Vampire-Das RPG IV

Haha. War ja abzusehen gewesen, dass er ihre Vorschläge urkomisch finden würde. Vor allem den letzten, dachte Jupiter trocken und griff mehr aus Nervosität nach einem Keks. Sie nickte knapp und knabberte angespannt an ihrem Keks. Tja, war ein Versuch wert gewesen, schließlich war das hier ein Traum – da war ja alles möglich.
„Option 1 ist keine Option“, raunte derweil Jesaiah und warf Damion einen finsteren Blick zu. Dieses Thema hatten sie bereits gehabt und sie hatte ihre Meinung diesbezüglich auch nicht geändert. Nicht nur, weil sie genug Schwestern hatte, sondern gerade auch weil Damion damit zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Brida, oder wer auch immer nach seinem Leben trachtete, hatte es immerhin auch auf seine Kinder abgesehen. Und dieses arme, dumme Ding hatte es vermutlich nicht verdient, so schnell zu sterben… Vermutlich. Wahrscheinlich.
„Ich… denke, wir lassen sie gehen“
Jupiter verschluckte sich an ihrem Keks und hustete. Mit Tränen griff sie wieder nach dem Glas und versuchte die Krümel hinunter zu spülen. „Was!?“, brachte sie schließlich mühsam heraus und sah die Frau an.
„Wir lassen dich gehen. Sobald du wieder fit genug bist“, raunte Jesaiah und setzte dabei ein gefährlich freundliches Lächeln auf. „Und wir werden dich natürlich nach Hause begleiten. Damit du dort auch sicher ankommst. Es sei denn… Du hast doch sicherlich ein Zuhause. Oder nicht? Bei deinen Eltern scheinst du ja wohl nicht mehr zu wohnen“
Jupiter presste die Lippen aufeinander und rief sich wieder in Erinnerung, dass das nur ein Traum war. Sollten die doch machen, was sie wollten, oder nicht? Früher oder später würde sie eh aufwachen.
„Weißt du… Ich könnte vielleicht arrangieren, dass du hier wohnen könntest. Es gebe Essen. Ich könnte dir sogar einen Job besorgen. Hinterm Tresen“
„Angezogen?“, hakte Jupiter aus leicht zusammengekniffenen Augen nach.
„Oder muss ich auch so halbnackt wie du herumspringen?“
„Nein, Schätzchen, die Leute bei der Bar haben für gewöhnlich mehr an. Aber du kannst das gerne halten wie du willst…“
Nur ein Traum, dachte Jupiter und nickte. „Okay…Aber…dafür bleibe ich am Leben. Und werde nicht verwandelt… ja?“
„Ja“, bestätigte Jess. „Vorausgesetzt, du erzählst niemanden von diesem Abend. Und von der Existenz von Vampiren“

Ähnlich erstaunt wie Jupiter wandte Damion Jess den Kopf zu und sah sie mit einer erhobenen Augenbraue an. Einfach laufen lassen? Sollte er nicht der unvernünftige sein? Immerhin relativierte sie ihren Standpunkt im nächsten Satz. Nicht wirklich laufen lassen, sondern überwachen. Damit konnte Damion leben.
"Jedenfalls jetzt noch nicht", stellte er klar, halb über Jess Satz hinweg fest, einfach nur, weil er es nicht lassen konnte. Könnte ja auch sein, dass Jupiter sich am Ende umentschied und es ganz nett fände Vampir zu sein.

Jess warf Damion für seinen Einwurf einen bösen Blick zu. Sie war sich ziemlich sicher, wenn sie nicht da wäre, hätte er die Kleine schon längst ausgesaugt. Und eventuell sogar verwandelt. Ganz offensichtlich hatte er ja was für sie übrig. Seufzend wandte Jess sich wieder Jupiter zu und nickte.
„Gut, dann sind wir uns ja einig“ Sie lächelte die Rothaarige an und stand von Damions Schoß auf.
„Du kannst über Nacht hier bleiben, dich erholen. Wir haben hier einen Raum mit einem Bett, das kannst du haben. Morgen Abend werden wir einkaufen gehen. Wir haben hier zwar Essen für Menschen, aber nicht sonderlich viel und wahrscheinlich auch nicht sonderlich…nahrhaft. Daher sollten wir das zusammen machen, damit du mir sagen kannst, was du isst. Und natürlich brauchen wir neue Klamotten…“ Und ihre Haare könnten auch ein wenig Pflege vertragen. Und Spitzen schneiden. Jess machte sie in ihrem Kopf eine Liste von all den Dingen, die zu tun waren und dachte dabei ein klein wenig auch an Brida. Die Ältere hatte sie damals unter ihre Fittiche genommen…

Eine Stunde später hatten Jess und Damion das ‚Scarlet Letter‘ verlassen. Jupiter hatten sie in der Strippbar eingeschlossen und Jess hatte Leticia angerufen, die nach dem Menschlein schauen würde. Und auch sicherstellen würde, dass diese auch nicht abhaute. Dafür würde Leticia mehr Urlaubstage bekommen. Ein Deal, mit dem Jess leben konnte und Scarlett sicher auch.
Mal schauen, wohin sich das ganze entwickeln würde und ob Jupiter ihre Meinung nicht änderte.
Jess hatte das leise Gefühl, dass diese noch nicht ganz verstanden hatte, worauf sie sich eigentlich eingelassen hatte.
„Zufrieden, dass du bekommen hast, was du wolltest?“, fragte Jess und warf ihren Erschaffer einen Seitenblick zu, während sie durch die Stadt gingen, auf dem Weg zurück ins Clanhaus. Immerhin hatte er ja gewollt, dass Jess der Kleinen einen Job besorgte.

Charles war aufgestanden, als er das Klopfen gehört hatte und ging zur Tür. Als er diese öffnete, stand Rubina lächelnd vor ihm. „Hallo Charles“, begrüßte sie ihn munter und sah dann an dem Älteren vorbei, da sie erwartete, Jael zu sehen. Ihrer Nase nach musste er eigentlich hier ein.
„Hallo Rubina“, begrüßte er sie höflich und trat lächelnd beiseite. „Ich vermute, du wolltest nicht vorrangig zu mir. Komm ruhig rein. Jael hat mir ein wenig Gesellschaft geleistet“, setzte er schmunzelnd hinzu und bedeutete ihr, einzutreten.
Ruby folgte der Aufforderung und entdeckte lächelnd Jael, wobei ihr noch ein anderer Geruch im Zimmer auffiel. Verwirrt kniff sie die Augen leicht zusammen, den Blick noch auf Jael geheftet und formte dabei stumm den Namen „Cassandre“.
„Du…hattest Damenbesuch“, wandte sie sich schließlich raunend Charles zu, der seufzend die Augen niederschlug.

"Sehr", antwortete Damion und klingt unglaublich exakt wie ein zufriedener Kater. Es fehlte nicht viel, dann hätte er tatsächlich geschnurrt. Das konnte man getrost unter erfolgreicher Tag abheften. Sein Arm wanderte um Jess Schulter und zog sie an sich. Klar, sie konnte etwas entspannter und zufriedener sein, aber dann war es auch immer noch Jess. Wenn sie entspannt und zufrieden war, lag er erschöpft auf dem Rücken. Dazu waren sie heute noch nicht gekommen, kein Wunder, dass ihr noch was quer lag. "Na komm. Du kannst die Kleine in ein paar Tagen immer noch umbringen, wenn sie dir auf die Nerven geht. Oder sie einfach mir zuschieben", scherzte er.

Kaum hatte Jael Rubinas Stimme gehört, war er auch schon auf die Füße gekommen und ihr entgegen zu gehen. Sein Lächeln verrutschte leicht, als sie Cassandres Namen stumm sagte. Entschuldigend sah er Charles an, der gar nichts mitbekam, weil er die Augen geschlossen hatte. "Rubina. Kein gutes Thema", sagte er leise und griff nach ihren Händen um sie zu sich herum zu ziehen. Er gab ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn, was das äußerste war, zu dem er sich hinreißen ließ, selbst wenn Charles ein sehr guter Freund war. "Wie war es auf der Arbeit? Hast du das Problem lösen können?", versuchte er ein anderes Thema anzuschneiden um Charles Zeit zu geben seine Verlegenheit zu überwinden.

„Oh, kann ich das, ja?“, gab Jesaiah feixend von sich und warf Damion einen dazu passenden Blick zu. „An mir hat es vorhin nicht gelegen. Hättest du nicht eingegriffen, hätte ich sie bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt. Und mein schlechtes Gewissen hätte sich garantiert erst morgen gemeldet. Und ich hätte damit sehr gut leben können“, raunte sie, wobei sie leiser sprach. Musste ja niemand mitbekommen, worüber sie sprachen. Und Damions Ohren waren gut genug, als dass er sogar ein Wispern ihrerseits hätte hören können.
„Seien wir ehrlich, du hättest in ein paar Tagen vermutlich immer noch etwas dagegen, wenn ich sie umbringen wollen würde. Und dir zuschieben, ha! Da kann ich sie auch gleich selbst vernaschen und verwandeln. Und ja, ‚vernaschen‘ kannst du zweideutig verstehen“, raunte Jess und lächelte schief. Tatsächlich würde sie sich jedoch nicht dazu hinreißen lassen und über Jupiter herfallen. Nicht in nächster Zeit.

Rubina sah mit einem warmen Lächeln zu Jael auf, als dieser ihr den Kuss auf die Stirn gab. Für andere scheint diese Geste nicht viel herzumachen, doch für sie war es so viel mehr. Und davon abgesehen auch vollkommen ausreichend. Allerdings vergaß sie darüber nicht ihre Gedanken, die sie zuvor gehabt hatte. Cassandre. Es roch hier nach Cassandre. Und Charles roch nach ihr. Es war offensichtlich, dass er ihr scheinbar sehr, sehr nahe gekommen war. Nur sah dieser nicht gerade glücklich aus, nachdem sie ihm ihre Frage gestellt hatte.
Rubys Augen wanderten wieder zu Jael. Gut, wenn er sagte, dass es kein gutes Thema sei, dann würde sie nicht weiternachhaken, dachte sie. Notfalls fragte sie Jael später unter vier Augen.
„Gut. Und ja, es hat zwar ein paar Anläufe gebraucht, aber ich konnte das Problem lösen“, antwortete Rubina lächelnd. „Und bei dir? War heute viel zu erledigen?“

Damion hatte immerhin den Anstand nicht mehr so zufrieden auszusehen, als er seine Kopf leicht zur Seite neigte. "Vermutlich. Keine Ahnung. Irgendwie wärs schade um sie. Und da du nicht willst, dass ich noch mehr Abkommen rumlaufen habe muss sie wohl erstmal am Leben bleiben", sagte er und wurde zum Ende hin scherzhaft. "Wobei ich doch gerne dabei wäre, wenn du zweideutig über sie herfällst. Das würde Jupiter einen gesunden Dämpfer versetzen und mir was schönes zum Anschauen geben." Anders als Jess machte er sich nicht großartig darüber Gedanken, wer was hören konnte. In seiner Erfahrung wurden Menschen eher neugierig, wenn man heimlich und leise sprach. Wenn man dagegen die blutige Wahrheit herausposaunte meinten sie immer man würde Witze reißen. Noch ein Zeichen dafür, dass Menschen im Allgemeinen nicht schlau waren.

Die Fragen, die Rubina auf der Zunge brannten, standen ihr in Großbuchstaben über die Stirn geschrieben. Fast hätte Jael erleichtert aufgeatmet, als sie davon absah sie zu stellen und stattdessen auf seinen Themenwechsel einging. Mit einem stolzen Lächeln sah er sie an, als hätte er von vornerein gewusst, dass es nichts gab, dass sie nicht lösen konnte. Was eigentlich sogar der Tatsache entsprach. "Ach, nicht viel. Außer die Reste von Galons Chaos zu beseitigen. Was nicht leicht ist, wenn er vor einem steht und so aussieht, als würde die Welt untergehen, wenn die Papiere nicht gestern schon aufgetaucht sind", antwortete er ihr und warf einen weiteren prüfenden Blick zu Charles, der beängstigend ruhig und bewegungslos im Raum stand. Hoffentlich machte ihn seine ... Begegnung mit Cassandre nicht noch unglücklicher, als er es vorher gewesen war.

„Und aus genau diesem Grund wird es vermutlich nie passieren“, gab Jesaiah nonchalant zurück und rückte ihren Mantel zurecht. Im ‚Scarlet Letter‘ hatte sie sich wieder angezogen, bevor sie wieder mit Damion gegangen war – die Unterwäsche trug sie selbstverständlich noch immer, mit der sie vorhin noch getanzt hatte, nur die rote Perücke hatte sie dort gelassen. Doch davon abgesehen konnte sie eigentlich im Clanhaus, auf Damions Zimmer, dort weitermachen, wo sie vorhin notgedrungen hatte aufhören müssen.
Jess tastete ihre Manteltasche ab und zog kurz darauf ihr Handy heraus, um die Uhrzeit auf dem Display zu überprüfen. Anschließend überschlug sie im Kopf, wie lange sie noch brauchen würden, um das Clanhaus zu erreichen. Ob sie vielleicht kurz auf ihr Zimmer gehen konnte? Casey anrufen? Damion würde sicherlich auch noch eine Stunde auf den Sex warten können. Mit einem Schmunzeln überlegte sie, wie Casey wohl reagieren würden, wenn sie ihm die Geschichte von Jupiter erzählen würde. Den Part mit dem Tanzen an der Stange würde sie vermutlich weglassen.

„Ach, Galon soll sich nicht so anstellen… Und sich vielleicht ohnehin nach einem zweiten Mann umsehen. Ich meine, er kann doch nicht immer die ganze Arbeit bei dir abladen!“, murrte Rubina und schnaubte. Ihrer Meinung nach, war Jael viel zu gut für Galon und dieser nutzte das schamlos aus! Und wenn Jael dann mal für ein paar Stunden andersweitig beschäftigt war, dann machte sein Boss gleich so ein Drama daraus. Rubina sah von Jael zu Charles hinüber, der noch immer irgendwie verloren rumstand. Der bemerkte wiederum die Blicke der beiden und sah schließlich blinzelnd zu ihnen beiden auf. „Schaut mich nicht so an“, raunte er seufzend, ging zu seinem Schreibtisch hinüber und ließ sich dort auf seinem Stuhl sinken. „Mir geht’s gut… Ich… bin nur am verarbeiten“ Charles sah zu Jael hinüber, der schließlich die ganze Geschichte inzwischen kannte.

Geduldig lief Damion neben Jess, als es aber nicht aussah als würde sie aus ihren Gedanken von alleine wieder auftauchen knuffte er sie leicht in die Seite. "Wir sind gleich da. Hast du noch ein heißes Date, dass dich so ablenkt?", fragte er und war zumindest zur Hälfte ernst damit. Sie konnte schließlich tun und lassen was sie wollte, solange sie denn auch wieder zu ihm kam. Und das was heute so abrupt von Jupiter unterbrochen wurde, roch doch sehr danach, dass sie nicht einfach verschwinden würde. Jedenfalls nicht in der näherstehenden Zukunft.

Jael blinzelte und schmunzelte dann liebevoll. Es war ein merkwürdiges Gefühl verteidigt zu werden. Unter Umständen hätte er sie dazu herausgefordert ihre Worte Galon zu wiederholen. Er war schlauer. Rubina würde nämlich exakt das tun. Und einen Stein hätte sie deswegen sicher nicht bei Galon im Brett. Besser er verhinderte, dass sie sich selbst Probleme bereitete. Zum Glück lieferte Charles ein anderes Thema. Sein Blick blieb kurz an Rubina hängen, erinnerte sich an die Episode in seinem Büro und schenkte Charles ein mitleidiges, wie verstehendes Lächeln. In gewisser Weise verarbeitete er auch noch. Jedes Mal, wenn er in sein Büro ging. Vielleicht würden ihnen alle andere Gedanken gut tun. "Was haltet ihr davon, wenn wir ausgehen? Ich glaub es soll einen recht netten, neuen Club hier in der Nähe geben. Das Emporium, glaub ich", schlug er eher ungewöhnlich für ihn, vor und sah die anderen beiden an.

Blinzelnd sah Jess auf und schmunzelte gleich darauf. Ein heißes Date? Der Gedanke, so von dem Telefongespräch mit Casey zu denken, amüsierte sie. Seit ihrem ersten Anruf vor einer Woche hatte sie den Älteren ein paar Mal angerufen – nicht jeden Tag, aber doch mindestens jeden zweiten. Es beruhigte sie einfach zu wissen, dass er noch lebte und Brida noch nicht zugeschlagen hatte. Dass nach deren Telefongespräch noch nichts passiert war, könnte ja vielleicht auch heißen, dass sie tatsächlich nichts damit zu tun hatte. Zu hoffen wäre es ja.
„Nur eines mit meinem Zimmer“, antwortete Jess auf Damions Frage. „Wie wäre es, wenn du dir noch etwas richtiges zu Essen holst und ich dann später zu dir komme? Wir könnten dort weitermachen, worin wir vorhin gestört wurden“ Sie warf ihm einen anzüglichen Blick zu.

Sowohl Rubina als auch Charles sahen Jaels erstaunt an. So ein Vorschlag aus Jaels Mund war tatsächlich äußerst ungewöhnlich. Ruby blinzelte kurz verblüfft, doch dann lächelte sie auch schon, angetan von der Idee, wobei sie bereits davon ausging, dass er das hauptsächlich wegen Charles vorschlug. Dieser wiederum kämpfte etwas länger mit seinem Erstaunen. Wann war es soweit gekommen, dass so ein Vorschlag eher von Jael als von ihm, oder Rubina, kam? Er hatte sich in den letzten Wochen vermutlich wirklich zu sehr zurückgezogen… Womöglich war so ein Ausflug in den Club ein guter Gedanke, dachte er für sich und nickte schließlich. „Wieso nicht… Schwebt dir denn schon ein bestimmter Abend dafür vor?“ Bei dem Namen ‚Emporium‘ klingelte bei ihm etwas, war sich allerdings nicht sicher.

Damion öffnete schon den Mund um ihr Vorzuschlagen das Essen und anderes zu überspringen und gleich dort weiter zu mache, wo sie unterbrochen wurden waren. Irgendetwas in ihrem Blick hielt ihn davon ab. Es war ihm selbst nicht klar, aber er wusste, dass sie etwas für sie wichtiges erledigen musste und dementsprechend vielleicht zu überreden wäre, dann aber nicht wirklich bei der Sache dabei wäre. Zwei Straßenzüge vor dem Clanshaus blieb Damion stehen und hielt auf Jess, mit einer Hand an ihrem Oberarm auf. Ehe sie etwas sagen oder protestieren konnte legte er seine Hände um ihr Gesicht und gab ihr einen sinnlichen, für seine Verhältnisse liebevollen, Kuss, der am Ende aber nicht ungesagt ließ, wie viel Verlangen er schon aufgestaut hatte. "Lass mich nicht zu lange warten. Egal wie heiß dein Zimmer ist, ich werd dich holen kommen, wenn es dich zu lange in Beschlag nimmt", drohte er scherzhaft und stahl sich noch einen kleinen Kuss.

Schon der Blick der beiden verunsicherte Jael ungemein. Hatte er etwas vollkommen Falsches vorgeschlagen? Er wollte schon einen Rückzieher machen, als Charles zustimmte. Nur anders, als Jael erwartet hatte. Unsicher sah er zu Rubina, die aber auch eher verblüft als hilfreich dreinsah. "Naja.. Also, ich dachte an jetzt. Aber wenn es dir nicht passt können wir natürlich auch in ein paar Tagen gehen", antwortete er und kratzte sich kurz am Hals. Besser er hätte nichts gesagt.

Als Damion sie so plötzlich festhielt, wandte sich Jess mit einem verwunderten Blick an ihn. Noch bevor sie ihn fragen konnte, was er hatte, legte er auch schon seine Hände um ihr Gesicht und küsste sie. Ein Schauer lief ihr über den Körper, während sie den Kuss genoss und ihn gleichzeitig erwiderte. Sie mochte diese Art, wie er sie gerade küsste. Ganz ähnlich waren die Küsse gewesen, die er ihr damals gegeben hatte, als sie ihm gestanden hatte, was sie für ihn empfand. Nicht dieselben, aber doch ähnlich.
„Hm, das klingt schon beinahe verlockend. Vielleicht lasse ich es ja darauf ankommen“, antwortete Jesaiah mit einem herausfordernden Lächeln, nachdem Damion sich einen zweiten, kleineren Kuss stahl. „Ich sollte allerdings nicht zu lange brauchen… Gib mir eine halbe Stunde. Höchstens eine Dreiviertelstunde. Dann werde ich wieder ganz dir gehören und einen Haufen solcher Küsse haben wollen“ Jess lachte, verschränkte ihre Arme hinter seinem Nacken und lehnte ihren Körper dabei gegen seinen. „Und ich werde mich vielleicht auch wegen vorhin revanchieren, als du von mir getrunken hast“, raunte sie leise und strich mit ihren Fingern an seinem Hals entlang. „Du solltest also genug für uns beide trinken“

„Das ist eine großartige Idee!“ Rubina fasste Jaels Hände und lächelte ihn liebevoll an. „Ich würde, bevor wir losgehen, allerdings noch kurz etwas trinken und vielleicht etwas anderes anziehen“
Charles blinzelte derweil schon wieder verblüfft – nicht nur, dass Jael vorschlug, in einen Club zu gehen, er wollte es sogar noch sofort tun. „Nun… In Ordnung. Ich würde vielleicht auch noch etwas anderes anziehen. Sollen wir uns dann einfach in… Was meinst du, wie lange wirst du brauchen?“, wandte er sich fragend an Rubina.
„Hm…ich weiß nicht… Vielleicht eine halbe Stunde?“, antwortete sie Charles und sah daraufhin ihren Freund an. „Könntest du mir vielleicht etwas zu Essen in der Küche aufwärmen, während ich mich umziehe? Dann schaffe ich es ganz sicher in einer halben Stunde“, fragte sie ihn.

Da Damion dafür bekannt war alles zu versprechen, solange er nur eine Frau in sein Bett bekam, sagte er nichts zu ihrem Wunsch bezüglich der Küsse. Dass er das mit Leichtigkeit hinbekommen würde, wusste sie schließlich selbst sehr gut. "Ich werd mir deine Worte zu Herzen nehmen. Die erste Station wird die Küche sein. Solltest du nachher Naschen wollen, steh ich dir gerne zur Verfügung", sagte er, wobei seine Hand besitzergreifend auf ihrem Hintern lag. Jess sparte sich einen Kommentar und sie liefen den Rest des Weges zum Clanshaus. An der Tür trennten sie sich, wobei Damion es für nötig befand ihr noch einen Kuss zu geben um ihr in Erinnerung zu rufen, was auf sie wartete. Immer noch pfeifend trat er in die Küche und warf sich ein paar Beutel in die Mikrowelle.

Jael war immer noch reichlich verwirrt ob er jetzt etwas falsch gemacht hatte oder nicht. Wusste aber auch nicht, wie er aus dem Wirrwarr, dass er verursacht hatte, wieder herasukommen sollte. Also beschränkte er sich darauf, Rubinas Frage zu beantworten, immerhin dabei war er sich sicher. "Sicher kannst du das. Eine halbe Stunde wird wohl kein Problem werden", sagte er, konnte seine Verunsicherung aber gut überdecken. Sie verabredeten sich für später in der Eingangshalle und dann verließen Rubina und er Charles Zimmer um zur Küche zu gehen. "Hab ich.. Irgendetwas falsch gemacht?", fragte er nach einer Weile kleinlaut und starrte den Boden vor seinen Füßen an.

Damions Küsse waren sehr eindrücklich gewesen und würden wohl dafür sorgen, dass Jess tatsächlich nicht vergaß, was auf sie wartete. Allerdings hinderte es sie auch nicht daran, sich auf das Telefongespräch zu freuen. Rasch war sie auf ihr Zimmer gegangen, schloss die Tür hinter sich und hielt dann auch schon ihr Handy in der Hand. Sie wählte die Nummer und lauschte dann auf das Freizeichen. Ein paar Sekunden später wurde abgenommen. „Casey, o Casey. Du hast heute mal wieder was verpasst!“, fing sie an und warf sich anschließend leise lachend auf das Bett.
„Aber bevor ich zu den erheiternden Neuigkeiten kommen- wie geht es dir? Hast du inzwischen ein neues Handy? Falls nicht, ich kann dir hier auch gerne eines kaufen und an deine Adresse schicken“, bot sie dem Älteren an und schwieg dann endlich, um ihm die Chance zu geben, auch zu antworten.

„Hm?“ Verwundert sah Rubina zu Jael auf und überlegte kurz, was er meinen könnte. „Ach das!“ Sie verkniff sich ein Lachen und legte eine Hand an seinen Oberarm, während sie ihm ein warmes Lächeln schenkte. Gleichzeitig hielt sie ihn daran auch fest, sodass sie beide zum Stehen kamen. „Nein, du hast nichts falsches gemacht“, versicherte sie ihm anschließend. „Es ist nur… Ich glaube, weder Charles noch ich sind es gewohnt, dass so ein Vorschlag von dir kommt. Also, in einen Club zu gehen. Das ist alles“ Ruby ließ ihre Hand von seiner Schulter hinab zu seiner Hand wandern, die sie sanft drückte. „Du bist ein guter Freund für Charles. Und er weiß das sicher zu schätzen“

Einen kurzen Moment fragte Casey sich, was Jess wohl tun würde, wenn mal nicht er da wäre um abzuheben. Anderseits war das eine müßige Frage, sollte er nicht abnehmen können, würde niemand hier abheben. Was hoffentlich noch etwas länger dauern würde und da ihn bis jetzt noch kein hinterhältiger Angriff überrascht hatte, würde Brida sich wohl noch Zeit lassen. Oder sie hatten sich alle geirrt. Wie gut, dass Jess eine Weile selbst redete, das gab ihm Zeit seine Gedanken wieder zusammenzuziehen. "Gut und Ja", antwortete er. Das Erste war eine Lüge. "Die Nummer ist die selbe geblieben, ich konnte die Sim Karte retten. Vielen Dank für das Angebot", fuhr er fort und lächelte tatsächlich ein wenig, auch wenn sie es nicht sehen konnte. "Wie geht es dir? Benimmt der Große sich?"

Immer noch ungewohnt empfand er die Welle an Gefühlen, die auf ihn einstürzte. Blinzelnd zuckten seine Mundwinkel nach oben und er lehnte sich vor um Rubina einen liebevollen Kuss zu geben. "Du bist ein herzensguter Mensch", sagte er und lies seine Hand sanft über ihre Wange streichen. "Geh dich umziehen, ich bring dir etwas zu essen", fuhr er mit einem warmen Ausdruck in den Augen fort und gab ihr einen sanften Schubs in Richtung des Ganges, der zu seinem Zimmer führte.

„Traurigerweise war er heute tatsächlich der vernünftigere von uns beiden. Beschämend für mich“, antwortete Jess und verzog das Gesicht. Hoffentlich würde es das einzige Mal bleiben, wobei sie nichts dagegen hätte, wenn Damion ruhig etwas öfters vernünftig wäre. Oder wenigstens vernünftiger als sonst. Jess pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht, während sie mit dem Rücken auf der Matratze lag und nach oben an die Decke sah.
„Ich hatte dir doch von diesem Mädchen erzählt, dass hier ins Clanhaus hatte einbrechen wollte. Tja, Madame ist heute tatsächlich ins Scarlet Letter eingebrochen, als Damion und ich dort waren. Die anderen haben heute Urlaub, deswegen waren wir wirklich nur zu zweit… Naja, nicht lange. Wie kann man als Mensch nur einen so miserablen Geschmack haben?“, fragte sie, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. „Ich habe sie mir dann geschnappt und… ich hätte fast zu viel getrunken. Ehrlich gesagt, war es mir in diesem Augenblick egal…Damion hat mich davon abgehalten“, seufzte sie.

„Bis gleich“, raunte Rubina ihm noch zu und warf Jael einen letzten, verliebten Blick zu, ehe sie sich auf den Weg zu ihrem Zimmer machte. Innerlich war ihr ganz warm von seinen Worten und der Berührung. Mit einem seligen Lächeln legte sie ihre Hand an die Stelle an ihrer Wange, wo seine eben noch gelegen hatte.
Nur wenig später war sie dann endlich auf ihrem Zimmer und suchte sich aus ihrem Schrank ein anderes Outfit aus. Dafür brauchte sie nicht sonderlich lange, da sie nach wie vor nicht so viele Klamotten besaß. Und erst recht nicht mehr viele, die sie auch in einem Club anziehen würde. Bei ihren ‚Party-Klamotten‘ hatte sie damals am meisten ausgemistet.
Daher zog sie jetzt einfach eine schwarze, anliegende Jeans an und dazu ein dunkelrotes, schulterfreies Oberteil, dazu ein paar Ohrringe und ihre Haare band sie zurück. Das würde hoffentlich ausreichen, um in diesen Club hineingelassen zu werden.

Casey lauschte Jess Erzählung und bemühte sich nach Kräften nicht zu sehr daran zu denken, weswegen sie mit Damion allein in einem geschlossenen Club gewesen war. Schon gar nicht wo dieser ihr gehörte. Er dachte auch nicht darüber nach, was sie dazu hätte bringen können das arme Mädchen fast leer zu trinken. Dafür hatte er genug Ablenkung in der Aussage, dass Damion tatsächlich vernünftig gewesen war. "Moment. Wir reden hier wirklich von dem selben Damion? Womit hast du ihn in letzter Zeit gefüttert?", fragte er und klang tatsächlich amüsiert. Er wurde besser darin überzeugend zu klingen.

Gerade als Jael in die Küche trat, wollte Damion selbige gerade verlassen. Einen Moment standen sie in der Tür und beobachteten einander eingehend vorsichtig. Eingehend auf Damions Seite, Vorsicht auf Jaels. Dann nickte Damion und Jael trat zur Seite um ihm die Möglichkeit zu geben die Küche zu verlassen. Einen Moment betrachtete er den Rücken des Älteren und hatte das Gefühl eine Erlaubnis erhalten zu haben. Er wusste nur nicht wofür.
Nachdem die Konserven warm und in Gläser umgefüllt waren, verließ er die Küche wieder und suchte Rubys Zimmer auf, an dem er leise anklopfte, ehe er die Klinke betätigte.

„Haha“, gab Jess zurück. „Das war nur oberflächlich vernünftig von ihm! Ich vermute, er hat mich nur davon abgehalten, das Mädchen umzubringen, weil er sie gerne hat. Ich verwette mein neues Haus darauf, dass er sie früher oder später verwandeln wird… Lieber später… Ich habe ihn gebeten, es in nächster Zeit nicht zu tun. Immerhin würde er ihr damit gerade wirklich keinen Gefallen tun. Streng genommen, würde er sie damit gleichzeitig auch auf die Abschussliste setzen…“, fügte sie ernst hinzu und schloss die Augen.
„Auf jeden Fall ist das noch nicht das Ende der Geschichte. Sie wird hinter dem Tresen, an der Bar anfangen. Im Scarlet. Ich habe sie quasi eingestellt. Natürlich weiß ich, dass das ziemlich riskant ist… Ich werde sie genau im Auge behalten.“ Und ihr schlechtes Gewissen somit befreien, dass sie das Mädchen beinahe umgebracht hat. Nicht, dass sie noch nie jemanden einfach so umgebracht hätte, aber in den letzten 150 Jahren hatte sie sich damit ziemlich zurückgenommen.

„Perfektes Timing“, raunte Rubina, die sich lächelnd zur Tür umgedreht hatte, als diese aufging. Sie ging auf Jael zu, ließ ihn eintreten und schloss hinter ihm die Tür. Noch war sie barfuß, doch ihre Stilettos lag bereits am Tisch, damit sie gleich hinein schlüpfen konnte.
Rubina legte eine Hand an seine Schulter, streckte sich und gab Jael einen kurzen, doch sehr liebevollen Kuss, ehe sie ihm das Essen abnahm. „Meinst du, es ist okay, wenn ich hier esse? Ich meine, theoretisch könnte ich es ja auch unterwegs, dann wären wir schneller unten, aber… So wäre es irgendwie gemütlicher“, raunte sie und sah fragend zu ihm. „Hast Charles eigentlich schon was gegessen?“

"Das klingt mehr nach dir", sagte Casey leise. Die fragende Stille zog sich ein wenig in die Länge, weswegen er wusste, dass er das wohl erklären musste. "Sie vor Damion schützen zu wollen und gleichzeitig auch davor, was irgendwann mal deswegen auf sie zukommen könnte, das klingt mehr nach dir, als sie einfach gedankenlos Umzubringen. Damion macht sich zu wenig Gedanken, dafür sorgst du dafür, dass niemand darunter leidet. Ich hoffe, dass sie dir keine Probleme da hinter dem Tresen macht. Scheint als hättest du schon einen ereignissreichen Abend gehabt."

Der Kuss kam nicht wirklich überraschend und doch hatte Jael das Gefühl sich nie daran zu gewöhnen. Er wollte es auch gar nicht, jeder ihrer Küsse war ein kleines Geschenk. "Sicher, sonst hätte ich es ja nicht hierher bringen müssen", antwortete er mit einem kleinen Schmunzeln. Im Gehen essen war sowieso ein Unding und sie hatten genug Zeit um ihre Ruhe dabei halten zu können. Und wieder überraschte sie ihn mit ihrer Sorge um andere. Er blinzelte leicht. "Ich weiß es nicht", gab er zerknirscht zu. Er wollte lieber auch nicht daran denken, welche Mahlzeit er sich mit Cassandre geteilt haben könnte. Er wusste, dass andere Leute offener und vorbehaltsloser von einander tranken, dass Charles und Cassandre das gemacht haben könnten, wollte er sich lieber nicht vorstellen. "Sollten wir zu ihm gehen und ihm auch etwas bringen?"

„Ja… Mal schauen, ob ich es bereuen werde, oder nicht. Nur…“ Jess schnaubte und legte mit einem schiefen Lächeln ihre Hand über die Augen. „Sie tat mir leid. Das Mädchen lebt auf der Straße. Naja, vielleicht schnorrt sie sich auch von Bett zu Bett, von Kerl zu Kerl. Aber, was ich meine ist, dass sie kein Zuhause hat. Und sie ist so jung… Und ganz offensichtlich hat sie kein Händchen dafür, die richtigen Gebäude zum Einbrechen zu finden“
Und weil sie so ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie sie am liebsten leer getrunken hätte, hatte sie ihr das gegeben, was sie eben nicht hatte, aber vermutlich dringend brauchte: Ein Zuhause, gut, fürs erste nur ein Dach überm Kopf, und eben einen Job und mit dem würde sie auch Geld bekommen.
„Ja, der Abend war ziemlich ereignisreich…“ Jess zog ihre Hand wieder von ihren Augen und blickte neben sich aufs Bett. Für einen Augenblick stellte sie sich vor, wie Casey neben ihr liegen und sie mit einem seiner Undschuldslächeln ansehen würde, kurz bevor er ein Kissen nach ihr werfen würde.
„Du weißt doch bestimmt, dass die hier an Weihnachten so einen riesen Etepetete-Ball veranstalten. Meinst du, du verirrst dich rein zufällig an dem Abend hierher?“

„Hm… Wir könnten ihn fragen. Bevor wir zu ihm gehen“, schlug Rubina vor, die kurz hungrig auf ihr Glas hinunterblickte und dieses dann beiseitestellte, um ihr Handy zu zücken. Sie schrieb Charles eine Nachricht, in der sie ihn fragte, ob er schon etwas gegessen hätte und ob sie ihm etwas vorbeibringen sollten. „Wenn er in ein paar Minuten nicht antwortet, kann ich gerne auch noch anrufen“, schlug sie vor, legte das Handy beiseite und nahm dann endlich einen Schluck von ihrem Glas. Genießend lächelte sie und nahm dann noch einen Schluck, während sie Platz nahm, nachdem sie Jael mit einer Handbewegung den Stuhl gegenüber angeboten hatte.
„Also…“ Rubina hielt das Glas in der Hand, „Charles… habe ich das richtig verstanden? Er und Cassandre hatten… Läuft da was zwischen den beiden?“, fragte sie neugierig, als ihr Handy kurz darauf auch schon surrte. „Er hat schon gegessen“, sagte Ruby, nachdem sie die SMS kurz gelegen hatte.

Casey sparte es sich Jess sanft darauf hinzuweisen, dass jeder Mensch neben ihnen jung war. Er verkniff es sich auch, sie darauf hinzuweisen, was für ein gutes Herz sie hatte. Es kam ihm falsch vor sie für etwas zu loben, von dem er selbst so schamlos gebrauch gemacht hatte. Ob Jess es jetzt zugab oder nicht, sie hatte ein Herz für Streuner. "Ja, weiß ich", erwiderte er schließlich zögerlich, unsicher was er antworten sollte. Wenn Brida mich bis dahin nicht umgebracht hat, schien ihm nicht angebracht. Auch wenn es wahr war. Wobei es vermutlich dann weniger wahrscheinlich war, wenn sie ihn bis dahin nicht angegriffen hatte wartete sie vielleicht nur auf eine Möglichkeit wie diese. "Ich weiß es ehrlich nicht. Meist halte ich mich weg", sagte er zögerlich. Ihre Überredungskünste kannte er, weswegen er schon jetzt fieberhaft nach Ausreden suchte.

Auf ihre Aufforderung hin nahm er auf dem Stuhl platz, nachdem sie sich gesetzt hatte. Die eingehende Nachricht auf ihre Handy verschob die Notwendigkeit zu Antworten ein wenig nach hinten und er konnte den Moment noch ein wenig hinauszügern, indem er etwas trank. Das schlechte Gewissen war dadurch quasi vorprogramiert, aber es gab ihm die Zeit zu überlegen was er überhaupt sagen konnten. "Nun", sagte er zögerlich und räusperte sich, während er das Glas langsam in den Händen drehte. "Ja, sie hatten.. Etwas. In wie weit da etwas zwischen ihnen läuft wage ich nicht zu vermuten. Er scheint.. Es geht ihm scheinbar besser."

Einerseits würde Jess nichts lieber tun, als alles Mögliche zu versuchen, um den Älteren zu überzeugen, doch andererseits… Mit gemischten Gefühlen dachte sie an die Kongresstage nach. Er war ihretwegen mitgekommen. Alleine wäre er da nie im Leben hin. Und wie war das ganze ausgegangen? Nicht gut. Gar nicht gut. Im Nachhinein hätte er sich sicherlich gewünscht, nicht mitgekommen zu sein. Was, wenn dieses Mal wieder so etwas passieren würde und sie würde ihm den Abend vermiesen? Jess sah geknickt zur Decke und stützte sich dann auf ihrem Unterarm etwas auf. „Sowas ist nicht dein Ding, ich weiß. Ich dachte nur,… Nun, dann wohl nicht“, sagte Jess und setzte sich auf. „Ich werde dir dann von allem erzählen“ Sie stand vom Bett auf, schlüpfte aus ihren Schuhen und aus ihrem Mantel, den sie noch immer trug.
‚Ich nehme an, du hast noch nichts von Brida gehört… Was wenn wir sie wirklich zu Unrecht beschuldigen? Vielleicht ist sie in diesem Augenblick danach, Beweise zu finden, die für ihre Unschuld sprechen? Oder eben dabei ist, den wahren Schuldigen zu finden?‘ Das war zumindest das, was Jess gerne gesagt hatte, aber nicht davon kam letztendlich über ihre Lippen. Wahrscheinlich würde Damion schon auf sie warten, vielleicht sogar jeden Augenblick hier auftauchen, da sollte sie nicht schon wieder so ein Thema vom Zaun brechen.
„Ich befürchte, ich muss dann auch schon wieder auflegen. Das nächste Mal ruf ich dich wieder auf deinem Handy an. Also reiß dich zusammen und donner es nicht wieder gegen die nächste Wand! Diese neuen Handys können ohnehin nichts mehr ab, da reicht es, wenn man sie nur schief ansieht“, raunte sie und bemühte sich so munter wie möglich zu klingen.

„Ja, den Eindruck hatte ich auch…“, antwortete Rubina, wobei zunächst offenblieb, worauf sie sich genau bezog, was sie allerdings eher unbewusst war. Als ihr das auffiel, korrigierte sie sich schnell. „Ich meine, dass es ihm besser geht. Das ist gut… Und vielleicht ist es ja dann nicht so…schlecht? Wenn es ihm dadurch wirklich besser geht. Vielleicht hilft ihm das und er findet dadurch jemand oder etwas uhm…das besser zu ihm passt, als Cassandre“, fuhr sie fort und nahm noch ein, zwei Schlucke. Charles und Cassandre. Ein seltsamer Misch, der sich garantiert nur auf Sex beschränkte. Aber Sex konnte durchaus etwas sein, dass einen… Das einem ‚Lebensgeister‘ einhauchte, vollendete Rubina den Gedanken und nahm noch einen großen Schluck aus ihrem Glas.
„Wie lange kennt ihr euch eigentlich schon? Du und Charles?“

Die Enttäuschung in Jess Stimme war fast genug um ihn dazu zu bringen seine Meinung zu ändern. Aber nur fast. Mit dem schlechten Gewissen konnte er leben, Brida zeigen, dass sie ihm wichtig war, das war eine andere Sache. Wenn es Brida war, die hinter Damions Kindern her war, dann musste er ihr nicht noch ein Kreuz mehr auf den Rücken malen, nur weil er seine Klappe nicht hatte halten können. Er seufzte und stoppte sich einen Moment zu spät. Sicher hatte Jess ihn jetzt gehört, daran ließ sich nichts ändern. Er wurde zu alt, er machte Fehler, als wäre er ein Frischling. "Nein, keine Flugstunden für dieses Telefon", versprach er ihr. Vielleicht verband sie sein Seufzen ja mit dem gesagten. Sollte er Brida noch einmal anrufen, hoffte er, dass irgendjemand da war um ihn direkt umzubringen, womit er sein Telefon wirklich nicht mehr durch die Gegend werfen könnte. "Stell nichts Dummes an", riet er ihr immerhin halbernst. Schließlich war Damion bei ihr, der stellte viel zu oft Dummes an. Und sie sollte seine Fehler nicht widerholen, obwohl er sich da nicht unbedingt Sorgen machte.

Es schockierte Jael doch ein bisschen, wie selbstverständlich es für Rubina war, dass Charles und Cassandre nur Sex hatten. Die Jahrhunderte wandelten sich zu schnell. "Oh, hundert Jahre bestimmt schon. Er war ist noch nicht so lange in London. Nach unseren Maßstäben. Bevor er herkam war er lange in Europa unterwegs", antwortete er nach einem Moment in dem er überlegt hatte. Ob er wirklich die korrekte Zeitspanne genannt hatte war ihm nicht so klar. Es konnten auch gut 20-50 Jahre in beide Richtungen abweichen. "Hast du eigentlich Freunde unter den Vampiren? Wirkliche Freunde meine ich?", setzte er als Frage hinterher, weil es ihm plötzlich Sorgen bereitete, dass sie vollkommen alleine darstehen könnte.

Natürlich hörte Jesaiah wie der Ältere auf der anderen Seite der Leitung seufzte, doch ordnete sie dieses Seufzen ganz anders sein. Sie nahm an, dass ihm es lästig war, dass sie ihn überhaupt zu solchen Veranstaltungen überreden wollte. Vor allem, nachdem die letzte so ein Reinfall gewesen war. Daher beschloss sie auch für sich im Stillen, ihn lieber nicht mehr deswegen zu fragen, auch wenn sie ihn gerne dabei gehabt hätte. Sehr gerne.
Über sein Versprechen bezüglich seines neuen Handys lächelte sie matt und nickte, wenngleich er das gar nicht sehen konnte. „Gut“, sagte sie daher, ehe sie fortfuhr. „Ich gebe mir Mühe. Stell du aber auch nichts Dummes an. Auch wenn man meinen könnte, dass dir so etwas in deinem Alter nicht mehr passiert“, sagte sie scherzhaft und unterdrückte selbst ein Seufzen. „Dann…machs gut. Man hört sich“

Rubina nickte knapp, während Jael ihr von sich und Charles erzählte. Hundert Jahre. Verrückt. Dass die beiden schon so lange hier waren, wenngleich auch mit der einen oder anderen Unterbrechung. Und wer wusste schon, wie viele Jahre noch folgen würden. Vollkommen in Gedanken, sah Rubina erstaunt auf, als Jael ihr die Frage stellte und blinzelte.
„Hm. Ich würde sagen, ich bin mit Jess befreundet…“ Auch wenn sie das Gefühl gehabt hatte, dass diese sie irgendwie mied. Zumindest hatte sie sich kein einziges Mal gemeldet, bevor sie vor ein, zwei Wochen hier wieder aufgekreuzt war und das mit Damion angefangen hatte. „Und dann wäre da noch Charles…“ Okay, das war eine ziemlich mickrige Aufzählung, allerdings, zu ihrer Verteidigung, wohnte sich im Clanshaus erst seit sehr kurzer Zeit. Da war sie eben noch nicht so dazu gekommen, sich mit anderen anzufreunden. Schließlich arbeitete sie ja auch und die Freizeit, die ihr blieb, die verbrachte sie lieber mit Jael. Und auf ihrer Arbeit waren nur Menschen.

Das waren ziemlich wenig Personen, das fiel sogar Jael auf. "Hast du denn in Amerika niemanden näher kennengelernt?", fragte er etwas erschrocken. Was für ein Leben hatte sie geführt? Dass es nicht schön gewesen war, das wusste er, aber dass sie sich wohl von allen weggehalten hatte, das hatte er nicht gewusst. Es mussten ziemlich einsame Jahre gewesen sein. "Rubina, schränkt dich etwas ein? Fehlt dir etwas? Nur weil wir Vampire sind, heißt es nicht, dass wir abgeschieden von allen Leben müssen", hakte er behutsam nach.

Hätte sie mal lieber nicht gefragt, wie lange Jael und Charles sich schon kannten, dann wäre er erst gar nicht auf diese Frage gekommen. Rubina seufzte und überlegte dieses Mal sehr genau, was sie antworten würde. „Ich war die meiste Zeit unter Menschen, ehrlich gesagt… Und natürlich hatte ich mich mit ein paar angefreundet, aber… Naja… Das ist jetzt schon wieder etwas her und es würde wohl auffallen, dass ich nach zehn Jahren noch immer so aussehe, wie ich eben aussehe. Daher habe ich da den Kontakt abgebrochen. Die Vampire dort waren mehr so..flüchtige Bekanntschaften“, fuhr sie fort und zuckte mit den Schultern. Mit einem Lächeln drückte sie seinen Arm. „Mir fehlt nichts und es schränkt mich auch nichts ein. Ich war einfach viele Jahre mit dem Studium, Lernen und Arbeiten beschäftigt gewesen. Und seit ich hier bin, habe ich meine Zeit einfach lieber mit dir verbracht. Woran sich übrigens nichts geändert hat – ich verbringe meine Zeit nach wie vor am liebsten mit dir“, ließ sie ihn schmunzelnd wissen.
„Ich bin nicht einsam, falls du das denkst. Ich brauche nur einfach… etwas mehr Zeit“