Vampire-Das RPG IV

Für einen tadelnden Blick war Casey zu fertig. Vermutlich hätte das Runzeln der Stirn auch nur Kopfschmerzen bereitet. Selbst den Vorschlag sie könnte ihn ja unter die Dusche begleiten verwarf er, ehe er ihn auch nur fertig gedacht hatte. Keine Energie um das umzusetzen. Also lief er alleine in das Bad. Wo ihm einfiel, das frische Kleidung vielleicht auch eine gute Idee wären. Kaum hatte er die Tür also hinter sich geschlossen, öffnete er sie wieder und ging zurück ins Schlafzimmer. Selbst der Weg war ihm schon fast zu viel gewesen, weswegen er recht froh war, als er endlich endgültig im Bad war. Da fiel ihm dann auch auf, dass er ziemlich dringend aufs Klo musste. Danach ging es ihm schon deutlich besser. Und als er zwanzig Minuten später wieder aus dem Bad trat, fühlte er sich schon fast wieder wie ein Mensch. "'Tschuldige. Ich bin heute nicht der schnellste. Dafür gehts dem Kopf jetzt besser. Bist du eigentlich wegen mir wach geblieben?", fragte er und gab Jess einen Kuss auf die Wange, ehe er nach dem Teller griff um sich etwas vom Ei zu nehmen.

Das erklärte natürlich einiges. Wenn er ne Stunde früher wach gewesen wäre, dann ginge es ihm jetzt sicherlich auch besser, dachte Jack seufzend. Und dann dachte er, dass es ihm eine Stunde früher aber sicher auch noch schlechter gegangen war. Als Hector ihm sagte, dass er nur eine Stunde hatte, überraschte ihn das nicht einmal sonderlich. "Oh, sicher. Ich beeil mich. Katzenwäsche und so", versprach er und grinste dann leicht. "Ehrlich gesagt hab ich geschlafen wie ein Stein, wenn du mich auf dem Boden ausquatierst hättest ginge es mir sicherlich genauso gut. Also, ja das Sofa war gut", sagte er und dachte bei sich, dass er es nochmal nüchtern ausprobieren musste um zu wissen, ob es auch wirklich bequem war. Und woher kam dieser Gedanke jetzt?!

Jess hatte das Essen vom Herd genommen und einen Deckel darauf gemacht, damit es noch etwas warm war, als Casey fertig war. Sie räumte alles auf den Tisch und nahm dann wieder Platz. Den Laptop fuhr sie herunter, legte ihn beiseite und nippte an ihrem Glas mit Blut. Es dauerte dann noch ein paar Minuten, aber schließlich kam Casey aus dem Badezimmer heraus. Lächelnd sah sie zur Tür, in der er wenig später auftauchte. Er kam zu ihr hinüber und gab ihr einen Kuss auf die Wange, woraufhin ihr ganz warm wurde. „Schon okay. Und ich bin froh, dass es deinem Kopf schon besser geht. Nach dem Essen wird es bestimmt noch besser“, sagte sie schmunzelnd und zwinkerte ihm zu. „Naja, so spät ist ja noch nicht… aber ja. Ich dachte mir schon, dass du einen Kater haben wirst und wollte es dir heute früh so leicht wie möglich machen“ Jesaiah lächelte ihn warm an und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. „Nach dem Frühstück werde ich dann aber wohl doch langsam ins Bett kriechen. Ah, könntest du Sun Lee vielleicht nachher schreiben? Oder sie anrufen? Ich hatte vergessen, ihr gestern noch von deinem erfolgreichen Abschluss Bescheid zu geben. Und sie freut sich bestimmt über die Neuigkeit“

Hector nickte dankbar und war froh, dass Jack scheinbar so verständnisvoll war, zumindest kamen keine Wiederworte oder ähnliches. Er versicherte ihm sogar, dass er sich beeilen würde. Einerseits war Hector deswegen erleichtert, aber andererseits… Nein. Kein andererseits. Besser, es blieb beim ‚Erleichtertsein‘. „Wirklich? Das freut mich. Abgesehen von mir hat auf dem Sofa noch niemand geschlafen. Also, naja, du jetzt auch“, raunte Hector und fuhr sich mit einer Hand über den Nacken.
„Ist aber gut zu wissen. Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, dass ich dir nicht mein Bett angeboten habe…“, sagte er und lächelte ihn entschuldigend an.
Er nahm die Hand von seinem Nacken und ging zum Kühlschrank hinüber. „Wie sieht es aus. Willst du duschen gehen und ich mache Frühstück? Hast du Lust auf Rührei mit Speck, Würstchen und Baked Beans? Toastbrot habe ich auch noch da… Oder…bist du Vegetarier?“

"Du bist ein Schatz", sagte Casey in die Pfanne hinein und drehte sich dann etwas verspätet mit einem Lächeln zu ihr um. "Du musst auch nicht warten, wenn du müde bist. Frühstücken schaff ich vermutlich noch alleine." Den Teller stellte er auf den Tisch und nahm dann das Glas um sich aus dem Kühlschrank etwas Saft zu holen und einzuschenken. Damit setzte er sich dann zu Jess an den Tisch und stützte seine Füße gegen ihren Stuhl. "Sun Lee haben wir wohl beide vergessen. Ich werde sie nach dem Frühstück anrufen, dann ist sie hoffentlich auch schon wach."

Jack nippte an dem Wasserglas, während er Hector zuhörte und dachte bei sich, dass Übernachtungsgäste sicherlich auch nicht auf Hectors Couch schlafen wollten. Zumindest nicht die, die er aus irgendwelchen Clubs mit nahm. Als dann auch schon das Thema von ihm auf das Bett geleitet wurde, verschluckte Jack sich. "Gott. Nein", widersprach er, als er nicht mehr hustete. "Es ist dein Bett und ich hab mich ja quasi aufgedrängt", fuhr er hastig fort und fand sich ziemlich peinlich. Weswegen er auch schon aufstand und in Richtung des Flures den Rückzug antrat. "Guter Vorschlag. Ich geh dann schnell duschen.. Und.. nein, kein Vegetarier. Mach dir nur nicht zu viel Mühe." Kaum war er zur Tür raus rollte er über sich selbst die Augen. Was zum Teufel war da bloß los mit ihm? Das konnte doch nicht nur der Kater sein..

Jesaiah schüttelte den Kopf, langte dann noch einmal nach ihrem Glas und trank den letzten Schluck Blut. „Ich weiß, dass du auch ohne mich essen kannst. Und ich sitze auch nicht hier, um dir auf die Finger zu schauen. Ich mag es einfach, wenn wir noch ein bisschen reden können. Oder einfach zusammensitzen. Bevor ich mich hinlege.“ Und warten muss, bis sie wieder etwas Zeit für einander hatten, dachte Jess und lächelte ihn schon beinahe etwas verschämt an. Wenn sie noch nicht mehr den gleichen Tagesablauf hatten, dann wollte sie wenigstens so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen. Ohne ihn zu erdrücken. Einfach… seine Gesellschaft genießen.
Jess räusperte sich, stellte das Glas beiseite und griff das andere Thema wieder auf.
„Mach das und grüß Sun Lee von mir. Und sie wird bestimmt schon wach sein. Ich nehme zumindest an, dass sie nicht wegen eines Katers länger im Bett lag…“

„Ich? Nein, nein“, antwortete Hector lachend und winkte ab. Gleich darauf war Jack auch schon aus der Küche und er allein. Seufzend ließ er den Kopf hängen. Wenn der andere wüsste… Mühe. Ha! Wahrscheinlich würde Jack ihn für verrückt erklären, dass er seinetwegen heute früh schon einkaufen gewesen war. Hector holte die Eier heraus, die Würsten und den Speck und machte sich an die Arbeit. Er hatte gelegentlich ein paar Koch-Shows angesehen und wusste, wie man was zubereiten musste. Nur das würzen bzw. das salzen… das überließ er lieber Jack, nur um sicher zu gehen. Außerdem würden die Würstchen und der Speck schon so genug Geschmack haben.
„Aufgedrängt“, murmelte Hector, während er mit der Zubereitung zu tun hatte. Er schnaubte und lächelte. „Dabei hatte ich es ihm angeboten…“ Fast wünschte er sich, dass der andere sich aufgedrängt hätte… Hatte er aber nicht. Bis auf… Ihm fiel der Moment ein, als Jack plötzlich vornübergekippt und sein Gesicht plötzlich in Hectors Schoß gewesen war.

"Auch dafür danke", antwortete Casey gehoben auf ihre Erklärung, warum sie nicht im Bett war. Er löste die Worte mit einem warmen Lächeln ab und ließ das Thema Sun Lee erst einmal fallen. Mit völlig unschuldiger Miene zog er den Teller und das Glas näher zu sich und stocherte ein bisschen Ei auf die Gabel. "Ist schon lästig, immer nur aneinander vorbei zu leben", sagte er ebenso beiläufig und kaute dann sein Ei, wobei er ganz bewusst nicht direkt Jess ansah. "Stell dir nur vor, wie es wäre, wenn wir den selben Tagesrythmus hätten. Gar nicht auszudenken, wozu wir dann alles kommen würden. Am Ende müssten wir uns noch richtig unterhalten." Mittlerweile konnte er ein Grinsen nicht mehr unterdrücken, womit wohl spätestens jetzt für Jess klar war, dass er scherzte.

Nach der Dusche fühlte Jack sich schon wesentlich besser, auch wenn er in die Klamotten vom Vortag schlüpfen musste. Aber hey, sie waren beide Kerle. Langsam setzte auch die Wirkung der Tablette ein, womit sein Kopf auch anfing eher zu funktionieren. Garantiert war es der Kater gewesen, der ihn so komisch handeln ließ. Entspannter als vorher kam Jack in die Küche zurück und schnupperte. "Das riecht großartig. Aber ehrlich, Milch und Cornflakes hätten es auch getan. Im Zweifelsfall könnte ich ja auch Zuhause was essen", bedankte er sich und trat neben Hector. "Professionell gemachtes Rührei, ich bin beeindruckt." Mit einem grinsen sah er seinen Kumpel an.

„Nichts zu danken“, entgegnete Jesaiah lächelnd, bekam allerdings schon spitze Ohren. Irgendetwas… Irgendetwas lag da in seiner Stimme. Und tatsächlich musste sie nicht lange warten, bis Casey wie beiläufig in Unschuldston fortfuhr. Jess Brauen zuckten kurz nach oben, ansonsten sah sie ihn jedoch regungslos an, nicht ganz sicher, worauf der andere hinauswollte. Machte er sich einen Spaß oder würde es gleich wieder um das oft besprochene Thema seiner Verwandlung gehen? Jess wartete ab, hörte weiter Casey zu und spätestens als er sie ansah, war sie sich sicher. Dieser Schelm! Äußerlich bedachte sie den Älteren jedoch mit einem eher sparsamen Blick.
„Nicht auszudenken! Richtige Konversation… Können Männer das überhaupt?“, gab sich ein wenig stichelnd zurück und stand auf. „Ich glaube… das Thema ist doch zu ermüdend für mich. Ich gehe ins Bett“, sagte sie, machte ein, zwei Schritte in Richtung der Tür, nur um dann grinsend an Caseys Stuhl heran zu treten. Sie schlang ihre Arme leicht um ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
Schmunzelnd nahm sie danach wieder Platz auf ihrem Stuhl.
„Ich freue mich darauf. Im Gegensatz zu den meisten Kerlen, kann man sich mit dir immerhin unterhalten. Was meinst du, was mir so an dir gefallen hat, als wir uns in L.A. getroffen hatten? Du warst…“ Jess blinzelte und dachte an damals zurück. „der interessanteste Kerl, den ich seit langem getroffen hatte. Irgendwie… witzig. Aber auch frech. Und hilfsbereit… obwohl du mich nicht kanntest. Und dann war diese… Aura“, fügte sie schmunzelnd hinzu und formte mit ihren Händen eine große Erscheinung. „Eine Präsenz von Erfahrung, Weisheit… Alter?“, raunte sie, sah zu Casey und lachte dann. „Nein, im ernst… Ich war hingerissen. Sonst hätte ich dir im Hotel nicht so deutliche Avancen gemacht. Und ich bin noch immer vollkommen hingerissen“

Während Jack im Badezimmer war, hing Hector in der Küche seinen Gedanken nach. Äußerlich stand er ziemlich ruhig, vielleicht sogar etwas gleichgültig vor dem Herd, doch innerlich herrschte eine große Unruhe. Wenigstens schien Jack sich an den Gute-Nacht-Kuss nicht mehr zu erinnern. Ansonsten hätte er sich sicherlich heute Morgen verhalten. Oder? Er dachte daran, wie Jack vorhin ins Badezimmer gekommen war, während er selbst unter der Dusche gestanden hatte. Hm. So hätte aber vermutlich jeder reagiert.
Hector drehte die Hitze des Herdes ein wenig herunter, da alles nach wenigen Minuten fertig war. Kurz darauf kam Jack auch schon aus dem Bad und betrat wieder die Küche.
„Milch und -? Oh. Ehrlich gesagt… ich glaube, ich habe nicht einmal Milch da“, gestand Hector und lachte. „Und Cornflakes auch nicht. Steht nicht so oft auf meinem Speiseplan“ Und das war ausnahmsweise Mal die Wahrheit. „Aber ich hätte ansonsten auch noch Obst da gehabt“, fuhr er fort und wies auf die Bananen und einen Apfel. „Ist vermutlich das gesündeste, was ich dir hätte anbieten können“, fuhr er mit einem schiefen Grinsen fort und drehte den Kopf leicht, sodass er Jack direkt ansehen konnte. Ihm fiel auf, dass das Haar des anderen noch etwas feucht war und glänzte. Und wie er roch… Nüchtern stellte er fest, dass es nicht einmal einen richtigen Schritt brauchte, um den Jüngeren zu k- Ach, verdammte Scheiße noch eins! Hector wandte sich ab und lachte peinlich berührt. „Professionell? Sicher nicht. Es gibt vermutlich kein Gericht, das so einfach zuzubereiten ist wie dieses hier“, sagte er und nahm die Pfanne vom Herd.

Ein wenig erschrocken sah Casey seiner Angebeteten hinterher. Hatte er es übertrieben? Zu seiner unendlichen Erleichterung kam Jess aber zurück und gab ihm auch noch einen Kuss. "Aura?", fragte Casey mit einem Lachen und zog die Augenbrauen immer höher. Gut, Alter konnte man ihm wohl tatsächlich anrechnen. Aber eine Aura? "Ich hoffe diese.. Aura habe ich mittlerweile abgelegt. Nicht dass die ganzen Schüler um mich herum noch was spitz kriegen", sagte er trocken, wobei er sich insgeheim sehr darüber freute, dass sie eine so hohe Meinung von ihm hatte. Auch wenn sie unangebracht war. "Was dich vermutlich am meisten Beeindruckt hat, ist dass ich dir nicht sofort an die Wäsche wollte, wie all die anderen, jungen unsterblichen Schürzenjägern. Gib denen noch ein paar hundert Jährchen, dann muss ich mir um Konkurrenz Gedanken machen", fügte er mit einem halben grinsen hinzu und stahl sich auch noch einen Kuss. Davon konnte er auch nie genug bekommen. Was er Jess mal sagen sollte. Allerdings käme es jetzt dumm das zu sagen, wo er gerade gesagt hatte, dass er ihr ja nicht an die Wäsche gewollt hatte.

Als Hector ihm mit einem Lächeln den Kopf zuwandte, blieb Jack kurz der Atem weg. Die Atmosphäre wechselte von fröhlich-freundschaftlich zu.. Jack hatte kein Wort dafür, aber es war irgendwie bedeutungsvoll. Da vergaß er glatt das Obst. Dafür erinnerte ihn der Moment trübe an etwas anderes. Sein Blick geisterte etwas haltlos über Hectors Gesicht, bis er an dessen Lippen hängen blieb. Irgendwas.. Ehe er den Gedanken fassen konnte, wandte Hector sich ab und verschwand mit der Pfanne zum Tisch. Jack hatte das Gefühl, dass gerade etwas fast passiert war, aber er hatte keine Ahnung was. "Ehm..", machte Jack noch etwas abgelenkt und folgte Hector dann zum Tisch. "Einfacher wäre wohl Nudeln zu kochen. Bei Eiern kann man so einiges falsch machen. Die meisten Briten können auch gar keines zubereiten, da bleibt das immer noch halb flüssig und labberig. Ein Glück kommt mein Vater aus Europa. Zumindest irgendwann in seiner Ahnenfolge."

„Das ist nicht wahr!“ Jess knuffte ihren Freund leicht in die Seite und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Stell dir vor, es gibt einige Kerle, die mir bis heute nicht an die Wäsche gegangen sind. Wie zum Beispiel Charles, Féilim, Jael…Galon!“, gab sie zurück und lächelte breit.
Und da gab es tatsächlich noch einige mehr. Aber er hatte schon recht, es gab da schon sehr, sehr viele, die da nicht lange gefackelt hatten… Worauf sie nicht stolz war. Jess strich sich das Haar mit gesenktem Blick zurück, nachdem Casey sie geküsst hatte. Vielleicht sollte sie da doch noch etwas richtig stellen…
„Gut… vielleicht machte dich das zusätzlich etwas interessanter“, lenkte sie ein, „aber… am meisten hat mich wirklich beeindruckt, dass du mir geholfen hast. Einfach so. Nicht nur, dass du mich nicht kanntest… und wenn, dann höchstens meinen wenig schmeichelhaften Ruf. Nein, du… du hast nichts verlangt. Du wolltest keinen Gegengefallen. Nichts. Und das war… ich zu dem Zeitpunkt nicht gewohnt…“, sagte sie und sah wieder zu ihm auf.

Scheiße, scheiße, scheiße… Hector hatte sich mit der Pfanne dem Tisch zugewandt und machte etwas von dem Ei, dem Speck und den Würstchen auf Jacks Teller. Anschließend stellte er noch die Baked Beans daneben, von denen sich der Jüngere selbst bedienen konnte. In Gedanken tadelte er sich weiterhin. Wieso hatte er den Kerl gestern nur mit zu sich nach Hause genommen? Was interessierte es ihn, ob Jack Ärger bekam und Hausarrest, wenn er betrunken nach Hause kam? Es war ja schließlich nicht seine Schuld! Es sollte ihm eigentlich egal sein… Aber genau da lag das Problem. Jack war ihm erschreckend wenig egal. Und so langsam fragte er sich selbst nach seinen Beweggründen, warum er tatsächlich aus dem Clansgebäude hatte ausziehen wollen…
„Nudeln“, Hector räusperte sich, räume die Pfanne auf und forderte Jack mit einer lockeren Handbewegung auf, Platz zu nehmen. „Hm… Okay. So wie du es darlegst…ja, da hast du wohl Recht. Dann hoffe ich mal, dass dir meine Eier schmecken“, sagte Hector und merkte zu spät, dass seine Formulierung nicht gerade glücklich gewählt war. „Eh und der Rest. Wobei man bei den Würstchen und dem Speck wohl kaum viel falsch machen kann, außer sie anbrennen zu lassen“ Würstchen, Eier, Bananen… was hatte er sich beim Einkaufen eigentlich gedacht!? Milch und Cornflakes wären so viel unverfänglicher gewesen… Hector hätte jetzt gerne ein Loch im Erdboden. „Guten Appetit. Uhm… willst du eigentlich Tee oder Saft? Oder bleibst du bei Wasser?“ Themenwechsel…

Behutsam legte Casey eine Hand an Jess Wange und sah sie mit einem Lächeln an. "Gewohnt vielleicht nicht, aber du hast es gebraucht. Dein Ruf mag nicht gut gewesen sein, aber wer wäre ich, wenn ich Leute nach ihrem Ruf beurteilen würde? Meiner ist auch nicht immer gut oder blütenrein gewesen. Und wenn ich etwas in all der Zeit gelernt habe, dann ist es, dass man manchmal einfach nur eine freundliche Person braucht, die einem die Hand reicht", sagte er ruhig und fasste dann nach ihrer Hand um sie sanft zu drücken. "Außerdem, ich habe die größte Gegenleistung erhalten, die ich hätte erhalten können. Du bist seit einer sehr langen Zeit die erste, die mich so akzeptiert wie ich bin. Mit allen meinen Fehlern und Problemen. Danke, Jess. Du rettest mein Leben, jeden Tag aufs neue."

Jack folgte Hectors wink und setzte sich, auch wenn es ihm etwas unangenehm war, dass der ältere jetzt die ganze Arbeit machte und ihn quasi bediente. In seinem eigenen Heim, nachdem er ihn schon für eine Nacht bei sich aufgenommen hatte. Er würde sich wirklich irgendwie revanchieren müssen. Und dann kam der Satz mit den Eiern. Jack sah auf seinen Teller und schluckte leicht. Hectors Eier... Wenn er heute morgen nicht in die Dusche geplatzt wäre, hätte der Satz nicht halb so verfänglich geklungen. Bacon und Würstchen machten das Gespräch nicht gerade einfacher. Warum er jetzt allerdings vor Verlegenheit rot anlief, konnte er selbst nicht sagen. Ein schlagfertiger Kommentar wäre viel angebrachter gewesen. Wenn Flynn ihm den Satz gebracht hätte, wären sie jetzt dabei möglichst schlagfertige Sätze zu tauschen, die immer weiter unter die Gürtellinie gingen. Selbst der Gedanke ließ ihn gerade an etwas anderes als einen Gürtel denken. "Wasser", beilte er sich zu sagen und klang etwas heiser, weswegen er sich räusperte und versuchte möglichst ruhig fortzufahren. "Wasser ist perfekt. Das ist bei einem Kater genau richtig. Danke, du hast echt ne Menge für mich getan. Wenn ich mich irgendwie revanchieren kann, dann sag mir das bitte."

Oh ja. Und wie sie es gebraucht hatte, ohne sich dessen damals bewusst gewesen zu sein. Und er hatte sie verändert. Zum Besseren. Und wenn man ihr die Wahl ließe, sie würde nicht zu ihrem alten Leben zurückwollen. Um nichts auf der Welt. Um nichts auf der Welt… würde sie Casey gegen ihre Vergangenheit eintauschen wollen. Jess lächelte gerührt und schmiegte ihre Wange gegen die Hand des Älteren. Es hatte jemand gebraucht, der ihr die Hand reichte und er hatte sie gereicht und sie hatte sie genommen. Zugegeben, sie hatte sie nicht lange festgehalten… aber als er ihr seine Hand nach zwölf Jahren noch einmal reichte, hatte sie versucht diese nicht mehr loszulassen… Jess erwiderte den Druck seiner Hand und lächelte. „Ich glaube, jetzt wirst du etwas zu überdramatisch“, sagte sie und knuffte ihn leicht mit der anderen Hand. „Ob ich so gut darin bin, tatsächlich alles an dir zu akzeptieren, weiß ich nicht. Du musst zugeben, manchmal kannst du sehr dickköpfig sein… Ich allerdings auch“, lenkte Jess ein, stand erneut auf und nahm dann auf Caseys Schoß Platz. Ihre Hände verschränkte sie leicht hinter seinem Nacken. „Ich liebe dich, Casey. So wie du bist. Mit deinen Fehlern und Problemen… von denen mir gerade aber kaum welche einfallen“, raunte sie und lehnte sich anschließend für einen längeren Kuss nach vorne.

Hector nickte und schenkte Jack Wasser ein. Danach kochte er Wasser und machte sich selbst einen Tee, damit er zum einen etwas zu tun hatte und zum anderen nicht ohne irgendetwas am Tisch sitzen würde. Der Schein musste schließlich gewahrt werden.
„Revanchieren? Ist das dein Ding?“, fragte Hector schmunzelnd und schüttelte anschließend den Kopf. „Nein, schon gut, du musst dich nicht revanchieren. Du warst betrunken und ich wollte nicht, dass du von deinen Eltern Ärger bekommst. Bzw. Hausarrest“
Mit einer Tasse Kamillentee nahm Hector also schließlich Platz und hoffte, Jack nicht ganz den Appetit verdorben zu haben. Wäre irgendwie schade um das Essen… „Und? Essbar?“, fragte Hector mit einem schiefen Grinsen und hoffte sehr, dass dem so war. Eier hin oder her, er wollte, dass Jack das Essen schmeckte. Wäre doch nett, wenn Jack diese Übernachtsungssache und Hector nicht ganz so…negativ in Erinnerung behalten würde.

Sprung um einen Monat, Freitag 01.08.31

Ein wenig nervös war Jack schon, als er die Underground Station verließ und langsam zu Hectors Wohnung ging. Er hatte keine Ahnung, ob Hector da war oder er überhaupt erwünscht war. Sein Kumpel hatte sich in den letzten Wochen gar nicht mehr gemeldet. Erst hatte Jack gedacht, dass es daran lag, dass Hector seine Prüfungen hatte. Er selbst war ja mit den Bewerbungen für die Unis beschäftigt gewesen, daher war es ihm auch erst später aufgefallen, dass er keine Antworten mehr bekam. Und dann fing er an sich zu wundern. Ob er etwas falsch gemacht hatte? Ein wenig Recherche hatte ihm dann eröffnet, dass der Prüfungszeitraum für Hectors Examen beendet war. Ein paar Tage hatte er noch gehadert, dann hatte die Sorge überwogen. Vielleicht ging es Hector ja gar nicht gut im Moment? Er war aber auch ein bisschen ärgerlich, weil er keine Antwort bekam, so ärgerlich, dass er auch nicht Casey fragte, ob irgendwas mit Hector war. Also beschloss er persönlich vorbei zu sehen und Hector nicht vorzuwarnen. Was aber nicht hieß, dass er nicht nervös sein konnte. Tief atmete er durch und klingelte dann. Vielleicht war Hector ja auch gar nicht zuhause.

Hector nippte lustlos an seinem Glas und starrte vor sich hin. Die letzten Wochen waren so langsam vorübergegangen, dass er sich mehrmals gefragt hatte, ob mit seinem Zeitgefühl etwas nicht in Ordnung war. Der Monat war zäh wie Kaugummi gewesen, so zäh, dass sich Hector gar nicht daran erinnern konnte, wann zuletzt so langsam für ihn die Zeit vergangen war. Vielleicht… Nur vielleicht hatte es auch etwas mit Jack zu tun. Nachdem er bei ihm übernachtet hatte, hatte Hector zunächst nur ganz knapp von seinen Nachrichten geantwortet und dann irgendwann hat er es ganz sein lassen. Was ihm schwerer fiel, als er gedacht hatte. Aber es war besser so und offensichtlich hatte es ja auch den gewünschten Effekt gehabt. Kurzzeitig hatte er überlegt gehabt, ob er London nicht verließ, doch dann war Galon mit ein paar Aufgaben zu ihm gekommen. Da er ihm ja seine Hilfe angeboten hatte, konnte er nun nicht ablehnen und war geblieben.
Hector trank sein Glas aus, trug es zur Spüle und spülte es gerade aus, als es an der Tür klingelte. Im ersten Moment verharrte Hector an der Spüle und zog verwirrt die Stirn kraus. Jess? Charles? … Galon? Hm. Hector stellte das Glas in die Spüle, wischte sich die Hände ab und ging zur Tür. Hector sah erstaunt drein, als er Jack vor der Tür stehen sah.
„Jack“, sagte er feststellend und blinzelte. „Hey. Mit dir habe ich nicht gerechnet“

Es tat sich eine Weile nichts, nachdem Jack geklingelt hatte. Sollte er nochmal klingeln? Vielleicht war Hector ja auch gar nicht da? Aber es war doch noch zu früh um irgendwo feiern zu sein. Vorlesung konnte er auch eigentlich nicht haben. Seine Hand war schon zur Klingel ausgestreckt, als die Tür aufging und Hector im Türrahmen stand. In Schlafklamotten, so wie es aussah. Es sei denn Hector lief gerne in Boxershorts und schlabber Shirt rum, wenn er alleine zuhause war. Was Jack genau genommen nicht ausschließen konnte. Die Worte ließen ihn etwas irritiert blicken. "Ja, das ist kommt vor, wenn man sich nicht mehr bei Freunden meldet. Dann kommen die einfach vorbei und gucken nach, ob man noch am Leben ist", antwortete er und klang zu seiner eigenen Überraschung etwas säuerlich. Aber ehrlich, es sah nicht so aus, als wäre Hector völlig überarbeitet und gestresst, warum also hatte er sich nicht gemeldet?

Oh shit. Oh shit, oh shit. So viel zu seiner Strategie und es hätte den gewünschten Effekt gehabt – für n Arsch. Da stand er und klang angepisst. Und sauer. Scheiße. Freunden. Er hat Freunden gesagt. Er zählt sich also wirklich zu Hectors Freunden. Und Jack wollte nachschauen, ob er noch am Leben war. Ha…ha… Beinahe lag ihm der Kommentar auf der Zunge, dass er dafür etwas mehr als 300 Jahre zu spät kam. Nur würde der Jüngere das wohl kaum verstehen, also ließ er den Kommentar unter den Tisch fallen.
„Ja… Ich… du weißt doch, die Prüfungen. Und ich dachte mir, du hast sicher viel zu tun wegen deinen Bewerbungen und…“ Hector fuhr sich unangenehm berührt mit der Hand über den Nacken. „Ich weiß nicht. Hatte das Gefühl, du… hast dich beim letzten Mal nicht so wohl gefühlt“, fuhr er fort und fühlte sie wie unterste Schublade. „Hmm… willst du reinkommen?“, fragte Hector und trat kurz darauf beiseite. Was jetzt? Ignorieren hat also nicht geklappt. Er wollte aber auch nicht eklig, gemein und kalt zu Jack sein. Das hatte der Kerl nicht verdient. Was blieb ihm also noch übrig?

Jack Augenbrauen wanderten immer höher, während Hector halb stammelnd seine Entschuldigungen vorbrachte. War das sein Ernst? "Nicht so wohl gefühlt? Du meinst den Morgen nach dem Suff, in dem ich dich auch noch...", Jack stockte und fragte sich, warum er an die Dusche dachte, ehe er sich für eine andere Variante entschied. "Belagert habe? Natürlich habe ich mich da nicht wohl gefühlt. Ich hatte einen Kater." Seufzend rieb er sich die Stirn. Nein, so hatte er das ganze nicht laufen lassen wollen. Er wusste gar nicht, warum er jetzt so genervt war, wo er doch gehofft hatte, dass Hector zuhause war. "Gerne", sagte er daher schon wieder wesentlich freundlicher und hob die Hand, in der er einen Sixer Bier hielt. "Ich hab auch was mitgenommen. Damit kann ichmich hoffentlich ein bisschen revanchieren", sagte er und grinste schief. Hoffentlich verstand Hector den Scherz und fand ihn jetzt nicht auch noch aufdringlich.

Ja. Nein. Das war nicht so ganz das, was Hector meinte. Das hieß aber wohl auch, dass Jack sich tatsächlich nicht mehr an den Kuss erinnerte. Was gut war. Oder… In Hectors Kopf ratterte es, während er Jack hineinließ und schließlich hinter ihnen beiden die Tür ins Schloss zog. Wenn Ignorieren nicht half, dann vielleicht ja das Gegenteil? Hmmm… Er mochte Jack ja ohnehin. Was also, wenn er ihm das auch zeigte? Bei seinem Glück verjagte er damit ohnehin alle – in der Vergangenheit. Ein Versuch war es wohl wert.
„Belagert? Hm, das hätte ich jetzt anders ausgedrückt. Aber ja, der Morgen“, antwortete Hector und drehte sich zu Jack herum, wobei sein Blick zu dem Sixpack Bier wanderte.
„Revanchieren? Jetzt fühle ich mich schlecht. Du revanchierst dich, obwohl ich mich nicht gemeldet habe? Junge… du bist zu gut für die Welt“, raunte Hector lachend, klopfte Jack auf die Schulter und ging schon mal voraus ins Wohnzimmer. Dort bot er dem Jüngeren mit einer Handbewegung an, Platz zu nehmen. „Tut mir leid. Ehrlich. War nicht in Ordnung vom mir“, sagte er und sah Jack mit einem schuldbewussten Blick an. „Wird nicht nochmal vorkommen“, sagte er und sah dann an sich herunter. „Okay… bevor wir anstoßen, lass mich eben doch noch etwas anderes anziehen. Habe vor zwei Stunden noch geschlafen. Und naja, konnte mich noch nicht dazu aufraffen, mich umzuziehen“ Lachend verließ er den Raum und ging in sein Schlafzimmer. Er suchte sich ein paar frische Sachen heraus, schlüpfte in Socken, eine Jeans und kam dann oberkörperfrei mit einem T-Shirt in der Hand wieder ins Wohnzimmer. Dort zog er sich das Shirt dann über den Kopf und breitete die Arme aus. „Besser?“

Vor zwei Stunden noch geschlafen? Was hatter der Kerl für einen Tagesrhytmus? Dann war es vielleicht gar nicht mal so merkwürdig, dass er das mit dem revanchieren so komisch fand. Wenn seine Mutter hören würde, dass er wäre zu gut für die Welt, würde sie sicherlich lachen und fragen ob sie von der selben Person sprachen. Er packte schon mal die ersten Biere aus, während Hector sich umzog. Als Hector zurück kam, wandte er sich um, seine Frage blieb ihm aber im Hals stecken. Dabei war es doch nur Hector.. Er hatte ihn auch schon in weniger gesehen, wobei die etwas tief hängende Hose durchaus dazu einlud sich weniger zu denken - Und woher kamen diese verdammten Gedanken nur wieder?! Mit einem Kopfschütteln brachte Jack seine Gedanken wieder zur räson. "Sicher. Du bist angezogen in deinem eigenen Heim. Vorher war auch gut. Also, okay. Ist ja deine Wohnung", sagte er und wurde ganz langsam immer röter. "Ist in deinem Kühlschrank noch platz? Dann bringe ich die anderen Biere weg, damit sie nicht warm werden", beeilte er sich hinzuzufügen und sprang schon vom Sofa auf.

Wurde er rot? War ihm vermutlich unangenehm, aber er war zu höflich, um ihn zu sagen, dass es ihn störte. Hm. Harte Nuss. Aber eine harte Nuss, für die er etwas übrig hatte… und die er früher oder später noch knacken würde. Hector ging zu ihm hinüber, wollte sich eigentlich schon hinsetzen, als Jack nach dem Kühlschrank fragte und aufsprang. Kühlschrank. In Hectors Kopf ratterten einige Zahnräder. Er hatte keine Lebensmittel da. Das, was beim letzten Mal übrigen geblieben war, hatte er bei Jess abgegeben. Das Einzige, was also im Kühlschrank war, war die Butter (die er vergessen hatte) und Licht. Und Blutbeutel in der untersten Schublade. Würde vermutlich komisch kommen.
„Im Kühlschrank ist gerade tatsächlich sehhr viel Platz. Ich müsste heute eigentlich einkaufen gehen… Ich habe buchstäblich nichts mehr da. Aber schon gut, du bist der Gast, ich mach das schon. Mach du es dir besser gemütlich“, raunte Hector mit einem charmanten Lächeln, das gleichzeitig aber auch keine Widerworte zuließ, und nahm den Sixpack an sich, bevor Jack es tun konnte. Mit diesem bewaffnet ging er in die Küche und räumte dort das Bier ein. Er lauschte kurz, dann nahm er rasch die übrigen Blutbeutel heraus und warf sie in das Tiefkühlfach. Nur für den Fall der Fälle… Danach kehrte er ins Wohnzimmer zurück, nahm sich das eine Bier und hielt es Jack um Anstoßen hin. „Worauf wollen wir anstoßen?“

"Eh..", eigentlich wollte Jack Widersprechen, aber bei dem Blick sagte er dann doch nichts. Gehorsam setzte er sich und saß dann etwas unangenehm berührt auf den Kissen. Nur weil er Gast war? Wo er sich doch eigentlich schon wieder aufgedrängt hatte. Irgendwie wurde das zu einem Running Gag. Seufzend rieb er sich die Stirn und fragte sich, ob es schauer gewesen wäre nicht zu kommen. Es hatte ein wenig so geklungen, als hätte Hector ihn absichtlich geschnitten. Aber dafür war er eigentlich etwas zu freundlich, jetzt wo er hier war. Als er Hectors Schritte im Flur hörte, setzte er sich hastig bequemer hin, schließlich hatte Hector ihm fast schon gedroht, dass er es sich bequem machen sollte. Auch Jack hob dann sein Bier mit einem leichten Lächeln und stieß mit Hector an. "Keine Ahnung. Auf abgeschlossene Prüfungen und .. das Warten bevor die Absagen der Unis eintreffen?", schlug er nicht ernst gemeint vor.

Hector lachte leicht, stieß mit dem Jüngeren an und nahm einen Schluck. „Meinst du denn, dass es so schlecht gelaufen ist? Du bist doch ein schlaues Kerlchen mit guten Zensuren, sehr charismatisch, witzig… Ich bin mir sicher, du kommst auf die Uni, auf die du willst“, sagte Hector zuversichtlich und sah Jack mit einem schiefen Lächeln an. Ob er womöglich ein bisschen nachhelfen sollte? Hm. Nein, das wäre Jack gegenüber irgendwie mies. Er war ein ehrlicher Kerl und sicher wollte er auch auf ehrliche Weise es auf diese Uni schaffen – was er mit Sicherheit ohnehin schaffte.
„Ist deine Familie eigentlich aus Italien zurück? Und wie war die Abschlussfeier an deiner Schule?“, fragte er neugierig, lehnte sich auf dem Sofa zurück und machte es sich gemütlich, wobei er sich mit dem Oberkörper Jack zudrehte, einen Arm auf der Rückenlehne, auf den er seinen Kopf stützte.

Jack musste auch lachen (wenn auch ein bisschen peinlich berührt), während er Hectors Lob entgegen nahm. Anders als bei seinen Freunden und Familie war es so viel netter die Beruhigung von Hector zu hören. Vermutlich, weil er nicht durch gesellschaftliche Konventionen gezwungen war ihm das zu sagen um ihn aufzumuntern. "Natürlich glaube ich nicht, dass es so schlimm ist. Aber wenn man mit dem Schlimmsten rechnet, dann kann einen nichts überraschen. Außerdem kommt es immer anders als man denkt. Also: Wenn ich daran denke, dass mich keine haben will, dann wird mindestens eine zusagen", erklärte er mit einem kleinen Zwinkern und nahm einen großen Schluck aus der Flasche. Der Weg hierher, vor allem aber seine Nervosität, hatten ihn ziemlich durstig werden lassen. "Die Abschlussfeier war wirklich gut. Auf ihre Art und Weise. Weil wir fast alle Minderjährig waren, durfte natürlich kein Alkohol fließen, aber die Musik war gut. Meine Familie kommt nächste Woche wieder. Aber meine Mutter ruft jeden Abend an und fragt, wie es läuft, als ob es so unwahrscheinlich wäre, dass ich überleben kann. Vermutlich hat sie nur ein schlechtes Gewissen, weil sie zu meinem Geburtstag nicht da waren", erklärte er weiter. Eigentlich hatte er das Thema gar nicht aufbringen wollen, schließlich war auch Hector nicht da gewesen zu der Zeit. Oder, zumindest hatte er sich nicht gemeldet.

Hector nippte an seinem Bier und lauschte Jacks Erzählung zur Abschlussfeier. Kein Alkohol. Ja, das hatte er sich schon denken können. Aber Jack und seine Mitschüler waren sicherlich auch so in der Lage Spaß zu haben. Er setzte seine Flasche ab und nickte hier und da. Er registrierte, dass Jacks Familie noch nicht wieder da war. Mit anderen Worten, der Jüngere hatte eine sturmfreie Bude. Ob er das wohl noch ausgenutzt hatte? Sicherlich hatte er sich mit ein paar Freunden getroffen und noch mal im kleineren Kreis auf den Abschluss angestoßen – zumindest konnte Hector sich das gut vorstellen. Und dann kam die Bombe. Auch wenn Jack es so beiläufig wie möglich erwähnte, wurde Hector sofort heiß-kalt. Geburtstag. Jack hatte Geburtstag gehabt! Und zwar nicht nur irgendeinen, sondern er wusste, dass der Jüngere dieses Jahr 18 wird. Wurde. Scheiße. Scheiße, scheiße! Nicht nur, dass er sich schlecht fühlte, weil er sich einfach nicht gemeldet hatte, nein, jetzt hatte er sogar Jacks Geburtstag verpasst.
Hector sah Jack ertappt und schuldbewusst an. „Ich bin ein wirklich beschissener Freund“, sagte er und lächelte den Jüngeren entschuldigend an. „Mann… ich erinnere mich noch, dass du meintest, du hättest nächsten Monat… Omannomann… Weißt du was? Ich lade dich ein! Such dir einen Tag heraus, wir gehen… wir gehen ins Kino, in einen Film deiner Wahl und danach etwas trinken und wenn du mich lässt, würde ich dich sehr gerne einladen. So nachträglich zu deinem Geburtstag! Alles, alles Gute nachträglich, Jack“, raunte er und sah den anderen mit einem schiefen Lächeln an.

Gott, er hätte wirklich den Mund halten sollen. Genau das hatte er ja eben nicht gewollt. Schließlich hatte Hector ja auch eigene Probleme und ein Leben, da galt doch ein Geburtstag einer noch recht frischen Freundschaft nicht so viel. Auch wenn er schon ein wenig entäuscht gewesen war, dass der andere sich nicht mal an dem Tag gemeldet hatte. Deswegen setzte er sich gerade hin und wehrte Hectors Worte ganz körperlich, mit den Händen ab. "Ach quatsch. Du musst das echt nicht machen. Und deswegen bist du auch kein schlechter Freund", widersprach er und schluckte dann, als Hector ihn anlächelte und einlud. Das Grübchen am Ende des Gesprächs gab dann den entscheidenden Ausschlag. Wie konnte Jack auch schon nein sagen, wenn Hector ihn so ansah. "Danke", nuschelte er schicksalsergeben und kratzte sich leicht den Nacken. "Du musst aber sagen, wenn das Datum dir nicht passt oder der Film dir nicht gefällt", schränkte er die Einladung dann ein und lächelte selbst ein bisschen. Machte doch keinen Sinn, wenn sie einen Film schauten, denen ihnen nicht beide gefielen.

Hector schüttelte entschieden den Kopf und seufzte theatralisch. „Du bist einfach zu gut, Jack. Wirklich. Natürlich bin ich deswegen ein mieser Freund. Es war immerhin dein 18. Geburtstag! Der 18.! Darauf werden wir anstoßen! Jetzt und noch einmal gebührend an dem Abend, an dem wir ins Kino gehen! Und mach dir keinen Kopf, ich kann mich für sehr viele Filme begeistern – ich sage nur, Casper und Wendy“, raunte Hector und lachte. Er wird dafür sorgen, dass Jack einen schönen Abend haben wird, das nahm er sich fest vor. Dabei vergaß er tatsächlich einen Augenblick, dass es ja eigentlich immer noch besser war, wenn er den Kontakt zu dem Jüngeren einstellte. Und dass er sich vorgenommen hatte, Jack mit seinem Charme zu vergraulen. Den einen Abend… der sollte einfach großartig werden! Das war er Jack schuldig. Danach konnte er mit seinem Plan ja weitermachen. Hector hielt die Bierflasche zum Anstoßen Jack hin und grinste breit. „Auf dich, deinen 18. Geburtstag und darauf, dass dir die Unis zu Füßen liegen werden. Denk an meine Worte, sollte es passieren, weißt du, wer es vorhergesagt hat!“, raunte er amüsiert. Sie stießen miteinander an und Hector fragte sich, ob Jack schon was gegessen hatte… er hatte ja leider nichts da. „Hm… Ich weiß nicht, hast du heute Abend noch was vor? Oder was hältst du davon, wenn wir Pizza bestellen und…keine Ahnung, einen Film schauen oder zocken?“

Sprung um eine Woche. Samstag, 09.08.31

"Und wie Brook dann über die anderen gejumpt ist! Alter! Das war der beste Stunt der Filmgeschichte!" Euphorisch untermalte Jack seine Erklärungen mit weitläufigen Gesten. Seit Endes des Filmes hatte er eigentlich nicht mehr den Mund zu gemacht, so sehr hatte ihn der Film mitgerissen und begeistert. Jetzt seufzte er laut und schüttelte dann etwas verlegen den Kopf. "Sorry. Du musst sagen, wenn ich dich damit nerve. Danke nochmal für die Einladung", sagte er mit einem schiefen Grinsen. Über die Woche hatten sie häufiger miteinander gechattet und am Ende hatte Jack diesen Film vorgeschlagen, der ihn schon eine Weile interessiert hatte, für den er aber niemanden gefunden hatte der mit ihm reinging. Vermutlich hätte er ihn sich auch alleine angesehen, aber wenn Hector schon angeboten hatte ihm einen Film auszugeben, wer lehnte dann schon ab? "Wo wollen wir denn jetzt hin um was zu trinken?", fragte er, während er bei sich dachte, dass es ein wirklich guter Abschluss für seine Sturmfreie Zeit war. Morgen kamen seine Eltern mit seinen Schwestern zurück, dann wäre es aus mit seiner Freiheit.