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Interview: Bernd Perplies- Autor

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Beitrag von Faraday Mo 14 Sep 2009 - 3:19

Interview mit Bernd Perplies, Autor der Tarean- Saga

Faraday: Fantasy ist bloße Trivialliteratur – was fällt Ihnen spontan zu dieser Aussage ein?

Perplies: J.R.R. Tolkien, Lewis Carroll, Michael Ende, T.H. White, Peter S. Beagle, C.S. Lewis. Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Fantasy ist, wie jedes andere Genre nur ein Begriff für ein bestimmtes Set an typischen Motiven und Themen. Und wie in jedem anderen Genre existiert ein breites Spektrum unterschiedlicher Romane, von der seichten Unterhaltung bis zur anspruchsvollen, zum Nachdenken anregenden Lektüre.
Natürlich gibt es da draußen Bücherberge gradliniger „Sword-and-Sorcery“-Romane, die für den schnellen Genuss gedacht sind und nicht viel mehr als Action und Exotik bieten (ein Angebot, das ich übrigens für völlig legitim halte, solange es sich die Leser wünschen). Ähnliche Bücherberge findet man aber auch in der Kriminalliteratur, Science-Fiction, in Historiendramen, Liebesromanen usw. Und dort wie hier geht es aber auch anders, denn die Fantasy kann auch eine andere andere Welt entwerfen, vor deren Hintergrund Fragen zum Leben, dem Universum und dem ganzen Rest abgehandelt werden; wenn nicht gar die Erzählung selbst zur Metapher wird, wie etwa in Michael Endes „Die unendliche Geschichte“, das u.a. vom Verlust der Fantasie handelt, oder in C.S. Lewis’ „Chroniken von Narnia“, denen ein starker religiöser Subtext innewohnt.

Faraday: Was macht für Sie ein gutes Buch aus?

Perplies: Ein Buch, das hält, was es seinen Lesern verspricht – oder anders gesagt: ein Buch, das die Leser, für die es geschrieben wurde, gut unterhält. Nicht alle Leser dort draußen wollen unbedingt intellektuell anspruchsvolle Werke lesen, die vielleicht randvoll sind mit Verweisen auf einen Bereich unserer Kultur, die jenen Lesern einfach fremd ist. Viele Leute (mich durchaus eingeschlossen) möchten von einem Buch einfach für ein paar Stunden in eine aufregende, traurige, komische Geschichte hineingezogen werden. Und wenn sie ihre Lektüre dann am Ende zur Seite legen und sagen: „Das hat mir Spaß gemacht!“ – dann kann das doch kein schlechtes Buch gewesen sein, nicht wahr?

Faraday: Warum schreiben Sie Fantasyromane?


Perplies: Ich denke, ich schreibe vor allem deshalb Fantasyromane, weil ich eine blühende Fantasie habe. Ich reise einfach gerne an fremde Orte und lerne ungewöhnliche Geschöpfe oder Kulturen kennen. Wobei es eher dem Zufall geschuldet ist, dass meine erste Roman-Trilogie um den Jungen Tarean eine Fantasygeschichte im klassischen Sinne geworden ist. Ich bin auch anderen Subgenres der Phantastik nicht abgeneigt, sei es Urban Fantasy, Steampunk oder Science-Fiction. Daher wäre es wahrscheinlich richtiger zu sagen: Ich schreibe gerne phantastische Romane.

Faraday: Wollen Sie dem Leser auch noch andere Dinge außer guter Unterhaltung vermitteln?


Perplies: Dass ich damit auf jeden Fall gut unterhalten will, ist klar. Auch ich selbst möchte schließlich gut unterhalten werden. Meinen Geschichten wird dabei eine im Kern optimistische Haltung nachgesagt, und wenn ich etwas vermitteln möchte (ohne dass in meinen Geschichten mit dem Zeigefinger darauf hingewiesen wird), dann vermutlich das: Freundschaft, Hilfsbereitschaft, Mut und die geistige Offenheit, das eigene Handeln und die eigenen Vorstellungen immer wieder zu hinterfragen, sind Werte, die auch heute nicht überholt sind – auch wenn ein großer Trend des Mainstreams im Augenblick die Hinwendung zum „Düsteren“ ist und dunkle, fanatische Rächer zu Identifikationsfiguren werden.

Faraday: Ihre „Tarean“-Reihe ist der High Fantasy zuzuordnen. Haben Sie dort irgendwelche Vorbilder? Welcher Fantasyautor schreibt ihrer Meinung nach die tiefgründigsten Geschichten?


Perplies: Welcher Autor die tiefgründigsten Geschichten schreibt, fällt mir schwer zu beantworten, denn tatsächlich lese ich gar nicht besonders viel Fantasy. Ich bin eher in der Science-Fiction beheimatet (so kurios das jetzt klingen mag). Insofern könnte ich jetzt sagen, dass Terry Prachett bei allem vordergründigen Humor gerade in seinen neueren Romanen sehr kluge Gesellschaftssatire betreibt. Und Michael Endes Werk ist – zu Recht! – Stoff von literaturwissenschaftlichen Seminaren an der Uni (wie ich zufällig aus erster Hand weiß  ). Aber ich kenne vermutlich zu wenige Autoren in diesem Genre, um die echten Geheimtipps nennen zu können.
Insofern habe ich auch keine eindeutigen Vorbilder in diesem Bereich. Es gibt einzelne Aspekte, die mir im Stil gewisser Autoren gefallen. Ich mag etwa die bildgewaltige Sprache, die Tad Williams in seinen Romanen verwendet. Mir gefällt die Art, wie H.P. Lovecraft dumpfe Spannung erzeugt. Und als 12-Jähriger war ich ein großer Fan der schwarzen Ueberreuter-Fantasy-Romane von Heike und Wolfgang Hohlbein, denn hier wurden junge Helden (wie ich gerne einer gewesen wäre) durch prachtvolle Abenteuer gejagt.
Viel eher stammen meine Vorbilder allerdings aus dem Bereich der bewegten Bilder, wobei das sowohl Filme als auch Serien umfasst – vermutlich ein Erbe meines Studiums der Filmwissenschaft. Gerade gut gemachte Serien sind für mich das perfekte Lehrmittel, um etwas über den Umgang mit Figurenensembles zu lernen, und wie man sie so sympathisch und doch mit Ecken und Kanten gestaltet, dass der Leser gerne mit ihnen auf Reisen geht.

Faraday: Freundschaft ist oft ein wichtiges Motiv in der Fantasyliteratur. Denken Sie, das ist eine Reaktion auf unsere immer schneller werdende Welt, in der man eine richtige Freundschaft oft kaum zu schätzen weiß? Auch in „Tarean“ sind die Freunde für den Protagonisten wichtig - denn alleine kann er nicht bestehen und nur mit ihrer Hilfe seine Aufgabe erfüllen. Vermag Fantasyliteratur uns den Wert einer echten Freundschaft zu vermitteln?

Perplies: Der momentane Erfolg von Fantasyromanen ist bestimmt zum Teil eine Reaktion auf die Krisen und Unsicherheiten in unserer Wirklichkeit. In Fantasyromanen sind die Dinge in den meisten Fällen einfach gradliniger, Probleme und ihre Lösung greifbarer. Das betrifft nicht nur das Thema Freundschaft, sondern auch – und wenn ich mir den Boom aktueller Vampirromanzen anschaue sogar „noch mehr“ – das Feld der Liebe oder die Fähigkeit, Macht auszuüben und/oder sein eigenes Schicksal zu bestimmen (meist durchs Schwert). Gerade das Motiv der Freundschaft ist innerhalb des Genres allerdings schon so alt (bereits Frodo zog in „Der Herr der Ringe“ mit acht Kumpanen los in Richtung Mordor), dass seine Verwendung in Fantasyromanen meines Erachtens weit weniger aktuellen, realen Entwicklungen geschuldet ist, als die der anderen genannten Komplexe.
Ob die Fantasy imstande ist, dem Leser den Wert von Freundschaft zu vermitteln, weiß ich nicht. Wenn dem so wäre, wäre das jedenfalls ein größerer Verdienst, als die Vermittlung der Ansichten, dass ein Beziehungspartner nur dann perfekt ist, wenn er atemberaubend gut aussieht, furchtbar mysteriös wirkt und nebenbei Blut trinkt, oder aber dass sich Probleme am leichtesten dadurch lösen lassen, dass man denjenigen, die einem im Weg stehen, ein Schwert zwischen die Rippen schiebt. Vielleicht ist es gar nicht so gut, wenn die Leser zu viel aus ihrer Lektüre mitnehmen. Man lernt schon manch fragwürdige Dinge in solchen Büchern.

Faraday: Als hohe Literatur werden oft Werke bezeichnet, deren Autoren längst tot sind oder die voll von tiefsinnigen Gedankengängen sind, die der einfache Leser oft schwer nachvollziehen kann. Nach den üblichen Kriterien wird Fantasy oft als bloße Unterhaltungsliteratur abgestempelt. Doch kann man diese Literatur überhaupt nach den üblichen Maßstäben beurteilen? Oder kann Fantasy nicht viel besser dazu genutzt werden, verschiedene Werte den Lesern auf verständlichere Art zu vermitteln, als es die hohe Literatur tut?

Perplies: Ich denke, dass Werte und Weltansichten auf unterschiedlichste Art vermittelt werden können. Dazu zählen sowohl stilistisch anspruchsvolle Gedankenspielereien, als auch eindeutige, leichter verständliche Parabeln auf unsere Welt, wie sie in der Fantasy entworfen werden können. Es gibt die verschiedensten Arten von Lesern, also ist es sicher richtig und wichtig, dass es auch die verschiedensten Arten gibt, gewisse Botschaften an die Frau oder den Mann zu bringen. (Es ist übrigens ein Irrtum, zu glauben, dass hohe Literatur immer die Absicht hätte, eine wertvolle Botschaft zu vermitteln. Oft genug handelt es sich einfach um ein literarisches Experiment – wer mal versucht hat, „Finnegans Wake“ von James Joyce zu lesen, weiß, was ich meine – oder es wird ein Gesellschaftsbild der jeweiligen Zeit heraufbeschworen, wie beispielsweise in Thomas Manns „Buddenbrooks“.)
Dass Fantasy im Allgemeinen die Weiheformel „hohe Literatur“ verweigert bleibt, ist sicher zum Teil auch einfach eine Frage der Zeit. Die Fantasy an sich ist ein recht junges Genre (wenn wir mal die ganzen Vorläufer, von den antiken Sagen über die mittelalterlichen Rittergeschichten bis zum Pulp der 1930er außen vor lassen). Sie gilt als im Wesentlichen nach J.R.R. Tolkien entstanden, der heutzutage übrigens durchaus Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen ist, so trivial also nicht sein kann (zugegeben: Er ist schon tot). Insofern kann ich mir gut vorstellen, dass in fünfzig oder hundert Jahren durchaus ein Kanon literarisch wertvoller, die Zeit überdauernder Fantasyromane existiert, so wie in anderen Bereichen der Literatur auch. Erste Ansätze dazu existieren auch heute schon, denn es dürfte selbst Hochkulturanhängern schwer fallen, den literaturhistorischen Wert von „Der Herr der Ringe“ zu leugnen.

Vielen Dank an Bernd Perplies für dieses Interview!

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Beitrag von absinthefreund So 16 Jan 2011 - 22:59

Oh, warum sehe ich dieses Interview heute zum ersten Mal? Ich sollte mehr stöbern, ich stehe auf Autoreninterviews.

Ich habe mir vor kurzem den ersten Tarean-Band als Hörbuch reingezogen, da interessiert mich doch, was der Autor so zu erzählen hat.
"Tarean" gehört leider nicht zu meinem Literaturgeschmack, ich bin einfach aus dieser Art Geschichten herausgewachsen, und ich kann mich auch nicht so recht mit der hochgestochenen Sprache anfreunden. Aber abgesehen davon hab ich großen Respekt vor Bernd Perplies' Arbeit. Da steckt viel Herzblut drin, das merkt man.

Nun: Wieder eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob Fantasy trivial ist oder nicht. Ist nicht die meiste Literatur trivial?
Ein Bruchteil dessen, was auf dem Markt ist, kann sich meiner Meinung nach als "intellektuelle" Literatur bezeichnen. Vieles davon sind zudem Klassiker, also Literatur aus vergangenen Zeiten, die zum Kanon gehören und deshalb nie vom Markt genommen werden. Also wird der Anteil noch kleiner.

Was wäre, wenn Liebesromane plötzlich so populär würden wie Fantasy und die kleinen Mädchen Edwards ohne Reißzähnen hinterherrennen würden? Dann würde man anfangen über die Trivialität von Liebesromanen zu diskutieren, oder? (Wobei ich befürchte, dass die nicht viele Argumente auf ihrer Seite haben, höhö.) Genauso könnte es Thrillern gehen oder sonst einem Unterhaltungsgenre. Was macht diese Art von Literatur immun gegen den Vorwurf trivial zu sein, der Fantasy seit jeher folgt?
Gar nichts. Wenn der Fantasy-Hype vorbei geht (Oh je, möge der Tag niemals kommen...), dann wird wohl auch die Diskussion einschlafen und Fantasy ein Genre neben anderen sein.
Mal ehrlich: Was ist das für ein Argument, Fantasy sei eskapistisch? Meiner Meinung nach ist Chick lit viel unrealistischer. Fantasy schließt immerhin von vornherein aus, dass die Dinge, die in ihr geschehen, nicht in unserer Welt geschehen.
Noch was: Ich wage wohl zu behaupten, dass aus der Fantasyliteratur mehr Meisterwerke hervorgegangen sind als aus der Chick lit. (Allerdings kenne ich mich mit Liebesromanen GAR nicht aus. Vielleicht will mich da jemand korrigieren.)


(Ein bisschen groß das Foto.)
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