Vampire-Das RPG IV

"Gerne", antwortete Jael, wobei es ihn nicht viel Mühe kostete freundlich zu klingen. Er hatte Cassandre und Damion schon wieder aus seinen Gedanken verbannt, so weit das möglich war. Dass Rubina das allerdings nicht konnte, dafür musste er kein Hellseher sein. Ihre Kinnlinie verriet selbst während ihres Lächelns, wie sehr sie um ihre Fassung kämpfen musste. Trauriger weise wurde Jael das Gefühl nicht los, dass es nicht so sehr an Damions Benehmen sondern an der Tatsache lag, dass er mit Cassandre hierher gekommen war. Er hoffte nur, dass er nicht in den Machtkampf zwischen ihnen gefangen werden würde. Wenn die zwei sich gegenseitig beweisen wollten, dass sie ohne den anderen auskamen, dann wäre er lieber außen vor. "Dort entlang, würde ich meinen. Sollte dieses Haus mit etwas Verstand gebaut worden sein, so wäre das ein logischer Ort dafür", fuhr er fort, ohne seine Gedanken zu offenbaren, obwohl er unwillkürlich in einen sehr formellen Ton verfiel.

Nur stumm stimmte Jael ihr zu. Der Besitzer hatte sicherlich jede menge Geld in dieses Haus gesteckt, wobei Jael zu bezweifeln wagte, dass es lange gedauert hatte es zu bauen. Die Innenarbeiten hatten sicherlich einige Zeit in Anspruch genommen aber mehr als ein halbes Jahr Bauzeit rechnete Jael nicht. Nicht wenn man so viel Geld zur Verfügung hatte. Unter diesen Umständen konnten sogar Handwerker schnell und zuverlässig arbeiten. Die Aussicht von der Terrasse aus ließ tatsächlich nichts zu wünschen übrig. Das Mondlicht spiegelte sich in der ruhigen Oberfläche des Sees und gaben ihm tatsächlich das Gefühl als sei er im England des siebzehnten Jahrhunderts gelandet. "Stimmt. Würde sich bei einer Anlage wie dieser allerdings auch nicht gut machen", stimmte Jael ebenso leise und sichtlich beeindruckt zu.

Emlyn nickte dem Wärter (oder wie er nun auch immer bezeichnet wurde) dankbar zu und folgte dann mit Michael im Arm als Schlusslicht der Menschentraube, die die Treppen empor stieg. Allein die schiere Größe dieses Hauses war einschüchternd und Emlyn schluckte trocken. Oh Gott, so viele Vampire auf einem Fleck, so viele potentielle Fettnäpfchen, in die sie mit Anlauf hineinspringen konnte! "Weißt du, ob es ein Programm für den Abend gibt?", wandte sie sich flüsternd an Michael und sah ihn fragend an, "also, ich weiß, dass es eine Begrüßung gibt, aber kommt danach noch etwas?"

"Ein guter Vorschlag", lächelte Matthew und nickte Jilian kurz zu, ehe sie gemeinsam die Eingangstür durchschritten, die eher als Tor bezeichnet werden musste. Matthew musste nicht sehen könne um zu wissen, dass ihnen zahlreiche neugierige Blicke zuteil wurden, während sie die Eingangshalle passierten und schließlich den Tanzsaal betraten.
Beim Anblick des riesigen, von Marmorsäulen gesäumten Raumes hielt sogar Maryam kurz inne und bestaunte ihre Umgebung.

"Einige. Auch wenn's im letzten Jahrhundert weniger geworden sind. Es gibt nicht mehr viele, die sich die Mühe machen so einen Garten zu pflegen. Oder das nötige Personal. Alles eine Frage des Geldes", antwortete Jael und wandte sich seiner Begleitung mit einem fast schmerzlichen Lächeln zu. Nicht dass er die alten Zeiten sonderlich vermisste, dieses Jahrhundert hatte doch definitiv seine Vorteile, aber manchmal wünschte er sich doch, dass die Menschen sich wieder mehr Zeit für Kleinigkeiten nehmen würden, wie einen Garten pflegen. "Möchtest du dich weiter umsehen oder nur eine Weile hier stehen und Luft schnappen?", fragte er, wobei stumm das Angebot mitklang, dass er sich auch zurück ziehen würde, wenn ihr das lieber wäre.

Cassandre hatte Damion mittlerweile soweit aus seiner eingeschnappten Laune gekitzelt, dass er sich mit ihr auf der Tanzfläche präsentieren ließ. Wobei natürlich klar war, wer die bessere Figur machte.

„Schade... Wir hatten leider nie einen Garten“, sagte Rubina gedankenverloren, wandte sich aber blinzelnd wieder Jael zu, als dieser ihr eine Frage stellte. Sie überlegte einen Augenblick, strich mit einer Hand über den Stoff ihres Kleides und nickte dann in Richtung des Gartens.
„Ich denke, ich werde mir den Garten genauer ansehen. So einen sieht man schließlich auch nicht alle Tage. Und ich würde mich sehr darüber freuen, wenn du mich begleiten würdest. Aber du musst nicht“, stellte sie klar. Es konnte ja sein, dass er Hunger hatte oder mit jemand anderem Tanzen wollte – und davon wollte sie ihn nicht abhalten.
„Ich würde ohnehin nur eine kleine Runde durch diesen gigantischen Garten machen...und dann wieder zurück ins Haus“

"Ja, das ist bestimmt eine gute Idee", murmelte Emlyn, folgte aber mit den Augen dem Kellner, der an ihnen vorbei ging. Michael zuliebe hatte sie sich seit ihrer Verwandlung noch nicht einmal von einem Menschen genährt, doch wenn sie ehrlich sein sollte, der Gedanke, es zu tun, war sehr verlockend. Nines, ihr Boss, tat es auch, sie hatte ihn schon oft genug dabei gesehen, wie er sich an einer seiner menschlichen Tänzerinnen oder einem attraktiven Gast labte. Wie es wohl war, von einem Menschen zu kosten? Die Wärme des Körpers, das schlagende Herz...ein wohliges Schauer lief Emlyn über den Rücken, doch sie tat ihr Bestes, es vor Michael zu verheimlichen.

"Sicher die halbe Stadt", murmelte Matthew, ehe er ein höfliches Lächeln aufsetzte. Ab jetzt war er nicht nur Gast auf dem Ball, sondern repräsentierte auch sein Haus. Niemand würde ihn dabei erwischen, wie er abwertend über den Gastgeber sprach. "Also Jilian", wisperte er seiner Frau zu und drückte lächelnd ihr Hand, "würdest du mir die Ehre erweisen, mit mir zu tanzen?" Gerade hatte das Orchester ein neues Lied angespielt, zu der man einen wunderbaren Wiener Walzer tanzen konnte.

Nicht dass man es ihm ansah, aber Jael war äußerst erleichtert, dass sie ihn nicht wegschickte. Charmant lächelte er und reichte Rubina seine Hand. "Es wäre mir eine Freude dich zu begleiten", sagte er leise. In dem kurzen Moment, in dem Rubina ihr Hand noch nicht in seine gelegt hatte, überlegte er, ob er sie näher nach ihrem Verhältnis zu Damion fragen sollte. Ein Blick in ihre Augen ließen ihn den Gedanken jedoch wieder verwerfen. Stattdessen lächelte er unbefangen.

„Na dann. Schauen wir uns mal diesen Tanzsaal an und beweisen eine flotte Sohle“, raunte Michael mit einem schiefen Lächeln, horchte kurz auf und schmunzelte. „Mit Walzer, wie es scheint. Nicht gerade mein Lieblingstanz, aber immerhin kann ich behaupten, die Schritte und Figuren noch zu können“ Er führte sie die Stufen hinauf und trat dann mit dem restlichen Strom in den Tanzsaal ein. „Wow...“, murmelte er und sah sich beeindruckt um. Solche Räumlichkeiten sah man wirklich nicht alle Tage.

„Aber gerne doch. Nichts lieber als das“, antwortete Jillian lächelnd, die seinen Händedruck erwiderte und ihm einen verliebten Blick zu warf, selbst wenn er ihn nicht sehen konnte. Anschließend ließ sie sich von ihm auf die Tanzfläche führen, vorbei an diversen anderen Paaren, bis sie eine Stelle gefunden hatten, an der es genug Platz für sie zwei gab.
„Unser letzter Tanz liegt schon ziemlich lange zurück“, wisperte sie ihm ins Ohr. „Wurde langsam Zeit, dass wir das ändern“ Lächeln lehnte sie sich wieder zurück und nahm Stellung ein, bereit sich von ihm führen zu lassen.

Nicht minder erleichtert war Rubina, als Jael einwilligte, mit ihr durch den Garten zu gehen und zog daher auch ihre Hand nicht weg, als er nach dieser griff und hakte sich kurz darauf bei ihm wieder ein. „Ich finde, ich habe wirklich eine exzellente Wahl getroffen, bei meiner Begleitung“, raunte sie und warf ihm von der Seite ein Lächeln zu. „Danke nochmal... Also... erzähl mal. Ich würde dich gerne besser kennen lernen. Also...wenn ich darf. Was hast du früher am liebsten gemacht? Als du noch ein Kind warst?“, fragte sie neugierig, bemühte sich aber darum, nicht zu aufdringlich zu sein.

Emlyns Reaktion war weniger subtil: Mit weit offenem Mund sah sie sich staunend um und erinnerte dabei ein wenig an ein Kind, das das erste Mal einen geschmückten Weihnachtsbaum sah. "Oh mein Gott!", flüsterte sie ehrfürchtig, "dieser Saal...ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nie etwas so Schönes gesehen!" Der riesige Kronleuchter, das Herzstück des Saales, bewegte sich kaum merklich und hielt Emlyns Blick gefangen. Wie festgeleimt stand sie da und starrte zur Decke hinauf.

"Da hast du recht", flüsterte Matthew Jilian schmunzelnd ins Ohr und hauchte einen Kuss auf ihre kühle Wange, ehe seine rechte Hand Jilians ergriff und seine linke sich auf ihre Taille legte. Nur einen Moment später bewegten sie sich zum Takt der Liedes über die Tanzfläche, scheinbar schwerelos. Matthew hatte lange genug Zeit gehabt, das Tanzen zu erlernen und gerade bei diesem Thema war Maryam sehr unnachgiebig gewesen, sie hatte darauf bestanden, dass er das Tanzen erlernte.

Genau diese stand etwas abseits der Tanzfläche und ließ ihren wachsamen Blick durch den Tanzsaal gleiten. Sie suchte nach bekannten Gesichtern, anderen Paten, die Matthew nach seinem Tanz begrüßen und mit denen er kurz plaudern konnte. Irgendwo hier musste Tian herumlaufen, Maryam wusste es. Je früher er und Matthew miteinander gesprochen hatten, desto früher würden die musternden Blicke nachlassen, sie im Moment auf ihm und Jilian ruhten.

Obwohl er Rubina jetzt schon einige Tage kannte, verwunderte es ihn doch immer noch, wenn sie so frei nach persönlichen Dingen fragte. Die meisten Vampire, die er kannte hielten es für unhöflich zu fragen, fanden es unpassend über das Leben vor der Wandlung zu sprechen oder es interessierte sie einfach überhaupt nicht. Rubina war in mehr als einer Hinsicht eine erfrischende Persönlichkeit. So konnte er auch das Lachen nicht unterdrücken. "Als Kind? Mein Gott, dass ist schon so lange her", sagte er, den Kopf in den Nacken gelegt sah er zum Mond hoch. "Ich hatte nicht viel Freizeit. Es war anders als heute. Wenn ich nicht in der Schule war, dann musste ich zuhause mit anpacken. Meine Geschwister hüten, meinen Vater unterstützen, alles was eben so anfiel. Aber am liebsten habe ich es gemocht, wenn ich mich fortstehlen und einige Stunden vollkommen unbeobachtet im Wald verbringen konnte. Was ist mit dir? Was hast du als Kind gerne gemacht?" Schmunzelnd wandte er ihr das Gesicht wieder zu.

„Ich glaube aber, wir sollten uns bewegen. Sonst überrennen uns die Leute noch“, raunte Michael leise in Emlyns Ohr und zog sie sanft mit sich, an den Rand des Raumes. Dabei bemerkte er Adriana, die an einem der Fenster stand und mit zwei Damen redete. Ihr Blick war unergründlich, doch er vermutete, dass sie nichts nettes dachte. Stumm nickte sie ihm und Emlyn knapp zu.
Ob Ilana wohl auch da war? „Hey, wie wäre es, wir könnten da vorne die Treppe hinauf und von der Empore aus können wir uns ein wenig umsehen“, schlug er Emlyn vor und wies auf eine der naheliegenden Treppen.  

Adrianas Blick wanderte weiter und lag im nächsten Moment auf Matthew und Jillian. Lächelnd beobachtete sie die beiden eine Weile, ehe sie sich wieder ihren Gesprächspartnern zuwandte.
Ilana saß stattdessen inzwischen oben auf der Empore, allerdings weit weg von der Balustrade und blickte hinaus aus einem der Fenster. Durch dieses konnte sie beobachten, wie zwei Gestalten hinaus in den Garten gingen.
Eigentlich eine gute Idee, vielleicht sollte auch einen kleinen Abstecher nach draußen machen. Hier drinnen war es nach ihrem Geschmack sowieso zu voll.

„Wald“ Rubina grinste. „Wälder kannte ich früher nur aus meinen Büchern. Ich habe mein Leben in der Stadt verbracht und da meine Familie nicht sonderlich viel Geld hatte, war unsere Wohnung sehr klein. Sehhr klein. Und Ausflüge waren nicht drin...Aber ich habe es geliebt, wenn meine Mom mir Geschichten erzählt hat. Nachts, vor dem Schlafen gehen. Und Lesen! Sobald ich lesen konnte, habe ich die verschiedensten Bücher verschlungen...was nicht so einfach war... Bei uns gab es damals noch dieses Gesetz. Man durfte nicht mit bestimmten Büchern erwischt werden... Aber ich habe mich eigentlich ganz gut angestellt. Nur einmal haben sie mich gekriegt“ Sie zuckte mit den Schultern und wischte die dunkle Erinnerung mit einer Hand beiseite.
„Wie ist das eigentlich? Ich meine...du bist so alt...fällt es da schwer, sich zu erinnern? Vergisst man...irgendwann, woher man kam? Wer man war?“, fragte sie mit einer ernsteren Miene.

Als Michael sie sanft mit sich, erwachte Emlyn aus ihrer Starre und nickte. "Ja, das klingt gut", bemerkte sie und schenkte ihm ein kurzes Lächeln, ehe ihr Blick weiter glitt und schließlich an einem bekannten Gesicht hängen blieb. Adriana. Unwillkürlich verspannte Emlyn sich und folgte Michael mit steifen Schritten, während ihre Augen weiterhin auf Adriana ruhten. Es war naiv gewesen zu glauben, dass sie nicht eingeladen sein würde, schließlich war sie eine Machtperson. Oh Gott, hoffentlich würde der Abend nicht im Chaos enden...

Während er so die Fragen beantwortete, fragte er sich, ob Damion Rubina überhaupt irgendwas beigebracht hatte. Oder eher: Etwas beigebracht, dass auch wirklich nützlich wäre. Mit den Alltagsdingen hatte er sich scheinbar wenig beschäftigt. Typisch Damion allerdings.
"Manchmal ist es schwer nicht aus den Augen zu verlieren, wer man war, ja. Aber es hilft es sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Jedenfalls sage ich mir das immer wieder. Von Tag zu Tag leben ohne vor oder zurück zu blicken, das ist eine gefährliche Einstellung", sagte er, wobei der letzte Satz auch für einen Tauben als Kritik an Damion zu verstehen gewesen wäre. Jaels Kinnlinie spannte sich kurz an, als er die Kiefer fest zusammen biss, entspannte sich allerdings genauso schnell wieder. Rubina konnte nichts für ihre Verbindung zu ihm. Und für einen jungen Vampir war Damion sicherlich verlockend. Gott, sogar er hatte ihn neidisch betrachtet. Als er noch sehr viel Jünger gewesen war. "Wenn du nicht aus den Augen verlierst, was dir wichtig ist, dann verlierst du dich auch nicht in den Jahrhunderten", fügte er sanfter hinzu und schenkte Rubina ein aufmunterndes Lächeln.

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