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Inwiefern entwickeln sich eure Charaktere?

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Beitrag von Carelly Di 5 Okt 2010 - 23:26

Mich würde interessieren, wie sehr sich eure Charaktere im Verlauf eurer Geschichte verändern. Entwickeln sie sich innerlich und zugleich äußerlich? Ändert sich ein bestimmter Charakterzug oder ändert sich die Weltansicht? Etc. etc.
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Charaktere - Inwiefern entwickeln sich eure Charaktere? Empty Re: Inwiefern entwickeln sich eure Charaktere?

Beitrag von Seido Mi 6 Okt 2010 - 6:54

Weil ich stinkfaul bin quote ich dir einfach mal aus meinem Autorentagebuch hier rein:

Zu Anfang im Heimatdorf geht er anderen Menschen aus dem Weg und treibt sich lieber allein am Waldrand herum, wodurch sich das Misstrauen ihm gegenüber noch verstärkt und man ihn schlechter behandelt -> I smell the stench of Teufelsspirale.
Bevor er jedoch dasselbe Schicksal erleidet wie viele andere mit dem Mal des Waldgottes, nämlich den Tod durch die eigenen Nachbarn und Familienmitglieder, ereignen sich die seltsamen Geschehnisse um den Wald und die Exorzistin betritt das Dorf, um sich dem Dämon zu stellen und ihn einzufangen. Als Lohn und aufgrund ihres Drängens wird ihr der Protagonist als Schüler auf's Auge gedrückt und soll ihr nach Shabuk folgen.
An dieser Stelle wird er also vielmehr wie ein Gegenstand behandelt, wenn auch er merkt, dass die ältere Frau, die er fortan begleitet, deutlich besser mit ihm umgeht als die Dorfbewohner. Selbst als der gefangene Dämon in seinen Körper fährt ergeht es ihm bei ihr nicht schlechter, sodass sich ein zerbrechliches Vertrauen entwickelt.
Gleichzeitig bewirkt der schweigsame Dämon in seinem Inneren, dass er sich zwar auf der einen Seite irgendwie mächtig fühlt, kommt ihm die stumme Präsenz doch wie eine Stütze vor, auf der anderen Seite weiss er jedoch, was da in ihm ist und fürchtet sich davor.
Über die Tage und Wochen der Reise beginnt er mit Bahk zu kommunizieren und seine Angst wandelt sich schleichend in vorsichtige Ehrfurcht, es bleibt jedoch die Unsicherheit bestehen, den Dämon mit irgendeiner Handlung zu verärgern und sich seinem Zorn stellen zu müssen. Als ihm der Tod der ersten Person, die nicht verachtend auf ihn niederblickte, angekündigt wird verliert er sich in Verzweiflung, da er denkt sie zu warnen würde ihm selbst schaden. Er nutzt die Vorhersage Bahks aus und flieht, im Glauben, dass sie dann leben könnte, nur um später von Tanryo zu erfahren das sie trotzdem tot ist.
In dem Moment kapselt er sich ab und verweigert jegliche tiefergehenden Gespräche mit Menschen, um sich einer solchen Situation nicht noch einmal stellen zu müssen. Da ihn die beiden Götter nicht ohne weiteres in Ruhe lassen glaubt er, dass sich das gleiche früher oder später noch einmal ereignen wird.
Vor Tanryo fürchtet er sich anfangs unverhohlen und seine Nähe ist ihm deutlich unangenehmer als die Bahks, der noch immer in seinem Körper schlummert. Nach der langen Zeit hat er jedoch festgestellt dass Bahk ein sehr umgänglicher Gott ist, den nichts aus der Fassung bringen kann. Er gewinnt Vertrauen zu ihm und verlässt sich auf die Kraft des Gottes, sodass er deutlich selbstbewusster wird, wenn er mit Fremden zu tun hat.
Dadurch gelingt es Bahk, ihn dazu zu überreden Tanryo zu freiwillig zu folgen. Anfangs zwar noch immer voll Furcht und Misstrauen entdeckt er bald, dass auch der Windgott sehr bedacht ist und, obschon als Dämon verschrien, gut mit ihm umgeht. Tanryo spricht zwar ständig schlecht von den Menschen, akzeptiert den Protagonisten jedoch so wie er ist und hilft ihm sogar bereitwillig aus schwierigen Situationen.
Auf der Reise begegnet das Trio, das eigentlich ein Duo ist, vielen verschiedenen Dörfern und Siedlungen. Dadurch dass niemand den Protagonisten dort kennt wird er wie jeder andere Reisende auch gastfreundlich empfangen und er lernt das Gefühl kennen, nicht ausgestoßen zu werden, weil ihm das Zeichen eines Dämonen anhaftet. Er beginnt geradezu gierig nach Konversationen zu suchen, bis die drei an einem Tag, an dem Tanryo herausragend gute Laune hat, auf eine kleine Händlerkarawane treffen, die den Protagonisten aus seiner Heimat kennen.
Der altbekannte Spott und Hohn holen ihn ein, werden jedoch diesmal durch Drohungen verschärft. Die Situation droht zu eskalieren und Tanryo tut das laut seiner Aussage Unvermeidbare, indem er die Händler der Karawane tötet und dem verwirrten jungen Mann im Anschluss willkommenen Trost anbietet.
Ab hier folgt der Protagonist den Anweisungen des Windgottes vollkommen freiwillig und erhofft sich nicht mehr als die Rache an seinem Heimatdorf, wie ihm von seinem Begleiter versprochen wurde.

Der Rest soll dann eine Überraschung am Ende der Geschichte sein, über deren genaue Ausarbeitung ich noch nachdenke.

Jup, es findet eine Entwicklung statt - in diesem Falle nur psychisch, da ich mir bei dieser Geschichte noch nicht sicher bin wie lang der Handlungszeitraum ist. Bei länger andauernden Geschichten würde natürlich auch eine körperliche Entwicklung stattfinden, wobei ich hierbei männliche Charaktere deutlich leichter beschreiben könnte als Weiber.

Der dort oben beschriebene Charakter ändert seine Weltanschauung im Verlauf der Geschichte ziemlich rapide, was aber auch gut begründet ist. Er ist psychisch verwirrt, hat von Menschen nur Ablehnung erfahren und davon gehört, dass der mächtigste Gott aus seinem Heimatland zu einem Dämon wurde - und mit genau diesem Dämon plus einem weiteren reist er nun umher, um eine Aufgabe zu erfüllen. Die Einstellung wandert hin und wieder zu "Menschen sind doch nicht so schlecht", dann erhält er einen Rückschlag, findet Trost bei den beiden Dämonen und am Ende steht er vor der ekligen Entscheidung ob er tausende Menschen sterben lassen soll um den Dämonen zu helfen, oder ob er sich auf sein eigenes Menschsein besinnen und die Menschen verschonen soll. Wie er sich dann entscheidet weiss ich auch noch nicht, aber glücklicherweise bin ich von der Stelle der Planung auch noch weit entfernt.
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Beitrag von USS Nelame Mi 6 Okt 2010 - 9:01

Immer!!!

Eine tolle Frage, schöner Thread Carelly glücklich
Meine Charaktere ändern sich immer im Laufe einer Geschichte. Charakterentwicklung ist sicherlich eine meiner größten Stärken, denn ich werfe gerne alles über den Haufen. Ob meine Charaktere über sich hinaus wachsen, Dinge entdecken, die sie vorher verteufelt haben oder plötzlich neue Vorlieben und Hobbys entwickeln - alles kann sich ändern, nichts ist konstant, außer dem Geschlecht (wobei, auch das könnte sich ändern... aber das geht zu weit, finde ich). Am schönsten sind besonders moralische Dilemma oder ethische Fragen, die sich als grau erweisen und sich nicht klar beantworten lassen.

Hachja - ich liebe Charakterentwicklung ^^

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Beitrag von Carelly Mi 13 Okt 2010 - 21:58

Vielen Dank für die ausführlichen Antworten!

Überlegt ihr euch im Voraus, wie sehr sich der Charakter verändern soll? D. h. gibt es eine "zentrale" Entwicklung wie z.B. der Prota denkt nicht mehr nur an sich, sondern sorgt auch für andere, die die Veränderung aller anderen Charakterfacetten eher in den Hintergrund rücken lässt?
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Beitrag von USS Nelame Mi 13 Okt 2010 - 23:22

Das tue ich schon, aber meine Veränderungen sind lebensbedingt und entsprechen oft einem kompletten Umbruch. Dass heißt: Reicher Junge verliert im Laufe der Geschichte alles, muss sich mit der Armut zurechtfinden und erarbeitet sich selber etwas Neues. Oder religiöser Mensch verliert den Glauben und entdeckt dann einen anderen.

Ich bin da sehr komplex und umfangreich. Und so sind es auch meine Geschichten und Charaktere. Dabei gilt: Je mehr Facetten ein Charakter hat und je tiefer er ist, desto mehr Möglichkeiten bieten sie mir. Darum ist das Charaktersetting meiner Hauptcharaktere auch das allerwichtigste an einer Geschichte, meiner Meinung nach!

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Beitrag von Seido Do 14 Okt 2010 - 5:27

Ich plane nichts im Voraus, weder die Charakterentwicklung, noch die Welt der Handlung, noch den Handlungsverlauf. Alles was ich schreibe ist spontan und eines schließt sich aus dem anderen. So war beispielsweise beim Anfang meiner Planung zu der obigen Geschichte noch nicht sicher, dass die eine Stadt die anderen am liebsten ausradiert sehen würde, es ergab sich einfach, als ich über gewisse Gebiete nachdachte, darüber, wie die Menschen an diesem Ort ticken und und und... dementsprechend erfolgt auch die Charakterentwicklung spontan und entweder ich befinde es, nachdem ich es abgetippt habe, für gut - oder nicht, dann wird es wieder gelöscht.

So entstehen übrigens auch die schönsten "Fehler", wenn sich zwei solcher Spontaneinsätze vollkommen miteinander beißen.
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Beitrag von Carelly Do 14 Okt 2010 - 23:13

Dabei frage ich mich aber: Wenn ein Charakter sehr viele unterschiedliche Facetten hat, und wenn er sich in vielerlei Hinsicht verändert, wie viel von dieser Veränderung fällt dem Leser auf? Ich zum Beispiel achte in einem Roman nicht unbedingt auf allzu viele Details, während ich lese, aber größere Veränderungen nehme ich schon wahr. Wie geht es euch dabei?



EDIT: Im Leben hat man im günstigen Fall genug Zeit, um viele Facetten des sich im Laufe der Zeit verändernden Charakters eines einzelnen Menschen kennen zu lernen. Im Roman fällt die Charakterdarstellung verständlicherweise kürzer aus. Ich habe im Internet aufgeschnappt, dass Autoren im Fantasy-Bereich v. a. zwei besondere Eigenschaften eines Charakters hervorheben und immer wieder aufgreifen, weil die Leser sich die zwei, vielleicht auch drei Eigenschaften leichter einprägen können.
Konzentriert ihr euch ebenfalls eher auf zwei, drei knackige Eigenschaften? Oder eher nicht?


EDIT by USS Nelame: bitte keine Doppelposts, das irritiert und stört den Lesefluss. Danke
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Beitrag von Seido Di 23 Nov 2010 - 1:18

Ich konzentrier mich auf gar nichts, tihi. Wenn ich schreibe kommt das aufs Papier, was mir als nächstes in den Sinn kommt, so eben auch bei den Charakteren.

Und weil ich aus Versehen die vorige Frage ignoriert hab (Siebgedächtnis): mir fallen manchmal winzige Dinge bei den Entscheidungen und Gedanken von anderen Charakteren auf (beispielsweise eine Situation, in der der Prota einen kurzen Gedanken an die Kirche verschwendet, dass er noch nie darüber nachgedacht hätte und sie ihm egal ist, und ein paar Kapitel später ein ebenso kurzer Gedanke, dass der Kirche nicht zu trauen sei). Das ist aber launenbedingt und hängt auch davon ab, wie sehr mir der Schreibstil des Autors gefällt.

Lieben Gruß,
das System
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Beitrag von Myri Di 23 Nov 2010 - 3:37

Ich lasse meine Charaktere sich auch sehr frei entwickeln, da ich die Erfahrung gemacht habe, dass das früher oder später ohnehin von allein passiert. Mag vielleicht nicht den Methoden des "professionellen Schreibens" entsprechen, aber bei mir bringt das die besten Ergebnisse. Wenn ich mir von vornherein eine Handvoll wesentlicher Eigenschaften überlege und die dann ständig beim Schreiben bedenken muss, dann werden die Charaktere flacher, als wenn ich es aus dem Bauch heraus mache - schließlich sind sie dann zwanghaft auf die wenigen Eigenschaften beschränkt und, ich denke, jeder hat so ziemlich alle charakterlichen "Seiten" ins ich drin, es kommt nur auf die Mischung an. Dabei ist die Dosierung mitunter so fein, dass ich mir leichter tue, wenn ich mich situationsbedingt hineinfühle und versuche, den Charakter der entsprechenden Person während dem Schreiben "anzunehmen" - ohne aber zwanghaft beim Schreiben daran zu denken, wie er sein soll/muss.

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Beitrag von absinthefreund Di 23 Nov 2010 - 6:10

Carelly schrieb:Dabei frage ich mich aber: Wenn ein Charakter sehr viele unterschiedliche Facetten hat, und wenn er sich in vielerlei Hinsicht verändert, wie viel von dieser Veränderung fällt dem Leser auf? Ich zum Beispiel achte in einem Roman nicht unbedingt auf allzu viele Details, während ich lese, aber größere Veränderungen nehme ich schon wahr. Wie geht es euch dabei?
Man glaubt kaum, wie viel Arbeit in einem Charakter steckt, wovon im tatsächlichen Roman nur die Spitze des Eisbergs zu sehen ist. Ich selbst fülle Seiten von Charakterinfos, einfach weil ich mich sonst zu unsicher fühle mit meinen Persönchen. Einen gut entwickelten Charakter macht aus, dass dir alle Einzelheiten nicht gleich ins Auge stechen, sie aber zum gesamten Bild beitragen und sich in seinen Veränderungen niederschlagen. Generell sind es ja auch nur große Veränderungen, denen sich ein Charakter unterzieht. Die "unsichtbaren" Veränderungen, die das mit sich zieht, sind unvermeidlich und werden meist hingenommen, weil der Leser sie erwartet, ohne bewusst darüber nachzudenken.
Außerdem heißt ein vielschichtiger Charakter nicht gleich, dass er proportional viele Veränderungen durchmachen muss. Wie schon gesagt: Es gibt eine Hauptentwicklung, die automatisch - wenn der Autor einigermaßen gut ist - ihre kleinen Veränderungen mit sich zieht, die sich mehr oder weniger auf das Umfeld des Charakters auswirken.
Veränderungen/Weiterentwicklungen in Romanen haben primär symbolischen Wert, Coming-of-age, Bildungsroman, blablabla, deshalb sind sie meist plötzlicher und einschlägiger als im echten Leben. Im Roman muss es ja weitergehen. (Ich habe hier vornehmlich Fantasyliteratur vor Augen. Bei "hoher Literatur" allerdings sind die Veränderungen meist von eher subtiler Art und der Leser muss genauer hinschauen.)


Carelly schrieb:EDIT: Im Leben hat man im günstigen Fall genug Zeit, um viele Facetten des sich im Laufe der Zeit verändernden Charakters eines einzelnen Menschen kennen zu lernen. Im Roman fällt die Charakterdarstellung verständlicherweise kürzer aus. Ich habe im Internet aufgeschnappt, dass Autoren im Fantasy-Bereich v. a. zwei besondere Eigenschaften eines Charakters hervorheben und immer wieder aufgreifen, weil die Leser sich die zwei, vielleicht auch drei Eigenschaften leichter einprägen können.
Konzentriert ihr euch ebenfalls eher auf zwei, drei knackige Eigenschaften? Oder eher nicht?
Was für eine schwammige, um nicht zu sagen dämliche Behauptung.
Was kennzeichnen die als "Eigenschaft"? Charakterzüge wie freundlich, hilfsbereit, sozial oder cholerisch, misstrauisch, hinterhältig? Das glaube ich kaum, davon kann man sich eine Menge merken. Ohne dass sie wörtlich genannt werden, sondern indem der Charakter handelt. Ist doch klar.
Äußerliche Merkmale werden es auch nicht sein. Wichtige Fakten der Vergangenheit? Das würde man nicht als Eigenschaft verkaufen... Also vielleicht Motive, Ideologie, Zukunftspläne?
Für mich sind das alles Dinge, die ständig den Charakter umgeben, also auch ständig den Leser, wenn er ihm begegnet. Warum sollte der sich dann nur drei Eigenschaften merken können? Verstehe ich da was falsch?
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Beitrag von USS Nelame Di 23 Nov 2010 - 10:39

absinthefreund schrieb:Man glaubt kaum, wie viel Arbeit in einem Charakter steckt, wovon im tatsächlichen Roman nur die Spitze des Eisbergs zu sehen ist. Ich selbst fülle Seiten von Charakterinfos, einfach weil ich mich sonst zu unsicher fühle mit meinen Persönchen. Einen gut entwickelten Charakter macht aus, dass dir alle Einzelheiten nicht gleich ins Auge stechen, sie aber zum gesamten Bild beitragen und sich in seinen Veränderungen niederschlagen. Generell sind es ja auch nur große Veränderungen, denen sich ein Charakter unterzieht. Die "unsichtbaren" Veränderungen, die das mit sich zieht, sind unvermeidlich und werden meist hingenommen, weil der Leser sie erwartet, ohne bewusst darüber nachzudenken.
Außerdem heißt ein vielschichtiger Charakter nicht gleich, dass er proportional viele Veränderungen durchmachen muss. Wie schon gesagt: Es gibt eine Hauptentwicklung, die automatisch - wenn der Autor einigermaßen gut ist - ihre kleinen Veränderungen mit sich zieht, die sich mehr oder weniger auf das Umfeld des Charakters auswirken.
Veränderungen/Weiterentwicklungen in Romanen haben primär symbolischen Wert, Coming-of-age, Bildungsroman, blablabla, deshalb sind sie meist plötzlicher und einschlägiger als im echten Leben. Im Roman muss es ja weitergehen. (Ich habe hier vornehmlich Fantasyliteratur vor Augen. Bei "hoher Literatur" allerdings sind die Veränderungen meist von eher subtiler Art und der Leser muss genauer hinschauen.)
Verdammt, wieso wollte denn dann keiner der Verlage meinen Roman haben? Oder schreibe ich für Fantasy doch zu kompliziert? Oder ist die Entwicklung meiner Charaktere zu subtil, sodass man es gar nicht merkt? verdächtig

Wie dem auch sei, ich stimme dir in all deinen Punkten zu, weil ich das als qualitativ hochwertig empfinde und dahinter auch sehr viel Einfühlungsvermögen in den Charakter selbst steckt. Wer sich Gedanken über seine Charaktere macht, dessen Roman oder Geschichte wird gleich deutlich besser. Ein Grund, weshalb ich mich zum Beispiel an Kurzgeschichten sehr schwer tue. Es ist (mir) fast unmöglich, in eine Kurzgeschichte von weniger als 2000 Wörtern einen Charakter zu packen, der auch nur ein paar unterschiedliche Facetten hat. Aber für mich wird es gerade erst dann interessant, wenn der Charakter vielschichtig ist. Reißt mich schon der Charakter nicht mit, tut es die Geschichte erst recht nicht - egal, ob als Autor oder als Leser.


Carelly schrieb:EDIT: Im Leben hat man im günstigen Fall genug Zeit, um viele Facetten des sich im Laufe der Zeit verändernden Charakters eines einzelnen Menschen kennen zu lernen. Im Roman fällt die Charakterdarstellung verständlicherweise kürzer aus. Ich habe im Internet aufgeschnappt, dass Autoren im Fantasy-Bereich v. a. zwei besondere Eigenschaften eines Charakters hervorheben und immer wieder aufgreifen, weil die Leser sich die zwei, vielleicht auch drei Eigenschaften leichter einprägen können.
Konzentriert ihr euch ebenfalls eher auf zwei, drei knackige Eigenschaften? Oder eher nicht?
Was für eine schwammige, um nicht zu sagen dämliche Behauptung.
Was kennzeichnen die als "Eigenschaft"? Charakterzüge wie freundlich, hilfsbereit, sozial oder cholerisch, misstrauisch, hinterhältig? Das glaube ich kaum, davon kann man sich eine Menge merken. Ohne dass sie wörtlich genannt werden, sondern indem der Charakter handelt. Ist doch klar.
Äußerliche Merkmale werden es auch nicht sein. Wichtige Fakten der Vergangenheit? Das würde man nicht als Eigenschaft verkaufen... Also vielleicht Motive, Ideologie, Zukunftspläne?
Für mich sind das alles Dinge, die ständig den Charakter umgeben, also auch ständig den Leser, wenn er ihm begegnet. Warum sollte der sich dann nur drei Eigenschaften merken können? Verstehe ich da was falsch?
Im Internet gehen diese selbsternannten Fantasy-Autoren doch davon aus, dass ihr Publikum so dämlich ist, wie sie selber. Ich wette, wenn ich eine Geschichte von denen lesen würde, würden deren Charaktere gerade einmal das Attribut "grau" erreichen und wären damit ungenügend strukturiert. Aber das ist eben auch das Problem, wenn sie alle beim Herr der Ringe klauen müssen und gleich wieder eine Gefolgschaft von fünf oder mehr Personen aufbauen. Je größer die Stammbesetzung, desto schwächer das Charakterdesign. Harry Potter löst das zu Beispiel sehr clever dadurch, dass es Harry als Hauptprotagonisten gibt und noch seine beiden Freunde. Dadurch bleibt der genaue Fokus bei ihnen und man lernt jeden ausreichend kennen. Der Herr der Ringe löst das Problem dadurch, dass die Protagonisten alle zerstreut werden und sich dann getrennt von einander entfalten müssen.
Ich kenne von beiden nur die Filme. Aber diese finde ich großartig. Und wenn die Filme schon gut sind, dann behaupte ich, sind es die Bücher umso mehr.

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Beitrag von Carelly Fr 26 Nov 2010 - 1:29

Bevor weiter auf der Klugheit und Dämlichkeit herum geritten wird, will ich klar stellen, dass ich damit nicht unterstellen will (und es auch beim Lesen der Beiträge jener Autoren nicht so verstanden habe), dass die Leser nicht klug genug sind, sich jede Einzelheit zu merken, sondern dass es mal in einem Forum, wo hauptsächlich professionelle Autoren angemeldet sind, darum ging, wie intensiv die Darstellung eines Charakters in einem Fantasy-Roman ausfällt. Manche waren eben der Ansicht, dass man sich im Fantasybereich v.a. auf die Fantasiewelt mit all ihren Gesetzen, auf die politischen Hintergründe und dann eben auf bestimmte Eigenschaften, Charakterzüge und Handlungsweisen konzentriert, die besonders typisch für einen Charakter sind.

Für mich selbst sind die Figuren natürlich am wichtigsten, weil sie die Handlung bestimmen.
Deshalb lese ich die Ansichten hier voller Interesse, besonders, was die Charakterentwicklung angeht.
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