Vampire-Das RPG III

"Darf ich Sie beide dann bitten, mit mir im Wohnraum Platz zu nehmen?", fragte Matthew höflich und deutete auf eine der Türen, "es ist deutlich bequemer als hier im Gang zu stehen."
Er grinste leicht. "Außerdem würde ich dann nichtmehr als schlechter Gastgeber dastehen."

Liane nickte und ging Matthew hinterher. Sie konnte jedoch ein flaues Gefühl in der Magengegend nicht leugnen und sie musste sich förmlich zwingen, nicht zurück zu sehen oder gar aus dem Haus zu stürmen. Sie fühlte sich eingeengt und Erinnerungen krochen langsam wieder aus ihrem Gedächtnis empor, die sie jedoch ärgerlich verdrängte. Sie brauchte ihre ganze Konzentration, wenn sie sich mit den beiden Vampiren unterhalten würde. Sie waren beide schon sehr alt und vor allem Matthew schien gerissen. Doch auch bei Jael wurde sie das Gefühl nicht los, dass er mehr war, als er zeigte.

Amanda hatte sich mit ihrer Tasse wieder ins Bett gekuschelt und trank es mit kleinen Zügen leer. Blut WAR besser, wenn es kalt war. Und sie hatte eine sehr gute Konserve erwischt. Sie stellte sich vor, dass es von einem jungen Sportstudenten kam. Oder Arzt. Irgendwas gesundes, knackiges.

"Wow...", staunte Thomas andächtig. "400 Jahre... das ist... viel. Ich kann mir nicht vorstellen, so lange zu leben."
Er schüttelte schnell den Kopf und sah Javen entschuldigend an.
"Tut mir leid, das ist mir so rausgerutscht!"
Er lachte etwas nervös.

Auch Jael betrat den Raum, auch wenn er nicht ganz genau wusste in wie fern er bei einem Gespräch helfen könnte. Er warf einen kurzen Blick auf Liane, sie sah ein wenig angespannt aus. Nun ja, vielleicht sollte er auch einfach nur dabei blieben, damit sie sich nicht zu unsicher fühlte.

"Ach, wenn sie nicht dabei ist...", lachte Javen leise. "Ich selbst weiß auch nicht alles über sie, doch es schien mir immer so, als würde sie gar nicht so lange gelebt haben. Eher, als habe sie einige Jahrzehnte... übersprungen...", splötzlich sah er entschuldigend auf. "Oh, Verzeihung. Ich rede zu viel. Sicher interessiert sie das alles gar nicht..."

"Also gut", sagte Matthew, der mittlerweile auf dem hellen Ledersofa Platz genommen hatte und nun die Hände faltete, "gibt es irgendeine Möglichkeit, Ihnen den Aufenthalt hier angenehm zu gestalten? Es ist ja fast nicht zu ertragen, wie sehr Sie sich verspannen."
Er wandte sich mit fragendem Gesichtsausdruck an Jael, der ebenfalls angespannt wirkte.

Jael hätte beinahme mit den Schultern gezuckt, bis ihm einfiel, dass es Matthew war, der nichts sehen konnte und nicht Liane. Schlimm, dass er Matthew schon eine ganze Weile kannte und er das trotzdem immer wieder vergaß, gerade in solchen Situationen.
Mit einem beruhigendem Lächeln sah er Liane an.

"Doch!", sagte Thomas schnell, der tatsächlich mehr als gespannt war. Immerhin betraf ihn das alles in gewisser Weise und die anderen Vampire sprachen nicht so viel darüber, wie es war so lange zu leben. Oder überhaupt. "Es interessiert mich sehr. Ich bin noch nicht lange ein Vampir, müssen Sie wissen. Ich äh... tja... eigentlich dachte ich bis vor einiger Zeit noch, dass wir uns in Fledermäuse verwandeln können. Und ich weiß gerade nicht, warum ich Ihnen das erzähle!"
Er lachte nervös und fühlte sich wie der letzte Trottel, aber irgendwie schien er plötzlich zu merken, was Amanda und vielleicht sogar Liane so an diesem Menschen faszinierte. Er wusste bescheid und war vorsichtig, aber gleichzeitig nicht ängstlich. Es war leicht in seiner Nähe zu sein und sich an das eigene Leben zu erinnern.

Liane zwang sich zu einem Lächeln. "Das Einzige, das wir momentan benötigen würden, wäre eine Bleibe für den Tag. Doch ich habe in der Stadt eine Suite gemietet.", sie legte die Hand ans Kinn und dachte nach. "Hm." Das wird teuer., dachte sie und unterdrückte ein seufzen, bei dem Gedanken, dass Javen wieder arbeiten gehen musste. Sie selbst durfte ja nicht, da sie zu jung aussah. Obwohl... wenn sie kellnern gehen würde?

Javen lachte leise. "Fledermäuse... Das ist gut, wirklich.", gluckste er vergnügt.
"Aber, duzen Sie mich ruhig.", sagte er kurz darauf. "Einfach nur Javen, sonst fühle ich mich so alt.", grinste er.

"Darf ich Ihnen eventuell eine Unterkunft hier in diesem Haus anbieten?", bot Matthew unverzüglich an, ganz so, wie es das gute Benehmen verlangt. Doch er fand die Vampirdame ausserdem durchaus sympathisch, obwohl sie etwas undurchsichtig wirkte.
"Wir haben hier einige Zimmer, die wir Ihnen anbieten können. Sollten Sie jedoch eine Wohnung suchen, muss ich sie an meine persönliche Assistentin Maryam verweisen. Es gibt einige Immobilien hier in Los Angeles, die vampirfreundlich sind."

Leicht wiegte sie ihren Kopf hin und her. "Ich würde ihr Angebot ja gerne annehmen,", begann Liane langsam, "doch ich glaube, ihr... Clan... hätte ein paar Probleme mit meiner Begleitung." Sie lächelte entschuldigend. "Allerdings, wenn sie wirklich eine günstige Wohnung in ruhiger Wohngegend hätten, würde ich mich freuen, mir diese näher anzusehen."
Ich muss unbedingt Javen finden., dachte sie angestrengt. Wenn er anderen in die Hände fällt... Lieber nicht. Ich habe keine große Lust, wieder jagen zu gehen. Allerdings... Ich kann ihn auch nicht ewig bei mir halten...
Sie unterbrach ihre Gedanken, ärgerlich, dass sie dabei war, die Konzentration zu verlieren.

Jael versteifte sich unwillkürlich, als Liane auf ihren Begleiter zu sprechen kam. Im selbern Augenblick versuchte er sich wieder zu entspannen und sich nichts anmerken zu lassen. Matthew entging nur selten etwas, aber vielleicht hielt ihn die Höflichkeit ja davon ab tiefer in der Sache zu bohren. Auch um Javens Willen.

Matthews rechte Augenbraue wanderte im Zeitlupentempo nach oben und seine Lippen bewegten sich kaum merklich.
"Ihr Begleiter?", fragte er schließlich mit demselben höflichen Lächeln, wobei es nun eine Spur nüchterner wirkte, "darf ich fragen, inwiefern wir an Ihrem Begleiter Anstoß finden könnten?"

Jael verzog den Mund, sagte aber kein Ton. Das war die böse Frage gewesen. Die haarige Frage. Ob Liane wusste auf wie brüchigem Eis sie sich befand? Zum einen war sie ziemlich gewitzt, auf der anderen Seite war sie aber auch ziemlich naiv. Und sie hatte offensichtlich nichts gegen menschliche Begleiter.

Lianes Grinsen glich eher einem Zähnefletschen, ihr Wesen hatte sich von jetzt auf gleich gewandelt. Sie spürte, dass der andere etwas ahnte.
"Sie würden ihn umbringen, schätze ich.", gab sie in beißend höflichem Tonfall zurück. "Frisches Blut ist wesentlich verlockender, als dieses... Tütenblut, habe ich nicht Recht?"
Sie wollte nicht unhöflich sein und auch nicht aufsässig. Doch wenn es darum ging, dass jemand ihr Eigentum anging - und sei es auch nur eine ansatzhafte Vermutung - konnte sie ihr Temperament kaum zurückhalten. Javen gehörte ihr, ihr allein. Und sie würde ihn nicht teilen, nicht einmal mit einem so alten, einflussreichen und charmanten Vampir wie Matthew. Dennoch versuchte sie, höflich zu bleiben.

Matthews Lächeln fror komplett ein und innerhalb von Sekunden verhärtete sich seine Miene. "Sie halten sich einen Blutsklaven?", fragte er und seine Stimme war eiskalt, "wie viel weiß er über uns?!"
Alle Höflichkeit war verschwunden, jetzt war nur noch das Superior-Oberhaupt Matthew Murdoch übrig.

"Über sie? Nichts. Aber über mich weiß er viel.", sagte sie schnippisch. "Und nein, ich halte ihn nicht als Blutsklaven. Dieser Ausdruck ist so..", sie verzog das Gesicht. "Er ist mein Begleiter, nicht mehr und nicht weniger."

Jetzt war Jael zum Zerreißen gespannt. Er hatte keine Chance gegen die beiden, das war ihm schon klar, aber er könnte doch wenigstens versuchen ein Blutbad zu verhindern. Ein wenig hatte er das Gefühl, dass Liane und Matthew auf einer subtilen Ebene an einander vorbei redeten, aber er konnte selber nicht genau sagen wie. Selbst wenn er es gekonnt hätte, er würde einen Teufel tun sich in ihr Gespräch einzumischen, nachher wäre er der Auslöser dafür, dass sie sich tatsächlich an die Gurgel gingen.

"Trinken Sie von ihm oder nicht?", erwiderte Matthew nüchtern, "wenn Sie von ihm trinken, ist er Ihr Blutsklave. So simpel ist es."
Er legte die linke Hand auf die Lehne des Sofas und strich kaum merklich mit den Fingerkuppen über das weiche Leder.
"Ich rate Ihnen drigend davon ab, sich mit menschlichen Begleitern abzugeben!", sagte er schließlich, wobei er alle verbliebene Höflichkeit zusammenkratzte, "es liegt in der menschlichen Natur, jene zu verraten, die ihnen vertrauen. Wenn Sie also innerhalb der nächsten, sagen wir 50 jahren, irgendwann verraten und verkauft werden wollen, dann sollten Sie an ihrem Begleiter festhalten."
Er verschränkte die Arme vor der Brust. "Wenn Sie hingegen dafür sorgen wollen, dass unsere Existenz das bleibt, was sie bis jetzt war, ein wohlbehütetes Geheimnis, sollten Sie ihren Begleiter entweder töten oder verwandeln."

Jungchen, du hast mir gar nichts zu befehlen., schoss es ihr trotzig durch den Kopf, doch sie riss sich zusammen und wurde wieder höflicher, beinahe versöhnlich.
"Wenn Sie gestatten, er begleitet mich seit 5 Jahren. Ich weiß, wie es ist, zu früh verwandelt zu werden, doch seien Sie versichert: Wenn die Zeit reif ist, wird er selbst kommen und bitten, einer der unsrigen zu werden.", sagte sie dann beherrscht und vorsichtig. "Wenn Sie wünschen, können Sie ihn gern einmal kennen lernen."

"Ich verzichte!", erwiderte Matthew kalt, "und ich bitte sie höflich, aber bestimmt, mein Haus zu verlassen. Mag sein, dass Sie nichts über uns ausplaudern würde, aber ihrem "Begleiter" traue ich deswegen noch lange nicht über den Weg. Ich habe genug Zeit unter Menschen verbracht um zu wissen, dass nicht wir die Raubtiere auf dieser Welt sind. Wir sind die Hyänen, die Aasfresser, die das verzehren, was die Menschen voneinander übrig lassen!"
Er fuhr sich mit der Zunge über den linken Eckzahn.

Jael saß wie auf glühenden Kohlen. Einerseits konnte er Matthew gut verstehen, andererseits konnte er sich auch wunderbar vorstellen, dass Liane das nicht unbedingt verstand. Sie war anders "aufgewachsen".
Es irritierte ihn ungemein, dass er absolut nichts tun konnte um die Situation zu entspannen.

So langsam verlor sie die Geduld. "Ihr seid doch alle gleich!", zischte sie schließlich und sprang auf. "Alle miteinander! Keiner von euch ach-so-tollen Vampirtypen kann sich auf etwas neues, fremdes einlassen. Verbort, seid ihr. Ach, mir solls egal sein!" Mit den letzten Worten rauschte sie aus dem Zimmer, schneller als ein Auge gucken konnte. Schon nach wenigen Augenblicken stand sie draußen vor dem Eisentor und kletterte darüber.
Sie war sauer.

Matthew wirkte nach aussehin vollkommen ruhig und legte die linke Hand wieder auf die Sofalehne. "Sie ist wirklich interessant", sagte er schließlich, wobei seine Stimme äusserst kühl klang, "allerdings hoffe ich für sie, dass sie nicht vorhat, länger in L.A. zu verweilen. Nicht alle Clanchefs sind so...höflich wie ich wenn es um Blutsklaven geht. Die würden ihn töten und sie gefesselt in die Wüste bringen."

Leise vor sich hinfluchend sprang sie auf die Straße und lief einfach geradeaus. Immer das Selbe mit ihnen. Schon damals war sie betrogen worden, schon damals hatte einer von ihnen sie eingesperrt, weil er sie nicht verstand. Warum ließ sich keiner von ihnen auf etwas ein, dass er nicht kannte? Warum waren sie alle so stur? War Javen wirklich der Einzige, der anders dachte? Und was war mit Jael? Dachte er anders? Sie musste es herausfinden. Aber wie?
"Erst einmal Javen suchen.", beschloss sie leise für sich und schnupperte.