre andere Hand, mit der sie auf ihn weiß.
„Weißt du, ich habe es dir nie, niemals übel genommen, was du damals getan hast. Weil ich dieses neue Leben geliebt habe, die Stärke, das Aussehen und die Aussicht, Jahrhunderte zu leben. Aber inzwischen... Es gab so viele Tage, an denen ich einsam war, in denen ich gewünscht hätte, ich könnte zurück zu meinen Eltern, zu meinen Geschwistern! Aber das ist nicht mehr möglich. Ich kann ja nicht einmal bei Tag raus!“, stieß sie unter zusammen gebissenen Zähnen hervor.
„Ich bilde mir über dich überhaupt keine Meinung mehr... Ich bin es einfach müde...“ Sie drückte die Klinke hinunter und stieß ihre Tür auf.

Damion wurde auch langsam müde, dass sie nicht verstand, das sie wichtig war. Wenn Reden nicht half, dann musste er eben andere Seiten aufziehen. Da die Tür auf war, fehlte auch das Hindernis, dass ihn noch daran gehindert hatte, mit ihr hinein zu fallen. Was er auch so ziemlich tat. Die Arme um sich geschlungen warf er sich mit ins Zimmer und schlug die Tür zu. "Glaub nicht, dass ich dich so leicht aufgebe", knurrte er, drehte sie zu sich um, ohne sie loszulassen und gab ihr einen ziemlich unsanften Kuss.

Spätestens als die Tür laut zu fiel, verdrehte Jess die Augen am Ende des Ganges und schnaubte. „Wie kann man nur so dämlich sein“, schimpfte sie leise vor sich hin, überlegte kurz und setzte sich dann ziemlich zügig in Bewegung. Zwar hatte sie ihm ihr Wort gegeben, sich in dieser Beziehung fürs erste heraus zu halten, aber das bedeutete ja nicht, dass sie jemand anderen beten konnte, sich einzumischen.
Gerade als Jael sein Zimmer verließ, entdeckte Jess ihn und stand dann auch schon neben ihm.
„Guten Abend, Mr. O´Coileáin. Ich fasse mich kurz, unsere gemeinsame Freundin Rubina wird in diesem Moment etwas... von ihrem Erschaffer bedrängt. Oder um deutlich zu sein, er hat sie gerade unsanft in ihr Zimmer gezogen. Nur leider habe ich Damion mein Wort gegeben, mich in dieser Angelegenheit heraus zu halten-“

Der Kuss war so ziemlich das Letzte und obendrein der Gipfel des Eisberges. Sie war in das Zimmer förmlich gestolpert, hatte versucht, sie auch seinem Griff zu befreien und zuckte dann heftig zusammen, als er seine Lippen unsanft auf ihre presste.
Mit einem Ruck zog sie daraufhin ihr Knie hoch und konnte sich gleichzeitig auch so Damions Armen entledigen. Als das geschafft war, trat sie in Windeseile an die Tür, zog sie auf und schubste ihn nach draußen.
„Glaub du nicht, ich würde dir noch eine einzige Chance geben, Damion Catrell! Verschwinde!“, zischte sie.

Rubina hatte es befürchtet und jetzt war es tatsächlich eingetreten. Jaels erster Impuls war loszurennen und dann setzte sein Verstand ein. Das Gesicht aufgebend verzogen fragte er sich, ob er überhaupt irgendetwas ändern konnte. Ein bisschen wunderte es ihn allerdings, das Jess so ein Versprechen gab. "Dann sollte ich wohl versuchen die Situation zu entspannen?", sagte er, klang aber mehr fragend. Ohne weiter zu warten machte er sich auch schon auf den Weg zu Rubinas Zimmer.

Vor dem Damion gerade wieder stand. Noch halb zusammengekrümmt. Was nicht tötet, härtet hieß es doch immer. Damion widersprach dem. Er war Vampir und es tat immer noch verdammt weh. "Rubina Attas!", zischte er wütend zurück und tat etwas, was er in seiner ganzen Existenz wenig getan hatte, nämlich jedes Bisschen Macht, dass er irgendwie über die Verbindung zu Ruby als ich Erschaffer hatte, zusammen zu kratzen und mit in seine Worte zu legen. "Du wirst dich jetzt verdammtnochmal beruhigen und mich in das Zimmer lassen!"

„Schlauer Junge“ Jess sah Jael einen Augenblick, ehe sie im gemütlichen Schritt folgte. Hoffentlich übertrieb es Damion in diesem Moment nicht, denn obwohl sie Rubina kaum kannte, hatte sie Mitgefühl mit ihrer kleinen Schwester. Sie wäre als Mensch vermutlich glücklicher geworden. Nicht jeder war für ein Vampirleben geboren worden.

Gerade als Rubina die Tür schallend wieder zu werfen wollte, direkt vor Damions Nase, zischte er ihren Namen. Ihre Hände verkrampften sich und ihre Finger der einen Hand schlossen sich noch fester um die Klinke, als Reaktion auf die Worte, die ihrem Namen gefolgt waren. In ihrem Magen war ein eisiger Klumpen, der sie innerlich erstarren ließ.
Rubina biss sich auf die Lippe, spürte wie jede Faser ihres Körper bis aufs äußerte gespannt war und sie sich gegen seine Worte zu wehren versuchte. Ihre Hand allerdings löste sich von der Klinke und schob die Tür weiter auf.
Sie trat mit Tränen in den Augen beiseite, im Rücken die Tür, gegen die sie ihren Kopf lehnte.
„Und was verlangst du als nächstes von mir?“, fragte sie erstaunlich ruhig, kämpfte aber noch immer mit den Tränen, die drohten, ihr über das Gesicht zu laufen.
„Dir zu verzeihen? Weil es ja ein bedeutungsloser Ausrutscher war? Das macht es nicht besser“

"Ironie ist wohl fehl am Platz", warf Jael ungewöhnlich bissig über die Schulter. Jess lockere Haltung ging ihm aber auch wirklich auf den Geist, erst rannte sie bei ihm an und dann schob sie eine ruhige Kugel. Als ob er überhaupt irgendwas ändern konnte! Zum Glück war Rubinas Zimmer nicht weit weg und schon nach der nächsten Biegung hatte er Damions Rücken im Blick. Und an ihm vorbei Rubina, die aussah, als ob sie jeden Moment anfangen würde zu weinen. "Damion! Hast du kurz Zeit", rief er und kratzte dabei alles an Autorität zusammen, die er hatte.

Damion hatte den Mund schon geöffnet um ihr zu Antworten, wurde aber von Jael unterbrochen. Unterdrückt fauchend schlug er die Faust gegen den Türrahmen, natürlich nicht auf Rubys Seite, und drehte sich zu Jael um. "Wie du siehst bin ich gerade beschäftigt", antwortete er mit einer Beherrschung in der Stimme, die sich nicht auf seinem Gesicht zeigte.

Rubina erkannte die Stimme sofort, auch wenn sie ihn nicht von ihrer Position aus sehen konnte.
Ihr wurde noch flauer im Magen, da nun auch noch Sorge um Jael dazu kam. So erleichtert sie auch war, dass er da war und sich einmischte, wenn Damion in Fahrt war, gleich er einem Bulldozer. Ihr Blick fuhr durch ihr Zimmer und für einen Sekundenbruchteil überlegte sie, wie schnell sie die Tür schließen und ihre Sachen zusammenpacken konnte, um aus dem Fenster zu verschwinden. Viel hatte sie ohnehin nicht.
Sie atmete tief ein, um ihre angespannten Muskeln ein wenig zu lockern, wartete aber gespannt darauf, was nun folgen würde. Rubina wollte Jael nicht allein lassen, sollte Damion wirklich auf ihn los gehen.

Jael zuckte mit keinem Muskel, was schwer war. Damions ganze Haltung sagte: "Lauf oder verlier deinen Kopf", was sehr schwer zu ignorieren war. Nervös schluckte Jael und sagte dann ruhig: "Das sehe ich. Aber du hast ein größeres Problem als Rubina." Das schaffte es immerhin, dass Damion misstrauisch guckte und sich weiter von Rubina abwandte, auf Jael zu. Besser für Rubina, weniger gut für Jael. "Und das wäre welches Problem?", fragte er mit einem drohenden Unterton, der Jael dazu brachte doch einen halben Schritt zurück zu tun. "Lass uns das nicht im Gang besprechen. Es gibt da etwas, dass du sehen solltest", antwortete er. Wenn Damion bis jetzt nicht in die Luft gegangen war, dann standen die Chancen gut, dass es noch eine Weile so blieb. Und tatsächlich, Damion fletschte die Zähne und folgte Jael. Bevor er allerdings weiter als zwei Schritte gekommen war, drehte er sich noch einmal zu Ruby um. "Wehe du verschwindest einfach!", fauchte er und folgte Jael mit steifen Schritten.

Sicher doch. Penner, dachte Rubina, lauschte, wie sich die Schritte der beiden entfernten und schloss dann nahezu lautlos die Tür hinter sich. Wäre sie noch ein Mensch, würde ihr Herz wie wild schlagen, so aufgekratzt war sie. Rasch sprang sie zu ihrem Schrank hinüber, zog Tasche und Klamotten heraus und fing an zu packen. Nach einer knappen Minute war sie fertig, alle ihre Habseligkeiten trug sie entweder an sich, oder befanden sich in ihrer Tasche, die sie sich in diesem Moment über die Schulter zog. Rasch legte sie den Zettel für Damion auf ihr Kissen und kletterte dann auf die Fensterbank. Mit einem leisen Klicken öffnete sie das Fenster, zog es auf und kletterte nach draußen.

"Jael." Damion wartete einen Moment um sich sicher zu sein, dass er die volle Aufmerksamkeit des Angesprochenen hatte. "Wenn das nicht wirklich wichtig ist, dann bring ich dich um." Keine bloße Drohung, so ernst hatte er die Worte noch nie gemeint. Und Jael war sich dem voll bewusst. Er dankte Gott, dass er tatsächlich einen wichtigen Grund im Ärmel hatte. Ohne zu antworten öffnete er die Tür zur Küche. Vom Tresen nahm er die Zeitung, die zum Glück noch da lag, und warf sie Damion zu. Geschickt fing dieser sie auf und sah auf das Titelblatt. Finster zogen sich seine Augenbrauen zusammen, dann flog die Zeitung quer durch den Raum. "Verdammt, dafür?! Wir sind Vampire, sowas machen wir!", fauchte er bedrohlich. "Mag sein. Aber wir sind nicht in London. Hier ist es nicht mein Problem deinen Hals aus der Schlinge zu ziehen, hier machen die Superiors das. Und du bist nicht Matthews Sohn. Du bist ein Gast hier. Sei froh, wenn sie dir den Hals nicht umdrehen", warf Jael aufgebracht zurück. Es war ihm sowieso immer gegen den Strich gegangen, dass Damion seinen Einfluss in London schamlos Ausnutzte.

Auch Maryam hatte die Zeitung bereits gelesen und saß nun an Matthews Schreibtisch um ihm eine kurze Zusammenfassung des Inhaltes zu geben. Nachdem sie geendet hatte, schwieg Matthew erst nachdenklich, die Hand um einen Thermosbecher mit angewärmtem Blut geschlossen. "Maryam, ich muss dich um einen Gefallen bitten", sagte er schließlich und automatisch versteifte sich Maryam ein wenig. "Ich weiß, dass dein Schöpfer in der Stadt ist und verstehe, dass du verlorene Zeit mit ihm nachholen möchtest", fuhr Matthew mit einem verständnisvollen und sanften Tonfall fort, während er seiner Assistentin ein ehrliches Lächeln schenkte, "doch ich MUSS wissen, ob einer meiner Superiors für dieses Blutbad verantwortlich ist! Solange mir Tian derart im Nacken sitzt und Morangie sich noch nicht entschieden hat, auf welcher Seite er stehen will kann ich mir im meinem Distrikt keine weiteren Fehltritte erlauben!"
"Keine Sorge, Mr. Murdoch. Ich werde mich darum kümmern." Maryam erhob sich, beinahe lautlos, von ihrem Stuhl und verließ das Büro während Matthew zurück blieb, noch immer tiefe Sorgenfalten auf der Stirn. Hoffentlich war keiner seiner Vampire für das hier verantwortlich...

Währenddessen war Emlyn am anderen Ende der Stadt damit beschäftigt, die Getränke für den Abend bereit zu stellen. Gerade trug sie eine Kiste Bier hinter die Theke, wieder einmal fasziniert davon, dass diese volle Kiste für sie kaum mehr wog als ein Milchkarton. Während sie das Bier in den kleinen Kühlschrank unter der Theke räumte, schwelgte sie in den Erinnerungen an den gestrigen Abend. Es war einfach toll gewesen, auch wenn Michael am Ende des Abends irgendwie verschlossen gewirkt hatte. Doch wahrscheinlich war es für ihn auch nicht einfach, sich unter so vielen Vampire zu bewegen, die sich so schamlos von Menschen nährten...

"Mir den Hals umdrehen!", fauchte Damion laut und extrem wütend, was er mit einem Schlag auf die Tischplatte zwischen sich und Jael unterstrich. Eine Tischplatte über die Jael sehr froh war in dem Moment, hatte er doch das Gefühl sie war der einzige Grund, wieso Damion ihm noch nicht an die Kehle gegangen war. "Damion. Du hast ein Problem, ob du es dir nun passt oder nicht", antwortete er und bemerkte, dass er mit dem Rücken an den Regalen stand. Wann er zurück gewichen war, war ihm nicht bewusst. Damion knurrte bedrohlich und verschwand. Was auch eine Art Antwort war.

'Rate mal, wer gestern Damion den Laufpass gegeben hat? Unsere kleine Schwester! Wir sollten mit ihr was trinken gehen, um es zu feiern. Was meinst du? J', schickte Jessaiah ihrem Bruder eine Sms und klappte ihr Handy zu. Es gab diverse Unstimmigkeiten zwischen ihr und Ben und sie hielt ihn sicherlich nicht für die beste Gesellschaft, aber in einer Sachen waren sie einer Meinung: Die bezüglich ihres Erschaffers.
Inzwischen befand sich Jess in einem ganz anderen Korridor, um genauer zu sein, in dem, wo der Geruch von Matthew Murdoch am stärksten war. Mit ihm wollte sie noch einmal sprechen und Damion würde sie jetzt ohnehin nicht sehen wollen. Für seine Bedürfnisse war sie in diesem Augenblick auf jeden Fall die falsche Tochter.
Den einen Arm hinter dem Rücken verschränkt, die andere erhoben, klopfte sie gegen die Tür des Arbeitszimmers von Matthew.

Michael lief derweil durch die Stadt, rauchend. Er hatte gehofft, ein wenig an der frischen Luft zu sein, würde für einen klaren Kopf bei ihm sorgen. Schön wäre es gewesen. Seine Schritte wurden langsamer, bis er schließlich ein Restaurant erreichte, dass auch draußen ein paar Stühle und Tische hatte. Dort setzte er sich hin und drückte schließlich seine Zigarette aus.

Rubina hatte sich erfolgreich soweit hinab gehangelt, dass sie ohne Bedenken springen konnte. Unten angekommen durchfuhr ihre Beine ein kurzer Schmerz, doch der ebbte sogleich wieder ab, während sie nach oben schaute. Sie hatte zwar Jael gegenüber gesagt, sie würde noch etwas bleiben, aber unter diesen Umständen auf gar keinen Fall. Seufzend rappelte sie sich auf, sah sich rasch um und lief dann los.
Zweimal lief sie fast in ein Taxi hinein, als sie eine der vielen Straßen überqueren wollte und fluchte jedes Mal von Neuem. Als sie schließlich weit genug entfernt vom Superiorhaus, die Feuertreppe eines fremden Gebäudes hinauf ging, holte sie kurz ihr Handy heraus, um Jael eine Nachricht zu schreiben.
'In einer halben Stunde in der Stadt?', tippte sie und fügte eine Adresse hinzu. Es war die eines kleinen Restaurants, das sie auf dem Weg gesehen hatte. Anschließend packte sie ihr Handy wieder weg, band ihre Haare zurück und brach in das oberste Stockwerk ein.
Sie hatte zuvor genau gelauscht, ob noch jemand in der Wohnung war und aus früherer Erfahrung, wusste sie wie sie diese Sorte Fenster ohne viel Aufwand und Krach aufbekam.
Vorsichtig huschte sie in die Wohnung hinein und machte den Kleiderschrank ausfindig. Sie brauchte jetzt dringend Klamotten, die nicht nach ihr rochen...

Ben war eigentlich gerade nicht in der Stimmung unterbrochen zu werden, trotzdem sah er auf sein Handy. Und war sofort von der Nachricht abgelenkt. Das glaubte er ja nicht! Grinsend tippte er Jess eine Antwort: Sie werden so schnell erwachsen. Ich hab ne neue Lieblingsschwester, sag mir wo wir sie belästigen können!
Er hatte das Handy gerade wieder eingesteckt und wollte sich wieder dem Objekt seiner Begierde zuwenden, von dem er feststellen musste, dass es verschwunden war. Einfach weg. Frustriert seufzte er und schickte seiner älteren Schwester gleich noch eine SMS. Ehrlich. Sie hat deinen Platz in meiner Familienliste eingenommen.

Jael hatte das Gefühl, dass er Damion folgen sollte, damit er nicht wieder ein Blutbad anrichtete. Schlau wäre das allerdings nicht gewesen und so blieb er wo er war, bis das leise Piepen seines Handys ihn aus seinen Gedanken schreckte. Dass Rubina abgehauen war, war aus der Mitteilung unschwer raus zu lesen. Natürlich. Soll ich etwas mitnehmen?, tippte er zurück und seufzte leise. Wenn Damion auf den weg zu ihrem Zimmer war, dann sollte er vielleicht schnell das Haus verlassen, bevor er auf die Idee kam nach ihr bei Jael zu suchen. Was allerdings noch eine Schwierigkeit mit sich brachte, so konnte er nicht mit Matthew über Damion reden. Und das war kein Thema für eine SMS. Vielleicht sollte er ihn später anrufen.

Damion war nicht direkt zurück zu Ruby gelaufen. Er vertraute darauf, dass sie sich nicht von der Stelle rührte und verließ erst mal das Haus um sich abzureagieren. Ohne Blutvergießen.

Rubina las die Sms von Jael, als sie aus der Dusche kam und wieder angezogen war. Sie hatte Glück gemacht, wem auch immer die Wohnung gehörte, war weg und blieb es so lange Ruby da war. Sie hatte sich einen Pullover heraus gesucht, einen weiten, dunkeln grünen, den sie überstreifte, dazu eine schwarze Strumpfhose. Ihre Schuhe behielt sie, den Rest stopfte sie in eine Mülltüte. Auch ihre Tasche musste sie durch eine andere ersetzen, in die sie lediglich ihren Geldbeutel und ein kleines Notizbuch steckte, in dem sich zwei Fotos von ihrer Familie befanden. Alles was sie hatte und das ihr etwas bedeutete.
Rubina beschloss beizeiten hier her zurück zu kommen, um Geld da zu lassen. Sobald sie mehr davon hatte. Seufzend sah sie nach, ob noch alles so war, wie bei ihrer Ankunft, dann stieg sie wieder aus dem Fenster, schloss es und ging die Feuertreppe hinab. Unten angekommen warf sie die volle Mülltüte zu den Mülltonnen und ging rasch weiter.
'Nein, ich hab alles', war ihr knappe Antwort auf Jaels SMS, ehe sie den Weg zu dem genannten Restaurant einschlug.

Matthew hob den Kopf und legte rasch das mit Braille-Schrift bedruckte Papier beiseite, das er eben gelesen hatte. Um seine Tarnung als blinder Mensch zu sichern hatte er die Schrift vor etwa 50 Jahren gelernt und beherrschte sie gut genug, um auch längere Dokumente so mit den Fingern "lesen" zu können. "Herein", forderte er die Person auf der anderen Seite der Tür auf, einzutreten und strich sich hastig das leicht zerknitterte, dunkelblaue Hemd glatt. Er war so vertieft in das Dokument gewesen (die Abrechnung des letzten Quartals, ihre Einnahmen waren wieder gesunken) dass er nun nicht darauf kam, seine geschärften Sinne zu benutzen um heraus zu finden, WER da auf der anderen Seite der Tür stand.

Jessaiah hörte zwar, dass ihr Handy leise vibrierte und ihr Bruder wohl soeben geantwortet hatte, machte sich jedoch nicht die Mühe, nachzusehen, als Matthews Stimme von der anderen Seite erklang. Mit einem Lächeln drückte sie die Klinke hinunter und trat in den Raum ein.
„Guten Abend, Mr. Murdoch. Ich hoffe, ich störe nicht“, sagte Jess, die ein paar Schritte in den Raum hinein machte, ehe sie die Tür hinter sich schloss.
„Ich wollte mir Ihnen noch einmal unter vier Augen sprechen. Ich wollte unter anderem klar stellen, dass ich Tian Xuedong am gestrigen Abend zwar begleitet habe, aber das bedeutet nicht, dass ich ihn in seinen Interessen vollkommen unterstütze. Geschweige denn, dass ich ihn als angenehmes Gesellschaft halte“

Etwas unwohl fühlte sich Rubina in ihrer Haut, in den fremden Klamotten und mit dem fremden Geruch um sich, als sie sich in die hinterste Ecke des Restaurants führen ließ, um sich dort an einen freien Tisch zu setzen. Sie bestellte bei dem Kellner ein Glas Wasser, um den Schein zu wahren und zog dann erneut ihr Handy heraus, um Jael zu simsen, dass sie bereits drinnen auf ihn wartete.