Vampire-Das RPG III

Jael lachte leise und wollte gerade etwas erwidern, als ihm etwas kleines aber sehr wichtiges einfiel. Stöhnend ließ er den Kopf auf die Tischplatte sinken.
"Ich weiß nicht mal, was Thomas mit seiner Beute gemacht hat", murmelte er der Tischplatte zu und hätte sich am liebsten selbst den Hals dafür umgedreht. Wenn ein Vampir eines nicht durfte, dann war es schlampig hinter sich aufräumen. Und er hatte keine Ahnung, ob Thomas wusste, wie man richtig hinter sich aufräumte.

Matthews Lächeln fror leicht ein, bevor er den Kopf schüttelte und Jael erneut auf die Schulter klopfte. "Ich kann Maryam bitten, die Polizeitberichte durchzusehen. Ein ziemlich talentierter...ich glaube, das Wort ist Hacker...hat es geschafft, dass von allen eingehenden Benachrichtigungen bezüglich aufgefundener Toter auf einen Computer eine Kopie gespeichert wird. Dort können Sie auch einsehen, in welche Leichenschauhäuser die Toten gebracht werden."
Er räusperte sich leicht. "Ich muss Ihnen allerdings sagen, dass das Ganze noch in der Testphase ist. Alternativ kann ich Ihnen anbieten, unsere "Spitzel" in den verschiedenen Leichenschauhäusern anzurufen und sich nach Toten mit ungeklärter Todesursache zu erkundigen."

"Das wäre... hilfreich", sagte Jael und setzte sich wieder gerade hin. "Es tut mir Leid", fügte er entschuldigend hinzu und schüttelte über sich selbst den Kopf. "Ich weiß nicht, wo ich gestern in Gedanken war. Es wird nicht wieder vorkommen."

"Ich verzeihe Ihnen!", erwiderte Matthew und lächelte Jael zu, "und ich bin mir sicher, dass es nie wieder vorkommen wird. Ich weiß, wie aufmerksam und gewissenhaft Sie für gewöhnlich sind. Und letzendlich sind wir alle nur Menschen."
Das Lächeln verwandelte sich in ein verschmitztes Grinsen. "Zumindest irgendwo ganz tief drinnen!"

Tief in Gedanken versunken lief Liane immer weiter. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war, noch wusste sie, wohin sie gehen wollte. Darüber machte sie sich in diesem Moment keine Gedanken. Nein, ihre Gedanken hingen vielmehr an ihrer Vergangenheit. Seit fünf Jahren hatte sie schon nicht mehr an diese gedacht und nun? Eindrücke, Gefühle und Bilder aus dieser Zeit strömten auf sie ein, vor allem in der Zeit vor 253 Jahren. Sie wusste noch genau, wie es angefangen hatte, ihre Qual und genau, wie sie geendet hatte - und damit auch fast ihr zweites Leben. Sie hatte ihrem Retter nie danken können...
Resigniert seufzend bog sie nach Rechts und... erstarrte. Da war es wieder. Das riesige Haus, das so sehr nach ihren Artgenossen roch, so fremd und doch vertraut.
Vorsichtig näherte sie sich dem Anwesen, immer bereit wegzulaufen.

"Zu Gütig", gab Jael mit einem Schmunzeln zurück, nachdem er sich von dem Schrecken erholt hatte, dass Matthew ihn tatsächlich gerade verarscht hatte.
"Ich denke mal, meine erste Aufgabe wird heute sein Thomas zu fragen, was er mit seinem Opfer gemacht hat und danach werde ich den beiden wohl oder übel zeigen, wie sie es richtig machen."

"Tun Sie das!", erwiderte Matthew schmunzelnd, bevor er Jaels leeres Glas ebenfalls ausspülte und ins Waschbecken stellte, "wäre es eventuell möglich, sich an der Jag zu beteiligen? Ich muss zugeben, seit Natasha geboren wurde bin ich so gut sie gar nicht zum jagen gekommen."
Er fuhr sich kurz durch die halblangen, braunen Haare. "Außerdem kenne ich die besten, nun ja, nennen wir es salopp Jagdreviere."

"Mit Freuden", lachte Jael.
"Das wird Amandas Temperament hoffentlich einen argen Dämpfer versetzen. Und den hat sie nötig, wenn sie was lernen soll", sagte er und schmunzelte. Die Idee gefiel ihm immer besser, je mehr er drüber nachdachte. Schlimmer für Amanda wäre wahrscheinlich nur, wenn Maryam mitkommen würde.

Matthew lachte. "Wissen Sie", sagte er in verschwörerischem Ton hinzu, "die Hälfte meines Rufes in dieser Stadt beruht auf schlechten ersten Eindrücken."
Erneut war sein kehliges Lachen zu hören. "Was die andere Hälfte angeht...nun ja, ein Ruf will beizeiten auch verteidigt werden!"

Schließlich stand sie vor dem großen Tor aus Stahl und spähte durch die Gitterstäbe. Der Geruch wurde immer intensiver, sie konnte ihn beinahe schmecken. Etwas lag in der Luft...
Nun siegte doch die Neugier und sie drückte leicht gegen das Tor. Es war verschlossen. Resigniert seufzte Liane auf. Immer diese Gewissenhaftigkeit.

"Einen Moment bitte!"
Matthew hob kurz die Hand, während er aufmerksam lauschte. Er war sich nicht sicher, meinte aber, das Geräusch von knirschendem Kies gehört zu haben.
"Ich glaube, es ist jemand draußen!", sagte er gedämpft an Jael gewandt, "aber nicht vorne, ich glaube, die Person ist hinten dem Haus!"
Er wandte sich zur Tür und bedeutete Jael mit einer Handbewegung, ihm zu folgen.

Emlyn hatte sich in der Zwischenzeit angezogen und ging nun langsam die Treppe hinab, die zur Eingangshalle führte. Sie war noch immer fasziniert davon, wie viel sie sah. Wie viele Leute hatten schon die Struktur dieser tapete bewundert oder fasziniert den dicken Teppichboden betrachtet?
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen stieg sie eine weitere Stufe hinab, während ihre rechte Hand über das lackierte Holzgeländer strich.

Jael stutzte, folgte Matthew aber. Es erstaunte ihn immer wieder, wie gut dessen Gehör war. Er hatte nicht den leisesten Mucks vernommen. Als Matthew die Tür nach draußen öffnete stieg ihm ein bekannter Duft in die Nase. Zum Glück hatte sie ihren Menschen nicht dabei.

"Wo warst du gestern? Ich hab mir die verdammten Füße in den Bauch gestanden und die Leute haben mich angeguckt, als hätte mein Lover mich sitzen lassen. Nach ZWEI Stunden hab ich ihnen fast geglaubt!"
Thomas zuckte zusammen, als Noah ihn in den Schwitzkasten nahm, um ihm wie früher mit der Faust über den Kopf zu reiben. Panisch versteifte er sich, aus Angst, er könnte Noah mit einer unbedachten Bewegung verletzten. Als sich der Geruch seines alten Freundes fast schmerzhaft in seine Sinne brannte und sein Kiefer sich so schmerzhaft versteifte, dass Thomas seinem Instinkt nur noch nachgeben wollte, fauchte er warnend, wandt sich mit Leichtigkeit aus Noahs Griff und nahm ein paar Meter Abstand.
Doch Noah schien noch immer unbeeindruckt und grinste Thomas an.
"Ich würde direkt mal sagen: der Tod steht dir gut!"

Liane runzelte die Stirn. Mit so vielen Gerüchen auf einmal konfrontiert zu werden war neu für sie. Was sollte sie jetzt tun? Irrte sie sich, oder kamen zwei der Gerüche näher? Nein, sie irrte sich nicht.
Gerade, als sie die Flucht ergreifen wollte, erkannte sie den Geruch von Jael O’Coileáin und hielt inne. Er würde ihr vielleicht nichts tun. Aber wer war der andere Vampir? Nervös trat sie von einem Bein auf das andere und haderte mit sich selbst, ob sie nun stehen bleiben oder weglaufen sollte.

"Bleiben Sie stehen!", rief Matthew in die Dunkelheit hinaus, während er sicheren Schrittes erst den Garten durchquerte, bevor er zu dem Kiesrand und damit zum Zaun kam.
"Sind Sie die Dame, von der mir Mr. O’Coileáin erzählt hat?", fragte er mit einem höflichen Lächeln, während er ihr durch die Gitterstäbe die Hand reichte.
"Oder anders gefragt: Jael, ist dies die reizende junge Lady, mit der Sie gestern zu tun hatten?"

"Sowohl als auch", schmunzelte Jael und deutete eine Verbeugung in Lianes Richtung an. "Miss van Dalkess, ich hoffe Sie sind gestern gut zu Ihrem Unerschlupf gekommen", erkundigte er sich höflich.

"Das geht so nicht, Noah", brachte Thomas zwischen zusammengepressten Lippen heraus, während er neben Noah durch die erleuchtete Straße ging und sich darauf konzentrierte nicht zu atmen. Allerdings war das leichter gesagt als getan und er fragte sich, ob er sich irgendwann darauf könzentrieren musste überhaupt zu atmen.
"Ich sag doch, es ist nur eine Pause... meine Eltern werden das gar nicht erfahren... echt, sogar nach dem Tod bist du noch eine Moralapostel, was für ein Monster willst du denn bitte sein?" Grinsend drehte sich Noah zu seinem brüderlichen Kumpel um, nachdem er gerade erzählt hatte, dass nach dem Verschwinden von Thomas und Amanda sein Footballstipendium aufgegeben hatte, um die beiden zu suchen - um Thomas einen Arschtriit zu geben, wie er behauptete. In Wahrheit hatte er sich wirklich Sorgen gemacht und nicht einen Tag daran geglaubt, dass die beiden durchgebrannt waren. Er kannte Thomas so gut wie sich selbst und er war durch und durch anständig.
"Du weißt genau was ich mein. Ich... Amanda hat gemerkt, das was nicht stimmt und Jael hat mich auch so komisch angeguckt und ich musste lügen und sagen, dass ich jagen war!!", platzte es aus Thomas heraus und aus reiner Gewohnheit jappste er nach Luft, was dazu führte, dass er sich wieder einer massiven Kontrollprüfung unterzog.
Noah lachte schallend, offensichtlich immernoch unbeeindruckt über Thomas' Konflikt.
"Verdammt, und du lügst so verdammt schlecht, dein linkes Auge zuckt dann immer, als würdest du gleich einen verdammten Schlaganfall bekommen!"

Erschrocken zuckte Liane zurück, doch als sie Jaels freundliche Stimme vernahm beruhigte sie sich ein wenig. Prüfend und auch ein wenig neugierig musterte sie den anderen Vampir. Vorsichtig streckte sie die Hand aus und reichte sie dem Fremden. "Liane van Dalkess, sehr erfreut.", sagte sie mit ihrer Glöckchenstimme und schon im nächsten Moment zuckte ihre Hand zurück. "Mr. O’Coileáin.", nickte sie Jael zu. "Ich habe ihn sofort gefunden, danke der Nachfrage." Sie war immer noch auf der Hut, deshalb hörten sich ihre Worte vielleicht ein wenig steif an, doch sie meinte es ernst. Sie freute sich, Jael wieder getroffen zu haben.

"Wie unhöflich, mich nicht vorszustellen!", sagte Matthew, der trotz Lianes weggezogener Hand einen Handkuss andeutete, "Miss van Dalkess, mein Name ist Matthew Murdoch."
Er schenkte ihr ein charmantes Lächeln. "Darf ich vielleicht anbieten, dass wir dieses Gespräch im Haus fortsetzen? Durch den Zaun gesprochen wirkt ein Dialog immer so erzwungen!"

Liane musterte Metthew von oben bis unten eingehend und beschloss dann, es zu versuchen. Was hatte sie schon zu verlieren? Mit einem beinahe zähnefletschenden Lächeln nickte sie, ihr Verhalten hatte sich von Jetzt auf Gleich radikal verändert.
"Gern.", antwortete sie ebenso höflich. "Solange es sich nicht um kleine Räumlichkeiten ohne Fenster handelt, bin ich nicht abgeneigt diesem Angebot nachzukommen."

Jael entschuldigte sich gedämpft bei Matthew. Wo hatte er seine Gedanken eigentlich im Moment? Wahrscheinlich überall nur nicht da wo sie hingehörten. Verwundert sah er Liane an, als sie sagte, wo sie lieber nicht reden würde. Es kam ihm reichlich merkwürdig vor, dass sie kleine Räume ohne Fenster mied, aber sie würde wohl schon einen Grund dafür haben. Er warf einen Blick an der Fassade des Gebäudes hinauf, nun, Räume mit Fenstern gab es auf jedenfalls genug. Sie mussten ja nicht unbedingt im Keller reden, was auf Liane wohl auch einen leicht falsch zu verstehenden Eindruck hätte machen können.

"Ich empfange Gäste für gewöhnlich nicht im meinem Keller!", erwiderte Matthew mit einem amüsierten Schmunzeln, während sich das Licht der nahestehenden Straßenlaterne in seiner Sonnenbrille spiegelte.
"Ich kann Ihnen anbieten, dass sie entweder um das Grundstück herumgehen, oder aber Sie klettern über den Zaun. Es wurde leider nie ein Tor eingebaut."

Liane lächelte leicht. "Ich ziehe es vor, den direkten Weg zu nehmen.", sagte sie und schon im nächsten Moment erwachte ihr Körper aus der förmlichen, geraden Haltung und sie ging in die Knie. Kurz peilte die das obere Ende des Zauns an, dann sprang sie. Mit den Händen griff sie gerade noch rechtzeitig nach dem Zaun und überwand ihn mit einem mehr oder weniger eleganten Handstandüberschlag. Als sie zwei Meter vor den beiden Männern landete ging sie kurz in die Knie und balancierte für einen winzigen Moment, dann richtete sie sich wieder auf und stand wieder gerade da. "Das war knapp.", sagte sie leichthin und klopfte sich die Jacke wieder gerade. Ein amüsiertes Glitzern huschte durch ihre Augen.

Jael konnte nicht anders, als ein wenig über Liane zu staunen. Nicht, dass sie über den Zaun gesprungen war, dass war zwar auf seine Art und Weise beeindruckend gewesen, aber für ein Vampir ihres Alters nichts wirklich außergewöhnliches. Nein, ihn erstaunte viel mehr, dass sie einerseits so scheu war, auf der anderen Seite aber ohne zu zögern in vollkommen unbekannte Situationen lief. Natürlich war sie hier unter Vampiren, da würde ihr nichts passieren, aber ein wenig komisch war sie schon. Vielleicht lag das an ihrem jung gebliebenen Wesen.

Matthew nickte höflich lächelnd mit dem Kopf und streckte dann den rechten Arm aus. "Wenn Sie mir bitte folgen würden!", sagte er und ging dann sicheren Schrittes durch den Baum- und Strauchreichen Garten.
Menschen kam nie darauf, dass er blind war, und auch die meisten Vampire merkten es nicht. Nun ja, im Grunde konnte er ja auch sehen. Nur eben mit den Ohren.
"Hier wären wir!", sagte er schließlich und hielt Liana und Jael die große Eigangstür auf, "willkommen im Superior-Haupthaus!"