Vampire-Das RPG IV

Die erste Frage ignorierte Aglef einfach. Sie war nur ein Ablenkungsmanöver um der Jüngeren Zeit zu geben sich wieder zu sammeln. Es machte ihm allerdings spaß Jess dabei zuzusehen, wie sie krampfhaft versuchte so zu tun, als wäre nichts passiert. Wie niedlich sie doch waren, wenn sie selbst noch versuchten so zu tun, als wäre der Gegenüber einfach nur ein weiterer Bekannter. Die Frage, die sich Aglef stellte war, wie Casey darüber dachte und ob er sich genauso blind stellte. Da sich diese Frage nicht beantworten ließ, solange sein Bruder noch in dem verletzungsindizierten Koma lag, schob er es auf einen späteren Zeitpunkt auf und antwortete auf Jess' zweite Frage mit einem zustimmenden Schulterzucken. Wobei er vielleicht ein wenig belustigt zu Casey sah. Schließlich würde der nirgendwo hinrennen und mit ziemlicher sicherheit konnte auch nichts weiter passieren, dass die Situation noch schlimmer machte. Aber gut, wenn sie meinte er bräuchte einen Aufpasser würde Aglef sich eine Weile in seiner Nähe aufhalten. Wie um den Entschluss für sie kenntlich zu machen, hob er Casey vom Stuhl, brachte ihn in sein Schlafzimmer und ließ ihn dort ohne viel Federlesen auf das Bett fallen.

Damion hatte das erste Klingeln schon gehört, aber es ging ihm in dem Moment am Allterwertesten vorbei. Es war nicht sein essen und er war mit wichtigerem beschäftigt. Leider schien Jupiter es doch auch irgendwie gehört zu haben. Etwas unsanft unterbrach sie seine Küsse und gab sich alle Mühe ihn auf abstand zu halten. Er ließ sich leicht weg schieben und seufzte leise, als es noch einmal klingelte und damit alle Hoffnungen verschwanden, dass er sie wieder ablenken konnte. Ihren Hunger konnte er förmlich hören, so laut grummelte ihr Magen. Wirklich böse über die Unterbrechung konnte er am Ende dann aber doch nicht sein, sie strahlte ihn so fröhlich an und setzte eine so schmeichelnde Miene auf, dass er am Ende lachend aufstand. "Ihr Menschen und euer Essen. Irgendwann werde ich einen dieser Schokoladenriegel holen und dir damit kleine Kunststückchen beibringen", neckte er sie, während er sein Geldbeutel aus seiner Hose zog. Mit einem letzten neckenden Blick verwand er dann zur Eingangstür, nackt wie er war. Dass der Lieferbote schon einiges mitgemacht hatte, versaute ihm dann am Ende den ganzen Spaß. Der Junge sah an Damion herunter, zuckte aber mit keiner Wimper. Jedenfalls sah er weder peinlich berührt noch verlegen drein. Dafür konnte Damion ganz deutlich hören, wie ihm erst ein Herzschlag aussetzte und dann in einem eindeutigen Tempo weiterschlug. Es dauerte einen Moment zu lange, ehe der Junge wieder hoch sah. Auf dem Weg zur Tür hatte Damion überlegt den Boten mit hinein zu beten auf einen kleinen Snack. Den Gedanken ließ er jetzt sehr schnell wieder fallen. Der Junge würde mit hinein kommen, dafür würde Damion sich nicht mal sonderlich anstrengen müssen, aber dessen Erwartungen zu erfüllen, lag gewiss nicht in Damions Sinn. Vielleicht ließ sich Jupiter heute ja davon überzeugen als kleine Zwischenmahlzeit zu fungieren. Geld und Essen waren schnell ausgetauscht und ein wenig pikiert schloss Damion die Tür. Hatte er Kerl es sich doch nicht verkneifen können noch einen schnellen sehnlichen Blick nach unten zu werfen, ehe die Tür sich schloss. Ehe er Jupiters Schlafzimmer wieder betrat, hatte er das Gefühl aber auch schon wieder abgeschüttelt und konnte sie ganz freizügig angrinsen. "So. Und was genau wirst du jetzt tun, damit ich dir hiervon etwas abgebe?", fragte er und hielt die Tüte mit den Steropor-Packungen in die Höhe.

Das hatte sie jetzt war nicht unbedingt gemeint, aber wenn Aglef seinen Bruder unbedingt wieder ins Bett schaffen wollte, warum nicht? Wahrscheinlich war Casey dort ohnehin besser aufgehoben. Gerade wenn er noch so müde und erschöpft war. Jess hatte den beiden nachgesehen, ihr Glas geleert und es anschließend in die Spüle gestellt. Ihr Handy holte sie aus dem Bad, dass sie neben den Schlüssel gelegt hatte und ging mit diesem wieder in die Küche.
Jess wählte Charles Nummer und wartete angespannt darauf, dass er abnahm. Hoffentlich war ihm nicht auch gestern etwas zugestoßen. Zum Glück musste sie nicht lange warten, bis sich der Jüngere meldet. „Charles, was bin ich froh, dich zu hören. Geht es dir gut?“
„Sicher. Wieso? Ist etwas vorgefallen? Geht es dir gut?“, fragte Charles alarmierend am anderen Ende. „Ja, mir geht es gut. Aber…ja, es ist etwas vorgefallen, nur hat es nicht mich getroffen…Sondern Casey. Er wird wieder. Dem Himmel sei dank“, fügte sie hinzu und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Oh, Jess. Da tut mir leid. Wenn ich etwas für ihn tun kann, dann soll er oder du ruhig Bescheid sagen, in Ordnung?“
„Tatsächlich rufe ich an, um dich zu fragen, ob du mir einen kleinen Gefallen tun könntest. Ich bräuchte dringend ein paar frische Sachen zum Anziehen. Könntest du bei meinem Zimmer vorbeigehen und welche holen? Und sie mir anschließend vorbeibringen. Ich bin bei Casey“
„Sicher, natürlich, ich mache mich gleich auf dem Weg!“

Freudig war Jupiter aufgestanden und hatte sich, während Damion an der Tür mit dem Lieferservice beschäftigt war, sich zumindest ihre Unterwäsche angezogen. Als der Ältere dann wieder hereinkam, sah sie ihn freudig an, was allerdings nicht allzu lange anhielt. „Moment, was!? Wie unersättlich kann man eigentlich sein!? Du solltest dringend an deiner Libido arbeiten! Ich brauche erst einmal was zu essen, ehe ich irgendetwas anderes machen kann“, antwortete sie und streckte fordernd ihre Hand nach dem Essen aus. „Ich kann dir im Gegenzug ein, zwei Blutbeutel anbieten. Jess hat die hier mal geparkt, die müssten noch irgendwo im Kühlschrank liegen – ich habe sie auf jeden Fall nicht angerührt“, fuhr sie fort und nickte in Richtung der Küche. „Reicht das fürs erste als Gegenleistung?“

Aglef war schon wieder dabei das Schlafzimmer zu verlassen, da drehte er sich in der Tür wieder um und sah zu seinem Bruder zurück. Der lag, wie er gefallen war auf der Matratze. Seufzend kehrte Aglef zurück, schob einen Arm und ein Bein auf das Bett, dann zog er noch die Bettdecke über ihn und verließ dann endlich das Zimmer. So würde Jess sich hinterher jedenfalls nicht beschweren können er wäre nicht pfleglich mit Casey umgegangen. Gerade als Jess ihr Telefon wieder in die Tasche steckte, trat er zurück in die Küche und grinste sie frech an, frei nach dem Motto: Arbeit erledigt, was stellen wir jetzt an?

Obwohl Damion weiter getriezt hatte, war Jupiter hart geblieben und hatte darauf bestanden erst etwas zu essen. So kam es, dass er jetzt neben ihr in der kleinen Küche saß und ihr dabei zusah, wie sie das ziemlich matschige Zeug in sich rein stopfte. Irgendwie war er ganz froh von Blut zu leben, das war nicht so eklig. Er hatte sich nicht eine der Konserven warm gemacht. Zum einen hatte er noch gar nicht wirklich Hunger und dann hoffte er auch noch auf Jupiter. "Weißt du, du müsstest nicht von dem komischen Zeug leben. Überhaupt müsstest du gar nicht leben und älter werden. Ehrlich, was findest du daran? So ist es doch viel angenehmer", sagte er und zeigte beim letzten Satz an sich hinab.

„Du weißt schon, dass dir der Schalk förmlich auf der Stirn geschrieben steht“, raunte Jess und tippte sich dabei gegen die eigene Stirn, ehe sie mit einem Lächeln den Kopf leicht schüttelte. So viel zu ‚Hab ein Auge auf deinen Bruder‘. Hat ihn vermutlich einfach ins Bett geworfen und das wars, dachte sie. Männer. „Ich kann dir einen Edding geben und du bemalst Caseys Gesicht?“, bot sie grinsend an, schüttelte aber daraufhin gleich den Kopf. „Ich hoffe, du hast es nicht ernsthaft in Betracht gezogen! Es ist schließlich nicht sonderlich ehrenhaft, jemanden anzumalen, der sich nicht wehren kann. Spaßig vielleicht, aber nicht ehrenhaft“
Eine halbe Stunde später stand Charles vor der Tür und klingelte. Aglef machte sich bereits auf den Weg und öffnete dem Jüngeren die Tür. Dieser kam die Stufen hoch und sah überrascht auf.
„Casey! Ich dachte, du wärst…Jess meinte… Egal. Es ist schön zu sehen, dass es dir gut geht“, raunte er mit einem freundlichen Lächeln und kam auf ihn zu. Da tauchte auch schon Jess hinter Aglef auf. „Charles! Danke, dass du so schnell kommen konntest“, raunte sie, schob sich an dem kleineren Vampir vorbei und versperrte Charles somit den Weg in die Wohnung hinein.
Diese zog kurz verwirrt die Brauen hoch, nicht nur weil sie sich zwischen sie beiden stellte, sondern auch, weil sie nur mit einem Handtuch bekleidet war. Er zog es jedoch vor, nichts diesbezüglich zu sagen. „Keine Ursache. Ich hoffe, das, was ich rausgesucht habe, ist in Ordnung“, sagte der Jüngere stattdessen und reichte ihr eine Tasche. „Bestimmt!“, sagte sie und versuchte sich dabei so breit wie möglich zu machen, was jedoch nicht verhindern konnte, dass Charles trotzdem noch einmal einen Blick auf den kleineren Vampir werfen konnte. Irgendwie… irgendwie sah er anders aus.

Ihre Pasta waren göttlich. Jupiter stöhnte begeistert mehr als einmal auf und genoss das gute Essen. Sie liebte italienische Küche, die Gewürze, Pasta generell. Und sie freute sich schon so auf den Nachtisch, den sie sicherheitshalber bereits in den Kühlschrank getan hatte. Kauend und blinzelnd sah sie auf, strich sich eine ihrer roten Strähnen hinters Ohr und sah Damion verständnislos an.
„Du hast doch eine Meise“, raunte sie, noch mit vollem Mund, kaute und schluckte erst danach.
„Komisches Zeug!? Das Zeug ist wie ein Orgasmus im Mund! Es schmeckt fantastisch! Und außerdem warum sollte ich Vielfalt gegen eine kümmerliche, widerliche Speise eintauschen? Es gab Jahre, da war ich froh, überhaupt etwas zu Essen zu haben und jetzt, da ich endlich Geld habe und mir ein bisschen was leisten kann, soll ich es aufgeben, alles essen und genießen zu können?“ Sie lachte und schob sich den nächsten Bissen in den Mund.
„Ich habe übrigens nichts dagegen, älter zu werden. Es ist…es gehört dazu“, fuhr sie nach ein paar Sekunden fort und zuckte mit den Schultern. „Es ist nur natürlich. Du kannst mich ja in zwei, drei Jahren nochmal fragen. Vielleicht sehe ich es dann anders.“

Verwirrung stiften wurde ein neues Hobby. Der Blick in den Augen den (noch) Jüngeren Vampirs war Gold wert. Ehe er den armen Kerl noch weiter in die Verwirrung stürzen konnte, schob Jess sich allerdings zwischen ihn und den Ankömmling. Ein wenig missgestimmt sah Aglef den Rücken der Vampirin an und überlegte ob es die Mühe Wert war ihr das heimzuzahlen. Es war offensichtlich, dass sie den jüngeren nicht in die Wohnung lassen wollte, andererseits vertraute sie ihm genug um ihm die Adresse zu Caseys Wohung zu geben. Aglef war dagegen nicht bereit den Jungen ziehen zu lassen ohne zu wissen wer er war. Kurzerhand packte er Jess' Handtuch und zog kräftig daran, sodass sie gezwungen war es fest zu halten, wenn sie nicht komplett ohne dastehen wollte. Im selben Moment schob er sie leicht zur Seite und winkte den Jungen in die Wohnung.

Angewidert verzog Damion die Nase. Sie konnte ihm viel erzählen aber nicht, dass das Zeug gut schmeckte. Es roch schon nicht richtig. "Blut ist nicht kümmerlich. Du hast es noch nie probiert. Wie süß es schmecken kann. Wenn du jemanden wirklich kennen willst, dann musst du schon von ihm kosten", widersprach er und ließ seine Finger von hinten über ihre Schultern wandern. Sanft strich er ihr über die Halsschlagader, während er sich vorlehnte und ins Ohr raunte: "Die Gefühle, die man schmeckt. Der Rausch. Das ist ein Erlebnis, dass du nicht verpassen willst."

Mehr instinktiv griff Jess nach ihrem Handtuch und hielt es fest, was mehr mit ihren Reflexen zu tun hatte, als damit, dass sie vermeiden wollte, blank zu ziehen. Der Augenblick reichte jedoch für den kleinen Satansbraten aus, um sie leicht beiseite zu schieben und Charles nonverbal aufzufordern, einzutreten. Dieser Rotzbengel! Sie warf ihm einen finsteren Blick zu, der mit einer stummen Drohung einherging. Charles gab sich derweil Mühe, sich seine Verwunderung nicht ansehen zu lassen. Was war denn mit den beiden los? Sie waren gestern Abend schon irgendwie merkwürdig gewesen.
„Ich…Ich will nicht stören“, sagte Charles, dem nicht entging, welchen Blick Jess dem kleineren Vampir zuwarf. „Nein. Schon in Ordnung. Komm ruhig rein“, seufzte seine Erschafferin und trat dieses Mal freiwillig beiseite.
„O…kay“ Charles wurde nicht wirklich schlau aus den beiden und trat vermutlich deswegen etwas zögerlich ein. „Danke“, wandte er sich an Casey, oder besser gesagt an den, den er für Casey hielt und nickte ihm zu, als er eintrat.
„Ja, Casey ist wirklich ein Schatz“, warf Jess von hinten trocken ein. „Casey, zeig Charles doch die Küche. Da haben wir es uns bis eben gemütlich gemacht und nett miteinander geredet“

Nun war es Jupiter die angewidert die Nase verzog und der ein kalter Schauer den Rücken hinunterlief. Mit einem Satz rutschte sie beiseite und schüttelte sich angeekelt. „Stopp, hör auf, ich will nichts mehr davon hören, während esse! Das ist widerlich!“, sagte sie und rümpfte die Nase, ehe sie sich den nächsten Bissen zu Gemüte führte. Kauend sah sie Damion finster an und fuhr sich mit der Hand an ihren Hals, dort, wo seine Finger eben noch gewesen waren. Und dort, wo Jess sie gebissen hatte.
„Lass es mich so sagen, du hast dieses Essen nicht probiert und ich habe bisher kein Blut probiert. Selbst wenn du es probieren würdest, würde es dir nicht wie mir schmecken und das gleiche gilt für mich, wenn ich Blut probieren sollte. Und ehrlich gesagt, ich will es auch nicht. Ich finde, wir sind damit quitt. Und jetzt hör auf, mir mein Essen madig zu machen. Dir kommt es schließlich auch zugute, wenn ich bei Kräften und satt bin“

Interessant war es doch, dass Jess abgeneigt schien dem jungen Vampir, Charles, zu sagen, wie die Sachen lagen. Lieber fing sie ein Spiel an, das sie nicht lange aufrecht erhalten konnte. Eher früher als später würde Charles auffallen, dass er, Aglef, kein Ton von sich gab, wenn ihn nicht schon vorher etwas verriet. Die Frage war jetzt allerdings, weswegen sie nichts sagte. Vertraute sie Charles nicht oder machte sie sich nur übertrieben Sorgen um Casey? Aglef wusste es nicht zu sagen, ignorierte ihren mörderischen Blick aber mit einem fröhlichen Lächeln und winkte Charles nickend in die Küche. Er holte ein weiteres Glas aus dem Schrank, welches er zu den anderen auf den Tisch stellte und warf dann einen weiteren Blutbeutel in die Mikrowelle. Anstelle sich an den Tisch zu setzen, schwang er sich dann aber auf die Spühle, neben die Mikrowelle und ließ die Beine vor und zurück schwingen, als würde er das jeden Tag so machen. Vorerst spielte er Jess Spiel mit, auch weil er selbst nicht einschätzen konnte, wer Charles wirklich war, daher verkniff er sich jegliches starren oder grinsen und sah nur freundlich und einladend auf die anderen beiden.

Aufgebend warf Damion die Hände in die Luft und seufzte tief getroffen. "Es hat ja auch niemand behauptet, dass du gleich selbst welches trinken musst. Einen Schritt nach dem anderen oder wie heißt das?", sagte er und grinste vielsagend. Allerdings hatte er schon wieder etwas abstand zwischen sich und Jupiter gebracht. Dass ihr das Thema unangenehm war, hatte sogar er mitbekommen und sie zu verscheuchen (oder rausgeschmissen werden) war nicht das Ziel, dass er verfolgte.

Irgendetwas war komisch mit Casey, dachte Charles. Er verhielt sich anders als sonst. Und auch Jesaiah benahm sich seltsam in seiner Nähe. Er war allerdings viel zu höflich, um auch nur einen von den beiden darauf anzusprechen. Stattdessen ging er mit einem Lächeln in die Küche und nahm dort auf einem der Stühle am Tisch Platz, während sich der vermeintliche Casey auf die Spüle schwang. Räuspernd trat Jess zu ihnen und kümmerte sich um den Blutbeutel, als er fertig war. Sie schenkte Charles ein Glas ein und reichte es ihm, ehe sie auch Aglef eines füllte und reichte.
„Entschuldige sein Schweigen, aber seine Stimmbänder sind wohl noch am heilen. Ihn hats gestern ziemlich erwischt, aber zum Glück ist vieles bereits gut verheilt“, erklärte Jess, die sich mit einem matten Lächeln wieder an Charles wandte. Dieser nickte verständnisvoll, nachdem er einen Schluck aus seinem Glas genommen hatte. „Ich verstehe. Ich hoffe, das gibt sich bald wieder“, sagte er freundlich an Aglef gewandt.

Jupiter entspannte sich ein wenig, nachdem Damion wieder auf Abstand gegangen war. Es machte sie normalerweise nicht so nervös, wenn er in ihrer Nähe war. Immerhin war das in der letzten Zeit immer öfters vorgekommen. Aber jetzt gerade wurde ihr mal wieder klar, wie gefährlich diese Leute waren, diese Vampire. Da schmeckte ihr Essen leider auch nur noch halb so gut, wie vor ein paar Minuten noch. Seufzend stocherte sie mit ihrer Gabel im Essen herum und nahm dann eher lustlos einen weiteren Bissen. Irgendwann fing sie an, die Gabel zu drehen und schließlich legte sie das Besteck beiseite. „Ich glaube, ich brauche den Nachtisch“, raunte sie, packte die Pasta wieder ein und ging damit zum Kühlschrank. Sie tauschte die Pasta gegen den Nachtisch und kam mit diesem schließlich zurück zu Damion. „Wie genau ist das eigentlich- Wenn ihr etwas esst, was normales, also kein Blut… schmeckt es dann nach nichts? Oder lasch?“

Lässig nickte Aglef und ließ die Hacken in reinem regelmäßigen Abstand gegen die Türen des Spülschrankes treffen. Er schickte dabei Jess einen unschuldigen Blick. Ob sie wohl eine von den Personen war, denen Geräusche im stakkato Takt nervten? An Charles gerichtet hob er sein Glas ein wenig an und nippte dann daran. Jess clevere Ausrede erklärte zwar, weswegen er nichts sagte, machte eine weitere Unterhaltung aber auch nicht leichter. Aglef hatte keine wirkliche Möglichkeit mehr über Charles zu erfahren. Fragend sah er zu Jess und ließ seinen Blick schnell zu Charles wandern, als sie seinen Blick auffing. Vermutlich verstand sie ihn wieder nicht, aber irgendwas musste er ja versuchen. Er wollte Charles am Ende ungerne einsperren müssen, nur weil er nicht wusste ob es gut war ihn wieder gehen zu lassen.

Damion ließ sich wieder auf den Stuhl am Küchentisch fallen und fläzte sich darauf. Einen Arm ließ er über die Stuhllehne hängen, während er ein Bein über das andere Knie schlug. Nachdenklich sah er Jupiter dabei zu, wie sie ihre Nudeln gegen den Nachtisch austauschte. "Es ist nicht so sehr der Geschmack, sondern eher die Konsistenz, die eklig ist. Und dann das Problem wenn es erstmal drin ist. Dafür ist unser Organismus einfach nicht mehr ausgelegt. Wie ihr das Zeug wieder los werdet ist ja schon eklig. Auf unsere Weise kann ich sowas von verzichten", antwortete er und lächelte etwas freudlos. Für jeden Vampir gab es wohl eine Zeit, in der er oder sie versuchte Dinge aus seinen menschlichen Leben zu wiederholen, wie zum Beispiel das Zusichnehmen von Nahrung. Meistens blieb es bei dem einen Mal, aus guten Gründen.

Wenn er nur damit aufhören könnte, seine Hacken so gegen die Türen des Spülschranks zu hauen, dachte Jesaiah und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie das Geräusch nervte. Während sie so zu ihm hinüber sah, fing sie auch seinen Blick auf und ausnahmsweise verstand sie sogar, was er meinte. Nur wie sollte sie es ihm erklären, während Charles noch im Zimmer saß und dieser dadurch Verdacht schöpfte? Wahrscheinlich kam ihm Casey bzw Aglef ohnehin schon seltsam vor. „Ich denke, ich ziehe mir mal eben schnell etwas an. Du kannst sicherlich bestens darauf verzichten, dass deine Erschafferin blank zieht“, raunte sie und tätschelte Charles Schulter. Der ließ sein Glas sinken und räusperte sich. „Nun, bislang konntest du es ja immer vermeiden. Manche Traditionen sollte man vielleicht nicht brechen“
Jess lachte, nahm sich die Tasche, in der sich ihre Kleidung befand und ging damit ins Bad. Als sie hinaustrat, warf sie Aglef einen kurzen Blick zu. Damit müsste er seine Antwort ja haben – zumindest wusste er nun, wie Charles zu ihr stand.

Bedauernd sah Jupiter ihn an. Das war ja furchtbar! Und zwar so ziemlich alles davon! Nein, sie war froh, ein Mensch zu sein und verspürte in keinerweise das Verlangen, ein Vampir werden zu wollen. Aus ihrer Sicht hatte das nur Nachteile. Langsam löffelnd gab sich Jupiter ihrem Tiramisu hin, das fantastisch schmeckte. So gut, dass sie sogar wieder Appetit auf mehr hatte. Im Nu war sie also mit ihrem Nachtisch fertig und fragte sich, ob sie womöglich noch ein paar Bissen von ihrer Pasta schaffte. „Was ist eigentlich mit dir? Müsstest du nicht allmählich Hunger haben? Du kannst dir gerne einen der Blutbeutel nehmen und ihn warmmachen. Ich bezweifle, dass Jess deswegen sauer wird“

Soso. Sie hatte also zumindest einen Abkömmling. Und wie es aussah hatte sie ein tatsächlich rein platonische Beziehung zu ihm. Ungewöhnlich, das war ihm bisher selten begegnet und kannte er aus eigener Erfahrung auch nicht. Tatsächlich verwundert sah er Jess hinterher, als sie ging und vergaß ganz mit den Hacken gegen den Schrank zu trommeln. Das sagte ihm jetzt allerdings immer noch nicht, weswegen sie nicht wollte, dass Charles bescheid wusste. Prüfend sah er den so viel jüngeren an und dann ging ihm ein Licht auf. Sie wollte ihn schützen. Es ging ihr hier nicht so sehr um Casey, sondern um den Kleinen vor ihm. Das war ja irgendwie niedlich. Er rutschte von der Spüle runter und setzte sich zu Charles an den Tisch. Mit einer Hand zog er den Block zu sich, der irgendwann auf dem Küchentisch gelandet war, und versuchte mit möglichst klarer Schrift eine Nachricht aufzuschreiben: Zuvorkommend ist sie ja. Bemuttert sie dich immer so?

"Wir kommen zum Glück mit weniger aus als ihr", antwortete Damion mit einem leisen Lachen und schüttelte ablehnend den Kopf. "Konserven waren nie mein Ding. Ich bin für biologischen Anbau und artgerechte Haltung." Grinsend strich er sich die Haare aus der Stirn. So langsam waren sie trocken und rutschtem ihm in die Augen. Vermutlich hätte er sich darum kümmern sollen, aber da sie vermutlich eh gleich wieder im Bett verschwinden würden, sobald Jupiter endlich mit Essen fertig war, hielt er es doch für verlorene Liebesmühe sich um seine Frisur zu sorgen.

Jesaiah hoffte, dass der Ältere nichts anstellte, während sie im Bad war und ihr Handtuch gegen mehr Stoff tauschte. Als sie die Unterwäsche aus der Tasche holte, musste sie ein wenig lächeln. Der arme Charles war sicherlich nicht begeistert gewesen, ihr die Unterwäsche heraussuchen zu müssen – und dennoch hatte er mit seiner Wahl seinen guten Geschmack mal wieder bewiesen. Nur schade, dass sie vermutlich die einzige sein würde, die das wertschätzen konnte. Nachdenklich schloss sie ihren BH und war in Gedanken bei Casey.
Derweil nippte Charles an seinem Glas und sah neugierig dem älteren Vampir dabei zu, wie er etwas auf ein Blatt Papier schrieb. Als dieser kurz darauf ihm den Block hinüberschob, wanderten Charles Brauen kurz verwundert nach oben. Mit einem schiefen Lächeln nickte er knapp, nahm den Stift nun an sich und schrieb eine Antwort auf. „Zuvorkommend, fürsorglich, ja, das trifft es gut“, raunte er und schrieb gleichzeitig mit feinsäuberlicher, sehr gut lesbarer Schrift: ‚Wer bist du eigentlich?‘. Den Block schob er dem Älteren anschließend zu.

„Biologischer Anbau und artgerechte Haltung?“, wiederholte Jupiter und rümpfte wenig begeistert die Nase. „So siehst du das? Wir Menschen sind also nur sowas wie ‚Nutztiere‘ für dich? Wie Kühe?“, fragte sie mit scharfem Ton und sah Damion aus leicht zusammen gekniffenen Augen an.
„Nicht unbedingt Kühe, aber wohl etwas Vergleichbares, hm? Mit dem Unterschied, dass wir gelegentlich auch noch gut genug sind, um mit dir die Laken zu zerwühlen?“ Jupiter stand auf und brachte den leeren Plastikbehälter, in dem sich ihr Nachtisch befunden hatte, zum Müll, ehe sie sich zu Damion umwandte. „Das Essen war lecker. Danke. Und jetzt solltest du vielleicht gehen und jemand anderen belästigen“, sagte sie und nickte hinüber zur Tür.

Und da hatte Aglef schon überlegt, was für eine Person der Jüngere war. Scheinbar bekam er mehr mit, als Jess ihm zutraute, was ihn in Aglefs Augen interessanter machte. Grinsend tippte er sich an die Nase, sollte Charles doch raten. Um es interessanter zu gestalten schrieb er seinen Namen unter dessen Frage und sah ihn dann selbstgefällig an. Aglef bezweifelte, dass Charles viel mit dem Namen anfangen konnte. Wenn er allerdings wirklich nicht auf den Kopf gefallen war, könnte er sich den Rest selbst denken.

Verwundert sah Damion das Mädchen an und fragte sich, wo das Gespräch denn dahin abgeglitten war. "Was unterstellst du mir denn jetzt auf einmal? Mit Kühen würde ich definitiv anders umgehen, glaub mir", stellte er verwirrt klar und rührte sich nicht von der Stelle. Als ob er jetzt gehen würde! "Mit Nutztieren hat unser Verhältnis zu euch wirklich nichts zu tun. Bei einigen vielleicht, die sehen euch als Essen auf Beinen. Das du mir das aber unterstellst trifft mich tief. Hab ich dir irgendeinen Grund gegeben zu denken, dass ich dich alleine auf das Reduziere? Essen und Sex?", fragte er und sah wirklich gekränkt aus. Er war es auch, obwohl er selbst wusste, dass der Punkt mit dem Sex auf wackeligen Beinen stand.

Aglef. Das war ein Name? Es war das erste Mal, dass Charles ihn hörte. Besonders in Zusammenhang mit Casey – denn mit ihm musste er unweigerlich etwas zu tun haben, so ähnlich wie er ihm sah. Daher war es auch nicht sonderlich schwer, eine Vermutung aufzustellen.
‚Da die Menschheit mit dem Klonen noch nicht so weit ist, tippe ich auf einen Bruder von Casey. Zwilling, vielleicht? Ihr seht euch sehr ähnlich. Davon abgesehen, dass deine Haare länger sind.‘ Und Casey mit Jess anders umsprang. Aber den Teil behielt er lieber für sich.
‚Ich wusste nicht, dass Casey einen Bruder hat. Ich vermute, das wissen hier in London höchstens zwei, drei Leute, wenn überhaupt. Wahrscheinlich zieht Jess deswegen ihr Spielchen ab‘.

Jupiter verschränkte die Arme und warf Damion ein ‚Ist das wirklich dein Ernst?‘-Blick zu. „Oh. Sicher. Wie kann ich nur? Und überhaupt, was fällt mir ein, auf so einen unfassbar absurden Gedanken zu kommen? Könnte womöglich daran liegen, dass wir eigentlich immer nur Sex haben. Gestern Nacht bist du doch eigentlich auch nur deswegen gekommen, oder nicht?“, schnaubte Jupiter und zog sich nebenher ihre Jeans, mit den Löchern an den Knien sowie ihr graues Shirt an.
Gut, sie hatte nichts gegen den Sex gehabt – aber wer weiß? Wahrscheinlich brauchte es nicht viel und er ging einen Schritt weiter und benutzte sie als laufenden Blutbeutel!?
„Brauchst du noch eine Aufforderung!? Beweg deinen Hintern und verschwinde!“

Treffer, schrieb Aglef auf den Block und grinste dann nur noch. Weswegen Jess ihr Spiel abzog mochte er nicht spekulieren. Er wurde aber übel zugerichtet. Jemand in Verdacht? Die Sätze schrieb er notgedrungen in knappen Worten. Mit den Schriftzeichen war er einfach nicht so sonderlich vertraut und hatte sie in den letzten Jahren auch wenig genutzt. Ganz abgesehen davon, dass seine Rechtschreibung an der Sprache auch etwas scheiterte. Er wusste wie es lauten sollte und was es bedeutete, wie es geschrieben aussah war dagegen etwas ganz anderes. Bis jetzt hatten ihn die Leute so allerdings trotzdem verstanden.

Damion bewegte seinen Hintern, aber nicht zur Tür. Mit einem finsteren Gesichtsausdruck trieb er Jupiter vor sich her, bis sie mit dem Rücken zu Wand stand und baute sich dann so nahe vor ihr auf, dass es nur bedrohlich wirken konnte. Er war auch wirklich langsam angepisst von dem Benehmen der jungen Frau. "Vielleicht bin ich gestern Nacht wegen dem Sex gekommen. Und hatten wir welchen? Du fragst ehrlich, ob das der einzige Grund war, nachdem ich dich habe schlafen lassen? Deine Vergleiche hinken, Fräulein. Pass auf wem du ans Bein pisst, Jupiter. Ohne mich wärst du schon mindestens zwei Mal gestorben und das aus eigener Dummheit", stutzte er sie in knappen aber wütenden Worten zurecht. Mit einem letzten, abweisenden Blick trat er zurück und zog seine Sachen an. Er klaubte schon seine Jacke vom Boden, da drehte er sich noch einmal zu ihr um und sagte: "Besser ich lass dich dein Essen nächstes Mal selbst bezahlen. Am Ende wird mir noch vorgeworfen ich würde für deine Dienste im Bett bezahlen."

Charles Brauen wanderten nach oben, ehe er ein mitfühlendes, bedrücktes Gesicht machte. Dann hatte Jess also diesbezüglich nicht gelogen. Hoffentlich ging es ihm bald besser. Wahrscheinlich war er auch irgendwo hier in der Wohnung – und deswegen waren auch Aglef und Jesaiah hier.
Was die Frage anging, die Aglef ihm da mit wenigen Worten stellte, war etwas kniffliger. Natürlich wusste Charles von der These, dass Brida hinter dem ganzen Ärger stecken soll. Er selbst hatte sich dazu noch keine Meinung gebildet – er wusste einfach zu wenig davon. Sicherlich wird Jess ihre Gründe haben, warum sie ihn nicht weiter einweihte. Das einzige, dass er aber wusste war, dass sie diese These nicht sonderlich leiden mochte.
‚Nein, tut mir leid. Dafür müsstest du eher Jess oder Casey fragen. Ich bin mir sicher, dass sie eine Idee haben‘, schrieb Charles schließlich auf und schob den Block wieder Aglef hin.
Im gleichen Augenblick hörte man, wie die Badezimmertür wieder aufging und Jess sich wieder der Küche näherte.

Sie war sich sicher gewesen, jetzt hatte sie es verkackt. Jetzt würde er sie beißen und von ihr trinken. Und sie vielleicht umbringen. Jupiter wich immer weiter zurück, bis sie mit dem Rücken zur Tür stand, wobei ihr Herz heftig in ihrer Brust schlug. Es bedurfte einiger Anstrengung, sich nicht anmerken zu lassen, wie viel Schiss sie gerade hatte und stattdessen trotzig ihr Kinn zu heben und ihn anzusehen. „Was? Soll ich mich etwa bedanken, dass du mich gestern hast schlafen lassen?“, raunte sie und schnaubte, was allerdings nicht ganz so selbstsicher klang, wie sie erhofft hatte. Was das andere anging… Ja, da hatte er vielleicht Recht, aber sie würde einen Teufel tun und es zugeben!
„Und so einer bist du ja ganz bestimmt nicht“ Jupiter kniff die Augen leicht zusammen, ließ aber offen, ob sie das nun sarkastisch meinte, oder nicht. „Worauf wartest du eigentlich? Geh endlich!“

Schnaubend verzog Aglef das Gesicht, entließ den Jüngeren aber aus der Verpflichtung zu antworten. Im Grund genommen hatte er auch nicht angenommen, dass Charles ihm etwas sagen konnte. Er selbst hatte ja auch nur geflüsterte Gerüchte gehört, die aber nicht so ganz zu dem passten, was diese Jäger gestern von sich gegeben hatten. Allerdings war es ja auch immer ein Problem allzu viel Vertrauen in geflüsterte Worte zu setzen. Dieses Mal hatte es sich dann aber doch als richtig erwiesen ihnen nachzugehen. Sein Blick wurde kurz finster, als er daran dachte, was passiert wäre, wenn er nicht da gewesen wäre. Jess verlassen des Bades riss ihn aus dieser Überlegung und ehe Charles reagieren konnte, hatte er den Zettel schon vom Block gerissen und in seine Hosentasche verschwinden lassen. Vollkommen unschuldig blieb er auf dem Stuhl sitzen und lächelte Jess zu, als hätten er und Charles das Spielchen nicht schon beendet.

Es war dann doch schwieriger, als er gedacht hatte Jupiter nicht zu beißen. Nicht nur, weil sie es schaffte ihn wirklich wütend zu machen. Auch ihr schneller Pulsschlag half nicht, wo er doch quasi das Blut durch ihre Adern rauschen hören konnte. Und er hatte noch nichts gegessen. Seine Augen hatten vermutlich eine ziemlich helle Färbung angenommen, als er sich mit durchdringendem Blick wieder zu Jupiter umdrehte. Der letzte Spruch war es eigentlich Wert ihr zu zeigen, wie wütend er werden konnte. Scheiß auf all die Verbote und Regeln, die ihm immer auferlegt wurden. Für einen Moment stellte er sich vor, wie es wäre seine Zähne in ihre weiche Haut zu schlagen. Der Türgriff knirschte protestierend in seiner Hand, was vermutlich das einzige war, das Jupiter in dem Moment rettete. "Sei froh, dass ich besser bin als das", knurrte er und schlug die Tür so kräftig hinter sich zu, dass sie wieder aufsprang. Da war er aber schon weg.

Aglef war schneller als er und riss das Blatt auf dem Block ab, bevor Charles es tun konnte. Ein Wimperschlag später trat Jesaiah wieder in die Küche, dieses Mal in Jeans und dunkelgrünem Shirt, das über ihre eine Schulter gerutscht war und somit den Blick auf ihren BH-Träger freigab. Unterm Strich war es eine nicht unwesentliche Verbesserung zu ihrem Outfit, das noch vor wenigen Minuten getragen hatte – und das nur aus einem Handtuch bestanden hatte.
Jess Blick beim Eintreten in die Küche fiel zuerst auf Aglef, dann auf Charles und anschließend wieder zurück zu Aglef. Jetzt saßen die beiden auch schon an einem Tisch. Ob Charles wohl etwas gemerkt hatte? Im Grunde wusste sie ja, dass er ein schlauer Kerl war, aber sie hoffte inständig, dass er nichts bemerkte.
„Wie kam es eigentlich, dass du nichts mehr zum Anziehen hattest?“, fragte Charles und riss damit seine Erschafferin aus den Gedanken. „Sind nass geworden“, antwortete sie wahrheitsgemäß, wenn auch recht knapp. Charles war anständig genug, um nicht weiter nachzufragen und nickte nur.
„Nun, ich denke, ich mache mich dann auch schon wieder auf den Weg“ Räuspernd stand er auf und nickte Aglef zu. „Pass gut auf dich auf, Casey. Und lasst es mich wissen, wenn ich etwas für euch tun kann“, sagte Charles und wandte sich gegen Ende wieder Jess zu. Mit einem Lächeln drückte er sie leicht. Danach begleitete Jess ihn bis an die Tür, wo sie sich schließlich von ihm verabschiedete.
„Danke. Für alles. Ich melde mich bei dir und pass auf dich auf“, raunte sie und lächelte ihn dankbar an.

Jupiter zuckte zusammen, als Damion die Tür hinter sich zu pfefferte, die dann auch noch wieder aufsprang. Zügig machte sie einen Satz nach vorne, drückte die Tür ins Schloss und trat dann mit pochendem Herzen ein, zwei Schritte zurück, aus Angst, er könnte zurückkommen und die Tür aufreißen. Doch das passierte nicht. Ganz langsam trat sie Schritt für Schritt zurück und ging schließlich wieder in ihr Bett, wo sie sich hinlegte und ihre Decke über sich zog.
In was war sie da nur hineingeraten!? Was hatte sie sich nur dabei gedacht… Vielleicht sollte sie abhauen… England verlassen. Irgendwohin nach Europa. Oder noch weiter weg. Der Gedanke hatte etwas verlockendes… Doch sie konnte nicht weg von hier. Sie musste in London bleiben. Irgendwo hier wohnte ihr Sohn und sie hatte ihn noch nicht gefunden…

Als Jess zurück in die Küche kam, hatte Aglef sich des verdächtigen Zettels entledigt (ihn in den Mülleimer verfrachtet) und sich mit einem finsteren Blick zurück auf den Stuhl gesetzt. Die Arme hatte er fest vor der Brust verschränkt und sah vorwurfsvoll in ihre Richtung. Wenn sie ihn mit diesem Spielchen schon so überrascht hatte, dann konnte sie auch darum bangen ob er ihr wirklich böse war.

„Was!? Du brauchst mich gar nicht so anzuschauen!“, gab Jesaiah schnaubend zurück, als sie Aglef Blick bemerkte. Demonstrativ verschränkte sie ihre Arme vor der Brust, nachdem sie sich zu ihm an den Tisch gesetzt hatte, dorthin, wo eben noch Charles gesessen hatte. „Was denkst du dir dabei, ihn hinein zu bitten? Ich tu schon mein Bestes, ihn nicht mehr als nötig in die ganze Sache mithineinzuziehen!“, fuhr sie fort und sah den Älteren dabei verärgert an. Dann, plötzlich, ließ sie ihren Blick zusammen mit ihren Schultern sinken. „Und was passiert, wenn ich es nicht tue, siehst du an deinem Bruder… Ich hätte ihn damals nicht um Hilfe bitten dürfen“ Mit einem bitteren Zug um ihren Mund, fuhr sie sich mit einer Hand übers Gesicht und atmete tief ein.
Sie hätte es sich niemals verziehen, wäre Casey etwas noch Schlimmeres zugestoßen. Wenn er…
Schweren Herzen musste Jess daran denken, was für einen Eindruck er vorhin auf sie gemacht hatte. Im Bett und im Bad. Sie hoffte, es fiel nicht wieder in dieses Loch, in dem er schon damals in Italien gewesen war.

Aglef hätte gelacht, wenn Jess nicht so wütend gewesen wäre. Sie saßen sich mit verschränkten Armen gegenüber und immitierten sich quasi gegenseitig. Für Außenstehende mussten sie furchtbar komisch aussehen. Aber sie meinte es ernst, daher blieb er es auch. Spätestens als sie auf Casey zu sprechen kam, wäre ihm das Lachen eh vergangen. Wobei er nicht wütend auf Jess war. Was für ein Quatsch zu behaupten, dass sie Schuld an seiner Situation wäre. Casey war alt genug um sich nicht in Schwierigkeiten zu bringen, wenn er es nicht wollte. Daher schnaubte Aglef nur abschätzig und zog den Block wieder zu sich heran. Verdammt, dass er so langsam war im Schreiben!
Casey ist alt genug. Nicht deine Schuld, wenn er nicht aufpasst. Mischt sich nicht in Dinge ein, die ihn nicht interessieren. Besser du machst dir weniger Sorgen und wäscht ihm kräftig den Kopf.

Blinzelnd sah Jesaiah auf und las, was Aglef auf den Block geschrieben hatte. Seine Schrift war wirklich nicht gerade die sauberste und so langsam, wie er geschrieben hatte, fehlte ihm zudem die Übung. Dennoch konnte sie die Worte entziffern und lächelte matt darüber. Ja, Casey war alt genug, dass konnte sie nicht abstreiten. Und trotzdem… Sie hatte ihn in ihre Probleme mit hineingezogen.
„Was meinst du, warum ich mit ihm im Bad war? Natürlich, um ihm den Kopf zu waschen! Wo, wenn nicht dort!?“, gab Jess mit einem schiefen Lächeln zurück, ehe sie seufzend das blonde Haar zurückstrich. „So einfach ist das nicht. Mit dem Kopf waschen.... Aber ich gebe mein Bestes. Irgendwie… wird das schon. Außerdem bist du ja jetzt auch hier. Du kannst mir ruhig etwas zur Hand gehen und mir dabei helfen. Du weißt doch sicherlich besser als ich, was für ein sturer, alter Bock dein Bruder sein kann!“

Aufgebend warf Aglef die Hände kurz in die Luft und rollte mit den Augen. Wo käme die Welt nur hin, wenn es kleine Flachwitze mehr gäbe. Ihm den Kopf gewaschen, unter der Dusche, am Arsch! Darauf ließ er allerdings einen langen, aufgebenden Seufzer hören. Früher. Heute ist er anders, schrieb er und schüttelte leicht den Kopf. Er hatte keinen Casey gekannt, als er gefangen genommen wurde. Damals war er noch Adwin gewesen und die Jahrhunderte hatten gereicht um eine neue Person zu erschaffen. Casey. Auch einer der Gründe, weswegen Aglef am Ende reißaus genommen hatte. So froh er auch gewesen war endlich aus diesem Labor heraus zu kommen, so hatte ihm doch alles außerhalb unter die Nase gerieben wie lange er weggewesen war. Die Welt war eine vollkommen andere, fremde gewesen, nicht einmal sein Bruder hatte in ihr überdauert. Er war sich nicht sicher, ob er Casey helfen konnte oder ob der sich überhaupt helfen lassen wollte.

out: Sprung um zwei Tage

Die letzten Tage hatten sehr an Jesaiahs Nerven gezerrt, sodass sie gestern relativ früh eingeschlafen war. Es hatte einiges an Überredungskünste gebraucht, um Casey davon zu überzeugen, dass es vollkommen in Ordnung wäre, wenn er neben ihr im Bett schlafen würde. Wo sollte er auch sonst hin? Selbst wenn er und sein Bruder nicht sonderlich groß waren, sie mussten deswegen ja noch lange nicht beide auf dem Sofa übernachten. Und so lagen sie schließlich nebeneinander. Auch jetzt. Jess hatte sich in der Nacht im Schlaf an ihn geschmiegt. Ihren einen Arm hatte sie um ihn gelegt, ihre Hand flach an seinem Oberkörper. Zudem lag die Jüngere etwas versetzt, etwas tiefer, weswegen ihr Kopf auf der Höhe von Caseys war.
Ganz langsam wachte sie allmählich auf, machte aber keine Anstalten, sich auch nur im Geringsten zu bewegen, geschweige denn, von dem Älteren abzurücken. Dafür fühlte sie sich gerade viel zu wohl.

Jupiter starrte schon eine Weile auf ihr Display, hatte Damions Nummer aus- aber nicht angewählt. Sie überlegte zwar, ihn anzurufen, oder ihm zu schreiben, tat es aber dann doch nicht. Im Nachhinein hatte es ihr leid getan, ihn so angemacht zu haben. Nur leider wusste sie nicht, wie sie sich entschuldigen sollte. Ob es ihn überhaupt interessierte, oder ob er nicht noch immer viel zu sauer auf sie war. Seufzend steckte sie ihre Hände wieder in ihre Jackentasche, zusammen mit ihrem Handy. Es war ziemlich kalt draußen, so kalt, dass der Schnee liegen geblieben war und nun unter ihren Schuhen knirschte.
Das ‚Scarlet‘ hatte an den Feiertagen und zwischen den Jahren nicht auf, wodurch sie ihre Tage etwas freier gestalten konnte. Ganz unbewusst trottete sie durch die Straßen von London und steuerte dabei die Gegenden an, in denen sie sich früher immer aufgehalten hatte.

Als Casey die Augen geschlossen hatte, lag Jess in unverfänglichem Abstand zu ihm. Unwohl war ihm dabei schon gar nicht mehr gewesen. Schließlich war es die zweite Nacht und sie hatte darauf bestanden, dass er nicht das Bett verließ, nur weil sie darin schlief. Gut, sie hatten wirklich schon schlimmeres gemacht. Trotzdem war er nicht darauf vorbereitet aufzuwachen und sie so nah bei sich zu spüren. Seine Hand lag auf ihrem Arm, den sie um ihn gelget hatte. Wie sollte er sich da rausmanövieren, ohne sie aufzuwecken? Er haderte eine ganze Weile mit sich und fand immer mehr Ausreden, weswegen er nicht einfach noch fünf Minuten weiter so liegen bleiben konnte.