Mutant High-Das RPG XXII

Soraya, die gerade dabei gewesen war, das Band von Alexeis Schlafhose auszuknoten, hielt inne, ihr Blick war fest auf Alexeis Gesicht geheftet. Seine Worten hatten einen Schwarm Schmetterlinge losgelassen, die nun in ihrem Bauch umherschwirrten und ein warmes, kribbliges Gefühl verursachten. "Ich liebe dich auch Alexei", erwiderte sie schließlich mit einem sanften Lächeln und legte ihre Hand an seine Wange, "so sehr." Sie wusste, wie schwer es ihm fiel, über Gefühle zu reden, deswegen berührte sie seine Liebeserklärung umso mehr.

Gabriel wollte lächeln, doch mehr als ein schwaches Zucken seiner Mundwinkel brachte er nicht zustande. Sein Blick wanderte von Steve erneut zu Notion hinüber, während das stete Piepsen, welches Notions Herzrhythmus widerspiegelte, zu einem seltsamen Hintergrundrauschen wurde. Fast wie automatisch trugen ihn seine Füße näher an der Bett heran, bis er schließlich neben ihr stand. "Hey Notion", flüsterte er kaum hörbar und zögerte kurz, ehe er seine Hand ausstreckte. Als seine Finger ihren Handrücken streiften, zuckte er kurz zurück. Ihre Haut war so kühl...
"Notion, tu mir einen Gefallen, ja?", fuhr er leise fort und umfasste nach kurzem Zögern sanft die Finger ihrer linken Hand, "werd wieder gesund. Du musst mir nicht vergeben, bitte wach einfach nur auf..."

Ein erleichtertes Lächeln glitt über Alexeis Gesicht. Es war wesentlich leichter darüber nachzudenken, nachdem man es erstmal ausgesprochen hatte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Soraya etwas anderes sagen würde, trotzdem machte es ihn wahnsinnig glücklich, dass sie es sagte. Damit waren seine Talente im Worte für Gefühle finden aber auch schon wieder erschöpft. Stattdessen verlegte er sich wieder auf Handlungen, da war er einfach besser drin. Er küsste sie voller Leidenschaft, während seine Hände langsam unter ihr Nachtzeug wanderten.

Steve war zu Agnes rüber gegangen um Gabriel etwas Privatssphäre zu gönnen, so weit das in dem Zimmer denn möglich war. Trotzdem hörte er den letzten Teil, Agnes auch und die sah daraufhin fragend zu Steve hoch. Was vergeben?, fragte ihr Blick so deutlich, dass sie wirklich nichts sagen musste. Steve zuckte genauso ratlos mit den Schultern. Edith war in den letzten Monaten nicht sonderlich mitteilsam gewesen und das sie Knartsch mit Gabriel hatte, hatte sie mit keinem Wort erwähnt. Sie hätten doch drauf bestehen sollen, dass sie nach dem Tod von Jared Zuhause blieb. Dann wäre das vielleicht auch nicht passiert.

Raven starrte die Tür an und hoffte, dass Flynn heraus kommen würde. Sie musste das einfach mit ihm klären. Er ist von den ganz falschen Dingen ausgegangen und hatte das ganze missverstanden! Ja, sie und Liam-Dan, hatten sich umarmt, aber mehr nicht! Das hieß nicht, dass sie jetzt ihn wollte, wirklich nicht! Seufzend ließ Raven ihren Kopf sinken, schloss ihre Augen und atmete dann tief ein.
Verstohlen schaute sie kurz auf ihre Uhr und beschloss anschließend für sich, noch fünf Minuten zu warten, dann würde sie anklopfen.

Eine Krankenschwester hatte Erbarmen mit Colin gehabt und hatte ihn geweckt. Daraufhin war er sich erst einmal einen Kaffee holen, mit dem in der Hand bemerkte er noch, wie sich hinter Gabriel die Tür schloss. Er war drin, bei Notions Onkel und Tante. Und ihr. Angespannt stand er auf dem Gang und starrte die Tür an, ehe er sich umwandte und in einen anderen Gang ging.
Zaghaft nippte er an seinem Kaffee, der seiner Meinung nach, nach nichts schmeckte. Es hätte genau so gut Säure oder Lebertran sein können.
Colin war sich nicht sicher, ob er da in das Zimmer hinein wollte. Wie sollte er in die Augen von Notions Familie blicken können, mit dem Wissen, dass das nur seinetwegen passiert war?

OUT: Ich lass Soraya mal weg.


Flynn wusste nicht wirklich, was ihn da ritt, aber irgendwie hatte er es geschafft, das Bett zu verlassen und das Zimmer zu durchqueren. "Was willst du?", fragte er tonlos, nachdem er die Klinke hinunter gedrückt und die Tür einen spaltbreit geöffnet hatte, "dich entschuldigen? Dich rechtfertigen? Du musst beides nicht, ich versteh schon." Durch das spärliche Licht, das vom Flur in sein Zimmer fiel wirkten die Ringe unter seinen Augen noch dunkler und hoben sich so noch stärker von seiner teigig-blassen Gesichtsfarbe ab. Mit ziemlicher Sicherheit hatte er sich gestern irgendwas eingefangen, als er stundenlang unter dem Baum gesessen hatte...

Gabriel schenkte der bewusstlosen Notion ein schwaches Lächeln, ehe er sich vorbeugte und einen Kuss auf ihren kühlen Handrücken hauchte. Die Schmerzen in seinem Rücken ignorierte er, das kam vom Schlafen auf diesen grässlichen Plastikstühlen. Eigentlich wollte er hier bleiben, einfach neben ihrem Bett verharren und warten, bis sie wieder aufwachte, aber er wusste, dass er Agnes und Steve das nicht zumuten konnte. Jedoch dauerte es einen Moment, ehe er Notions Hand loslassen und sich zu den beiden umdrehen konnte. "Soll...soll ich euch vielleicht etwas zu trinken holen?", fragte er leise und sah die beiden müde an, "ich glaube, unten ist irgendwo ein Getränkeautomat."

„Flynn“ Raven stand eilig auf, als sie ihn durch den Türspalt entdeckte. Es tat ihr unheimlich weh, ihn so zu sehen, ganz offensichtlich ziemlich fertig, ähnlich wie sie. Vermutlich sogar noch schlimmer. Sie biss sich auf die Innenseite ihrer Backe und knetete nervös ihre Hände, während sie ihn ansah und knapp den Kopf schüttelte.
„Nein. Nichts von beidem. Ich wollte...- Warum? Warum glaubst du, dass ich mit ihm zusammen sein möchte?“, fragte sie und sah ihn verständnislos an. „Denn das möchte ich gar nicht! Das wollte ich auch gestern nicht. Ich liebe dich, Flynn... Und das ändert sich auch nicht durch Dan“

Es war laut. Als würde sie mitten auf einem Platz stehen, umringt von Menschen, die sich rufend miteinander verständigten. Ein Mal hatte sie das Gefühl jemand schrie ihr direkt ins Ohr, nur konnte sie trotzdem keine Worte hören. Als wäre sie Taub. Oder unter Wasser. Unter Wasser passte gut, stellte sie fest. Sie fühlte sich träge, als würden Tonnen auf ihr lasten. Es wäre so einfach wieder in die Stille runter zu gleiten und nicht denken zu müssen, aber irgendwas trieb sie unbarmherzig zur Oberfläche. Sie musste aufwachen, sie wusste nur nicht mehr wieso.
"Nein, musst du nicht," hörte sie eine tiefe Stimme und wunderte sich, was sie nicht musste. Oder wer, immerhin war es schwer über das ganze gemurmel hinweg überhaupt zu bemerken, dass etwas gesagt worden war.
"Hast du überhaupt geschlafen? Du solltest schlafen gehen. Und etwas Essen. Es bringt nichts, wenn du auch noch umkippst", unterbrach eine zweite, hellere Stimme besorgt ihre Gedanken. Verwirrt öffnete sie die Augen und musste sie gleich wieder schließen. Es war hell, sehr hell. Blinzelnd sah sie sich um. Aber der Raum war klein und leer. Nicht voller Menschen, wie sie erwartet hatte. Es waren nur drei andere da. Noch bevor sie den Gedanken ganz zu Ende hatte denken können bekam sie schon tierische Angst. Wenn nur drei da waren, woher kamen dann die anderen Stimmen. Und, wer waren die drei?

Flynn fühlte sich, als würde ihm jemand ein Messer durchs Herz treiben, während Raven sprach. Instinktiv griff er sich an die linke Seite des Brustkorbs und sank leicht in sich zusammen. "Raven...", wisperte er kaum hörbar und schluckte mehrmals, doch der Kloß in seinem Hals wollte nicht verschwinden, "es....als ich euch sah da war das....ich hatte eine Vision." Er fuhr sich fahrig mit der freien Hand durch das Haar, drehte sich dann um und suchte mit fahrigem Blick nach seinem Zeichenblock. Nach kurzem Suchen fand er ihn und hielt in Raven hin. "Verstehst du?", fragte er mit klopfendem Herzen, während er ihr die Zeichnung hinhielt, auf der sie und Dan sich küssten.

Gabriel versteifte sich und blieb einen Moment regungslos stehen. Plötzlich hatte sich ein seltsames Gefühl in ihm ausbereitet. Jedoch nicht in seinem Körper, vielmehr....in seinem Kopf. Als ob irgendwas darin...herumgeisterte. "Notion?", flüsterte er heiser und drehte sich dann um, "Notion!" Mit zwei Schritten war er erneut neben ihr, griff nach ihrer Hand und drückte sie sanft. "Oh mein Gott!", rief er aus und spürte, wie ihm warme Tränen über die Wangen liefen, "Steve, Agnes! Sie wacht auf!"
Eine Stimme in seinem Kopf erinnerte Gabriel daran, dass Notion das AGG nicht trug, woraufhin er ihre Hand schnell losließ und sich damit begnügte, sie sanft anzulächeln. "Hey Schlafmütze", begrüßte er sie leise, "wie geht es dir?"

„Ou...“, machte Raven, die erstaunt die Skizze besah, die natürlich erklärte, oder zumindest ein Grund war, warum Flynn gestern so reagiert hatte. Er war schließlich nicht im Raum gewesen, es hätte also sonst was vor der Umarmung gewesen sein könnte. Sowas, wie da auf dem Blatt dargestellt wurde. „Ich verstehe“, sagte sie dann, klappte das Skizzenbuch zu und reichte es ihm zurück. „Aber das ist nie passiert. Und das wird es auch nicht“, sagte sie und sah ihn mit festem Blick an. Eher schlecht, als recht, brachte sie ein knappes Lächeln zustande, in dem sie ihre Mundwinkel mühsam nach oben zog. „Ich wollte dir das gestern schon erklären...“

Plötzlich herrschte heilloses Chaos im Zimmer und sie wusste einfach nicht wieso. Es verwirrte sie einfach viel zu sehr, wieso mehr Stimmen da waren, als Leute, die Sprachen. Verwirrt sah sie den Jungen an, dann die beiden erwachsenen, die stürmisch neben dem Bett ankamen und anfingen ihr über die Haare zu streichen. "Edith! Wie geht es dir?", fragten sie besorgt und dann sah die ganze Runde sie fragen und halbwegs weinend an. "Wo bin ich?", fragte sie schwach.

Flynn massierte mit Daumen und Zeigefinger seine Nasenwurzel, während er verzweifelt nach den richtigen Worten suchte. Er fand sie nicht. "Als ich euch gesehen habe war das....ich weiß nicht, es war als hätte sich mein Albtraum gerade vor meinen Augen realisiert...", stöhnte er und sah Raven mit einer Blick an, der zugleich Verletzlichkeit und Schuldbewusstsein widerspiegelte, "ich konnte es einfach nicht ertragen. Ich musste raus, sonst hätte ich etwas getan, was ich vielleicht noch bereut hätte..." Zum Beispiel Dan verprügelt...

"Du bist im Krankenhaus", erklärte Gabriel, dem nicht entgangen war, dass das Piepen des Herzmonitors schneller geworden war. Also bemühte er sich um ein möglichst beruhigendes, sanftes Lächeln, da er Notion nicht berühren wollte. Wahrscheinlich fiel es ihr schon so schwer genug, ihre innere Mauer hochzuhalten und es reichte, wenn ihre Tante und ihr Onkel sie beruhigten. "Du hattest einen Unfall", fuhr er fort, als Notions ratloser Blick nicht verschwand, "...erinnerst du dich nicht?"

Einen Moment versuchte sie sich zu erinnern, sie hatte das Gefühl, dass sie es sollte, aber da war nichts. Überhaupt nichts. Und wieder überkam sie Panik, da musste doch etwas sein. Sonst hätte der Junge doch nicht gefragt, ob sie sich erinnern konnte. WIeso war es nur so laut, wenn niemand da war, wie sollte sie sich denn da Konzentrieren? Der Herzmonitor Piepste hektisch vor sich hin. Agnes warf einen besorgten Blick auf die steigenden Zahlen. "Edith", mahnte sie sie ihre Nichte sanft und als die nicht reagierte, legte sie ihr die Hand gegen die Wange. "Edith, ganz ruhig."
Sie zuckte zusammen und sah die Frau dann verwundert an. Sie meinte sie. Edith, das war ein Name. Sie wusste nicht einmal mehr ihren Namen? Aber bevor sie noch weiter darüber nachdenken und Angst kriegen konnte, viel ihr etwas ganz anderes auf. Sie hörte eine Stimme jetzt sehr klar in ihrem Kopf und sie passte zu der Frau. Aber die sagte nichts. "Ich kann dich hören. Aber du sagst nichts", sagte sie zittrig, obwohl etwas ihr sagte, dass Stimmen im Kopf zu hören ganz und gar nicht normal war.

Gabriel spürte, wie sich sein Herz schmerzhaft zusammenzog, während sich zeitgleich eine eisige Kälte in seinen Eingeweiden ausbreitete. "Sie kann sich nicht erinnern", flüsterte er und schüttelte ungläubig den Kopf, "sie erinnert sich nicht." Seine Schultern sackten kraftlos nach unten und wäre das schnelle Piepen des Herzmonitors nicht so laut, man hätte hören können wie etwas in Gabriel zerbrach und die Scherben auf dem Boden zersplitterten.
Er wusste, dass die Kopfverletzungen hatte, doch konnte es wirklich sein, dass sie sich an gar nichts erinnerte? "Notion?", sagte er und bemühte sich, so ruhig wie möglich zu klingen, "erkennst du irgend jemanden von uns wieder?"

Sie musste ruhig bleiben, ganz ruhig, wenn sie panisch wurde, dann würde sie sich an ger nichts erinnern können. Wenn sie sich beruhigt klärte sich das ganze bestimmt auf. Ganz sicher. An diesen Gedanken klammernd, atmete sie tief durch und sah sich die drei nochmal genauer an. Da war etwas, wie die Erinnerung an einen Traum. Aber wie ein Wort, dass einem auf der Zunge lag, bekam sie den Gedanken einfach nicht zu fassen. Je mehr sie es versuchte, desto weiter schien er weg zu rücken und plötzlich war das Gefühl verschwunden, als hätte sie es sich die ganze Zeit nur eingebildet. Sie kannte diese Leute nicht, aber auch wenn sie sie nicht mit so hoffnungsvollem Blick angesehen hätten, hätte sie gewusst, dass sie sie enttäuschen würde, wenn sie es aussprach. "Nein", brachte sie erstickt heraus, während heiße Tränen ihre Wangen hinab rollten. Sie fühlte sich plötzlich so alleine und das obwohl so viele Stimmen durcheinander murmelten.
Während Steve besorgt die Stirn in Falten legte, verschlug es Agnes schier den Atem. Sie hatte sich über so vieles Sorgen gemacht, aber damit hatte sie nicht gerechnet. Das war fast schlimmer als alle Horrorszenarien, die sie sich hatte ausmalen können. "Shhh", beruhigte sie ihre Nichte deswegen mit Verzögerung und wischte ihr mit dem Daumen die Tränen von den Wangen. "Nicht weinen. Das wird schon wieder. Keine Angst." Und in Gedanken fügte sie ein inbrünstiges: "Hoffentlich!", hinzu.

Während Steve und Agnes näher zu Notion hinrückten, trat Gabriel vom Bett zurück. Notion erinnerte sich nicht an ihn, sie hatte ihn vergessen, seinen Namen, sein Gesicht, die Zeit, die sie miteinander verbracht hatten. Er wusste, dass es nicht ihre Schuld war, aber trotzdem verletzte es ihn. Er war verletzt, doch eine leise Stimme in seinem Kopf fragte sich, ob es nicht vielleicht besser war, dass Notion ihn vergessen hatte. Schließlich verbanden sie nicht nur schöne, sondern auch viele schmerzhafte Erinnerungen...was wenn er mit ihm auch diese Erinnerungen vergessen könnte?
"Ich...ich brauch ein bisschen frische Luft", stotterte er schließlich während er mit unsicheren Schritten auf die Tür zustolperte. Der Boden unter seinen Füßen schien zu schwanken und Gabriel hatte Angst, dass ihm einfach die Beine unterm Körper wegknicken würden.

Sie bekam gar nicht wirklich mir, dass die Gruppe um ihr Bett herum sicher wieder auseinander fächerte. Auch nachdem die Frau sie wieder losließ war es immer noch unglaublich laut, als hätte sie ein schlecht eingestelltes Radio im Kopf, und sie hatte immer noch keine Erklärung wieso sie all das hörte. Noch während sie darüber nachdachte, wie zäh ihre Gedanken überhaupt flossen, warf Agnes Gabriel einen besorgten Blick hinterher. Gerade wollte sie aufstehen und ihm etwas sagen, als Steve ihr die Hand auf die Schulter legte und kurz mit dem Kopf schüttelte. "Kümmer dich um Edith", raunte er leise und ging dann zu Gabriel rüber. Damit ihm der nicht gleich umkippte, hielt er ihm am Ellenbogen, bis er ihn draußen im Gang auf einen Stuhl drücken konnte. "Setz dich, bevor du fällst", sagte er ruhig und ließ sich dann neben Gabriel nieder. "Was läuft da eigentlich? Oder eher, was lief da zwischen euch?"

Erneut presste Gabriel die Lippen fest aufeinander, doch diesmal konnte er das Zittern der Unterlippe nicht verhindern, dass er zögerlich begann, um immer stärker zu werden. "Es...ist wegen Jared", stöhnte er schließlich und beugte sich vor, die Hände an den Kopf gelegt, "er...er hat mir erzählt, was mit ihm geschehen würde. Ich hielt es für einen geschmacklosen Scherz, für einen neuen Trick, um mich von Notion fern zu halten. Und dann, tja, dann war er plötzlich tot..." Gabriel zuckte hilflos mit den Schultern und kämpfte gegen die Tränen an, die mittlerweile in seinen Augen brannten. "Notion hasst mich dafür, dass ich ihr nichts gesagt habe. Sie hasst mich!" Ein verzweifeltes Lachen bahnte sich seinen Weg aus seiner Kehle um dann nahtlos in einen unterdrückten Schluchzer über zu gehen. "Ich...weiß nicht, ich hatte irgendwie gehofft, wir könnten diesen...Streit beilegen und von vorne anfangen und jetzt...weiß sie nicht mehr, wer ich bin. Und ein Teil von mir fragt sich, ob das nicht vielleicht besser ist..."

Verzwickte Situation, das musste Steve zugeben. Er lehnte sich nach vorne, die Ellenbogen auf den Knien und die Hände verschränkt. "Weißt du", fing er leise an und richtete sich wieder auf um Gabriel die Hand mit leichtem Druck auf die Schulter zu legen. "Edith war schon immer hin und wieder schwer zu verstehen, aber ich bin sicher, dass sie dich nicht hasst. Egal was sie dir gesagt hat, sie hatte sicherlich einen guten Grund dafür. Frag sie, dann..." Missmutig hielt er mitten im Satz inne. Seine Nichte würde in nächster Zeit keine Fragen beantworten können. "Was ich weiß ist, dass sie Hilfe brauchen wird. Und sag mir nicht, dass es dir egal ist. Ich hab euch auch gesehen. Es ist nicht besser, wenn sie sich nicht an dich erinnert."

Verständnisvoll nickte Raven langsam, natürlich konnte sie seine Reaktion gut nachvollziehen. Sicher war das auch die bessere Entscheidung von ihm gewesen, wegzugehen, als dass er vielleicht sonst was gemacht hätte. Mit Dan. Fahrig fuhr sie sich mit den Fingern durch das dunkle Haar, dass sie sich locker zu einem Pferdeschwanz zurück gebunden hatte. Hier und da hingen bereits ein paar Strähnen heraus.
„Es war wirklich keine Absicht... Ich... Ich wollte das Zimmer verlassen, stand schon an der Tür und da hat er die Bombe steigen lassen...“ Sie zuckte mit den Schultern und fuhr sich mit der Hand über ihren anderen Arm. „Ich kann mir gut vorstellen, dass dich das verletzt hat. Tut mir Leid“

Colin stand nicht allzu weit von Gabriel und Notions Onkel, die das Zimmer verlassen hatte. Allerdings befand er sich nach wie vor in dem Eingang eines anderen Ganges, um die Ecke und stand das nach wie vor mit seinem inzwischen nur noch schwach dampfenden Kaffees.
Stumm wandte er sich ab und ging ein paar Schritte, da er nicht dem Gespräch lauschen wollte -noch wollte er so wirken, als würde er es tun.

"Das sagt sich so leicht", erwiderte Gabriel mit einem verzweifelten Lachen und rieb sich mit der Handfläche über die Stirn, den Blick weiterhin gesenkt gehalten, "natürlich ist sie mir wichtig, sonst wäre ich wohl kaum hier! Aber zwischen Notion und mir ist so viel kaputt gegangen....ich bin nicht sicher ob das jemals wieder in Ordnung kommen wird. Anscheinend kann...konnte sie mich nicht ansehen ohne daran zu denken, dass mein Schweigen verhindert hat, dass sie die letzten Tage mit Jared bewusst erleben konnte. Wenn sie sich an das alles nicht erinnert, an Jared, an mich....sie könnte einfach neu anfangen. Ohne die ganzen...Altlasten, verstehst du?" Er sah fragend zu Steve auf, wobei die feuchten Spuren auf seiner Wange verrieten, dass das Kämpfen gegen die Tränen nicht viel genutzt hatte.

"Nein", erwiderte Flynn schwach und hob die Hand, um Raven damit zu verdeutlichen, dass sie schweigen sollte, "wenn sich jemand entschuldigen muss, dann ich. Ich hätte dich aussprechen lassen sollen aber...der rationale Teil meines Gehirns hatte die Kontrolle abgegeben." Er lachte bitter und schüttelte den Kopf. Eine ganze Weile lang sagte niemand etwas, doch schließlich war es Flynn, der die Stille durchbrach. "Wie...wie wir es weiter gehen?", fragte er leise und sah Raven mit müden Augen an, "zwischen uns. Zwischen dir und Dan? Wie soll es in Zukunft laufen?"

Schweigend sah Steve Gabriel einen Moment an und schüttelte unwillkürlich ganz leicht den Kopf. "Und wo bleibst du in dieser Rechnung? Wenn sie sich. Sollte sie sich wirklich nie wieder erinnern, dann wärst du auch keine Altlast", gab er zu bedenken. Mit einem leisen Seufzen lehnte er sich gegen die Lehne des Stuhles zurück und reichte Gabriel dann ein Taschentuch. "Du musst für dich entscheiden, was du willst, das solltest du im Auge behalten." Aus diesem Grund sprach er auch nicht an, was wäre wenn Edith sich wieder erinnerte. Und daran, dass Gabriel dann evt nicht da gewesen war um ihr zu helfen. Nach Gabriel Worten sollte sie das allerdings nicht weiter überraschen. Aber Frauen waren da häufig etwas anders.

Raven ließ sich Zeit mit ihrer Antwort, da sie selbst erst einmal über seine Frage nachdenken wollte. Sie verdiente eine gut überlegte Antwort. Wie sollte es also jetzt weitergehen? Wie es zwischen ihnen beiden weitergehen sollte, da erhoffte sie sich eigentlich, dass sie dort weiter machten, wo sie gestern irgendwie aufgehört hatten. Nur war es nicht mehr wie vorher. Mit dieser Vision im Hinterkopf würde Flynn bestimmt immer angespannt bleiben, wenn es um Dan ging. „Ich werde mit ihm reden müssen. Ein paar Dinge klären... ich sollte mit ihm über Luke reden... Aber... ich hoffe, wir...kriegen das hin. Du hast selbst gesagt, deine Visionen gehen nicht zwingend in Erfüllung... und es ist mir wirklich ernst mit uns... Ich will mit dir zusammen sein“

"Und ich will mit dir zusammen sein", erwiderte Flynn und öffnete die Tür, die bis jetzt nur einen spaltbreit offen gewesen war, nun ganz. "Es tut mir so leid", murmelte er und schloss Raven dann sanft in die Arme, strich ihr über das dunkle Haar. Gerade jetzt brach eine Welle von verschiedenen Gefühlen über ihn herein. Erleichterung, weil Raven noch immer mit ihm zusammen sein wollte, Scham, weil er sich gestern ihr gegenüber so schäbig verhalten hatte, aber auch Sorge, weil er wusste, dass Dan wohl kaum so einfach aufgeben konnte. Vor Raven und ihm stand eine schwere Zeit, das war ihm klar, aber ihm war auch klar, dass er diese Zeit MIT ihr erleben wollte.

Gabriel bedachte Steve mit einem dankbaren Kopfnicken und griff nach dem Taschentuch. Während er sich erst Wangen abwischte und dann die Nase putzte, ließ er sich Stevens Worte durch den Kopf gehen. "Ich weiß nicht, was ich will", gestand er schließlich, während das zerknüllte Taschentuch in seine Hosentasche wanderte, "ich weiß überhaupt nichts mehr. Das ist grade einfach alles zu viel." Er verbarg das Gesicht in den Händen und verhaarte regungslos auf dem unbequemen Plastikstuhl. Er wusste wirklich nicht, was er jetzt tun sollte. Würde er nicht für Notion da sein und sie erinnerte sich plötzlich, wäre er der Freund, der sie in größter Not im Stich gelassen hatte. Würde er sich um sie kümmern und sie erinnerte sich, könnte es jedoch genauso gut sein, dass sie ihm noch immer nicht vergeben würde und noch einmal ihr kaltes, abweisendes Verhalten ertragen, das würde er nicht schaffen. Und was, wenn sie sich nie wieder erinnern würde? Was wäre dann? Gabriel begann, mit den Daumen seine Schläfen zu massieren, doch die aufkeimenden Kopfschmerzen wurden dadurch nicht besser.

"Edith, schlaf doch noch ein Bisschen. Danach geht es dir bestimmt besser", schlug Agnes leise vor und sah ihre Nichte Lächelnd an. Sie sollte sich jetzt besser nicht weiter aufregen, das war bestimmt nicht gut. Und schlafen war ein bekanntes Allheilmittel.
"Ich glaub nicht, dass ich das kann", kam die leise antwort und Notion hob die Hand, die sie sich gegen die Schläfe legte, als hätte sie Kopfschmerzen. Das hatte sie zwar nicht, aber es fühlte sich in ihrem Kopf so wirr an, dass sie sich wunderte es nicht zu haben.
"Die Stimmen?", fragte Agnes. Als Notion zögerlich nickte lächelte sie sie noch beruhigender an. "Das ist ganz normal. Bei dir jedenfalls." Die Erklärung, die Agnes ihrer Nichte dann gab, war für beide ziemlich merkwürdig.

"Du solltest wirklich mal ne Nacht drüber schlafen. Wirklich schlafen. So wie du aussiehst ist das bei dir nämlich ne ganze Weile her", schlug Steve vor. Er hätte Gabriel auch eine Kopfschmerztablette empfohlen, aber er erinnerte sich, dass seine Familie für Medikamente schwer zu begeistern waren. "Edith wird nicht weglaufen und es wird ihr jetzt auch nichts mehr passieren. Das schlimmste was jetzt noch kommt wird ihre Reha und die wird sie alleine machen müssen. Mit einem klaren Kopf kann man besser denken."

Seth hatte es tatsächlich geschafft eine ganze halbe Stunde zu duschen. Dementsprechend glich das Bad auch eher einer Dampfsauna, als er die Tür öffnete und wieder ins Zimmer ging, außer seinen Boxershorts nur ein Handtuch auf dem Kopf. Nate schlief tatsächlich noch. "Hey, Schlafmütze. Aufstehen, sonst kommst du zu spät zum Unterricht", rief er und schlug seinem Zimmerkollegen im Vorbeigehen gegen die Schulter.

Kit stellte sich in dem Moment gerade unter die Dusche und wusste ganz genau, wieso er das Joggen so lange aufgeschoben hatte. Was für eine Quälerei, auch wenn man sich danach doch ganz gut fühlte. Jetzt wollte er nur noch Duschen und dann zum Frühstücken, bevor er sich in einen neuen Kampf mit den Erstklässlern schmiss.

Als der Wecker losklingelte Pschte Molly ihn nutzloserweise an, während sie nach dem Knopf schlug, der ihn zum Stillschweigen bring. Sie warf einen panischen Blick zu Leo, aber wie es aussah war die nicht wach geworden. Leise stand sie auf, holte sich schnell ein paar Sachen aus dem Schrank, wobei sie zusammen zuckte, als die Schranktür leise quietschte, und verschwand dann im Bad.

"Mhhhmmm", murmelte Gabriel kaum hörbar und nickte zaghaft. Im Moment fühlte sich sein Kopf an, als wäre er mit zäher Zuckerwatte voll gestopft, die jedes Denken unmöglich machte. Wahrscheinlich hatte Steve recht, er brauchte eine Mütze voll Schlaf. Allerdings stand vor einer Begegnung mit seinem Bett noch eine einstündige Fahrt nach Salem Center an und Gabriel war sich nicht sicher, ob er gerade in der Verfassung fürs Autofahren war. Aber er konnte sich auf der Rückbank des Wagens zusammen rollen, für eine oder zwei Stunden Schlaf würde es schon reichen. "Falls sich etwas ändert, rufen Sie mich an, oder?", fragte er schließlich zögerlich und sah fragend un Steve auf, "falls sie sich doch erinnert...."

Auch obwohl es mittlerweile zeitlich doch langsam knapp wurde, machte Eron noch immer keine Anstalten, aufzustehen. Wenn es nach ihm ging, würde er den heutigen Schultag in altbewährter Tradition einfach schwänzen. Wolverine in Sport zu assistieren kam einem Höllenkommando gleich und er hatte nicht den geringsten Bock. Also blieb er einfach liegen, rollte sich leise stöhnend auf die andere Seite und zog die Decke höher.

Isalie strich mit ihren Fingern über die feuchte, kalte Erde und verdeckte ein paar Blumen mit Blättern. Sie war früh aufgestanden, um einen kleinen Spaziergang zu machen, wofür sie sich in ihren Wintermantel gemummelt hatte. Ihren Strickschal hatte sie sich um Mund und Nase gewickelt, wo ab und an kleine Atemwölkchen aufstiegen. Heute war es ziemlich kalt, ein Herbsttag, der bereits nach Winter schmeckte, fand Isalie und atmete tief ein. Ihren Blick ließ sie dabei um sich herum gleiten und betrachtete, die Bäume und Sträucher.
Winter war nicht so wirklich ihre Lieblingszeit, was ihr einfach in den Genen lag. Ähnlich wie viele Pflanzen, war ihr im Winter einfach nach 'Schlafen' und Zurückziehen.

Erschöpft hatte sich Reshma in ihrem Bett aufgesetzt und rieb sich mit den Fingern über die Augen. Sie war total fertig und würde am liebsten noch fünf Stunden Schlaf dranhängen, wenn es nur machbar wäre. Blind tastete sie nach ihrer Brille, die Augen waren ihr schon wieder zu gefallen und setzte sich die auf. Dadurch, dass Raven gestern noch bei ihr vorbei gekommen war, völlig aufgelöst, hatte sich ihr Arbeitsplan zusehends in die Länge und nach weiter hinten verschoben. Und ehe sie sich versehen hatte, war es 2 Uhr morgens, bis sie schließlich mit allem fertig gewesen war.

Eine Welle der Erleichterung schwappte über Raven hinweg und ließ ihre Beine kribbeln und ihr Herz jubelieren. Was war sie froh, dass er das sagte, nachdem es ihr gestern richtig schlecht ergangen war, nach dem unfreiwilligen Treffen. Lächelnd schmiegte sie sich an ihn und legte ihre Arme um ihn. Ja, sie war sich ganz sicher, dass das die richtige Wahl war, dass sie mit Flynn und nicht mit Dan zusammen sein wollte. Und daran würde sich auch nichts ändern, egal wie Dan darüber dachte. Nur ein Gespräch, das stand ihr definitiv noch bevor, ein ernstes, wohl längeres Gespräch. „Ich glaube, schlimmer wird es jetzt wohl nicht mehr werden... Ich habe zumindest nur einen toten Ex...“, sagte sie, lehnte sich ein wenig nach hinten und lächelte bitter.
„Vielleicht sollte ich mich mal mit Vallery kurzschließen... Nein, im ernst... Ich werde mit ihm reden. Ich werde das mit ihm klären, wie der Stand ist... dass sich einfach viel verändert hat...“

„Unterricht?“ Nate kam mehr oder minder zu sich und verließ den Traum. Müde rieb er sich die Augen, gähnte anschließend herzhaft und setzte sich auf. Das blonde Haar stand ihm dabei zu allen Seiten ab, was sich auch nicht bändigen ließ, indem er mit seiner Hand darüber fuhr.
„Ich dachte, es wäre Sonntag. Muss wohl Wunschdenken gewesen sein... und ein ziemlich schöner Traum“, seufzte er und schob seine Beine über den Bettrand.
„Bist du im Bad fertig?“

Leonie schlief nicht. Sie war wach und versuchte zu schlafen, das war ein entscheidender Unterschied. Gestern Abend hatte sie mit ihren Eltern geredet. Und ihr Hintern ging ihr seitdem auf Grundeis. Sie nagte an ihrer Unterlippe und zuckte leicht zusammen, als die Badetür sich hinter Molly schloss.
Noch jetzt hallten ihr die Worte ihrer Eltern in den Ohren, dieses entsetzte und mehr als enttäuschte 'Du bist was?', das hatte im Grunde schon gereicht. Aber die ganze halbe Stunde, die dem gefolgt war, hatte es nur noch schlimmer für sie gemacht. Geendet hatte es damit, dass sie aufgelegt und ins Bad gegangen war, wo ihr das Abendessen wieder hochgekommen war.
Alles in allem... ein eher bescheidener Abschluss des Tages.
Und Kit wusste noch gar nichts von dem Gespräch... Leonie streckte ihre Hand zum Nachttisch aus und schrieb ihm eine SMS. Inzwischen würde er wohl wach sein.
'Morgen. Habe gestern meine Eltern erreicht... Um elf habe ich einen Termin beim Bestattungsamt, willst du mitkommen?'
Kurz darauf piepste ihr Hand, brachte ihr allerdings eine SMS von Val, die sie fragte, ob sie nicht Lust hatte, heute Shoppen zu gehen.