Mutant High 3 - Das RPG

„Natürlich. Warum auch nicht?“ Gregory grinste schief und stellte zufrieden fest, dass Erin nicht mehr ganz so niedergeschlagen aussah. Sicher, er hatte sie mit seinem Vorschlag auch ablenken und aufmuntern wollen, aber nichtsdestoweniger hatte er es ernst gemeint. Er wollte, dass sie mehr über ihn erfuhr und ihn besser kennenlernte. Damit sie…vielleicht weniger Erik in ihm sah.
„Ablenkungsmanöver? Das sind aber wenig schmeichelhafte Unterstellungen“, raunte Gregory und schmunzelte, wobei er sich nun ebenfalls etwas zurücklehnte. „Und so schlecht ist es mir nicht ergangen! Ich hatte ein Dach über dem Kopf. Und…Essen. Meistens. War aber natürlich nicht zu vergleichen mit Serges Kochkünsten. Die Schüler hier werden wirklich schrecklich verwöhnt, wenn du mich fragst.“ Er grinste schief, wackelte mit den Brauen. „Also… fangen wir an, damit wir heute noch fertig werden“ Er schob das Shirt ein Stück hoch und deutete auf die erste Narbe.
„Die hier ist von einer Auseinandersetzung mit den X-Men. Ich meine, ich habe sie Nate zu verdanken. Lacey war stinksauer, als sie das mitbekommen hat und hat ihm daraufhin ein Bein gebrochen“, erzählte er und lachte. „Ach ja, das waren noch Zeiten… Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass die Zwillinge irgendwann zu meiner Familie gehören würden.“ Gregory fuhr fort, zeigte von einer zur nächsten Narbe, die mal vom Training, von einer beinahe missglückten Mission und einem Anschlag war. „Der Wachmann war ein guter Schütze“, raunte Greg und zeigte auf die Schussnarbe. „Eine der Narben auf dem Rücken kommt von meiner Bestrafung… Für die fast missglückte Mission. War eine einmalige Sache. Danach… habe ich nichts mehr vermasselt“

Sie hätte ihm noch viel weniger schmeichelhaftes an den Kopf werfen sollen. Gerade hatte sie ihm noch eine Abfuhr erteilt, da fing er schon wieder an mit ihr zu Flirten. Besser sie nahm sich in Acht, dass er sie nicht gleich wieder küsste! "Verwöhnt vielleicht, dafür haben wir aber auch ein erträglicheres Leben. Ehrlich? Meistens Essen und ein Dach über dem Kopf?", lachte sie ungläubig und war sich nicht sicher, ob sie sich nicht eigentlich beleidigt fühlen sollte. Immerhin hatte er sie gerade verwöhnt genannt, oder? Er schob das Thema aber auch beiseite und fing an über sich und seine Narben zu sprechen. Was irgendwie merkwürdig war und das auf vielen verschiedenen Ebenen. Es war merkwürdig ihn so léger über ihre Lehrer reden zu hören. Zumindest dachte sie sich, dass Nate wohl der eine Mr. Haynes sein musste. Alles andere machte keinen Sinn. Und auch wenn sie wusste, dass Miss Johnson auch eine Vergangenheit bei den Successio hatte, war es etwas anderes herauszufinden, dass sie ihrem Lehrer mal ein Bein gebrochen hatte. Irgendwann würde sie wegen dieser ganzen Geschichten nochmal Kopfschmerzen bekommen... Wenn sie Gregorys Lachen so hörte und wie er spaßhaft seine Narben als schöne Zeit bezeichnete konnte es damit gar nicht mehr so lange dauern. Die runde Narbe an der Schulter stellte sich tatsächlich als Schusswunde heraus, wobei es sie wohl eher stören sollte, dass er an einem Anschlag überhaupt beteiligt gewesen war. Das hieß ja wohl, dass er Menschen auf dem Gewissen hatte, oder zumindest in Kauf genommen hatte, dass sie sterben könnten. Es war allerdings ziemlich schwer sich den fröhlichen, unbeschwerten Gregory vor sich, als kaltblütigen Killer zu sehen. Seine Stimmung schlug recht schnell um, als er auf die Narben auf seinem Rücken zu sprechen kam. Bestrafung. Das musste eine wirklich schmerzhafte Erfahrung gewesen sein, wenn sie Spuren auf seinem Körper hinterlassen hatte. Und er sich danach keine Fehler mehr erlaubt hatte. "Wie alt warst du da?", fragte sie leise, als er erst einmal nicht weiter sprach, sondern eher nachdenklich und etwas ernüchtert wirkte.

Sie war leise. Als Gregory zu Erin aufsah, war er sich nicht sicher, was in ihrem Kopf vor sich ging. Was dachte sie über ihn und über das, was er erzählt hatte? Sein Leben musste so vollkommen anders verlaufen sein als das ihre. Ein kleiner Teil in ihm wünschte sich, er hätte mit ihr aufwachsen können. Oder zumindest, dass er mit ihr hätte zur Schule gehen können… Was Stiles und Erik für wenige Jahr vergönnt gewesen war. Ein bisschen ‚normales‘ Leben.
„12. Ich war damals 12. Es war meine erste Mission gewesen“, antwortete Gregory und fuhr sich durch die Haare. Er musterte Erin, beobachtete ihre Reaktion und lächelte matt. „Ich weiß schon. Das hört sich an, als hätte ich eine beschissene Jugend gehabt. Aber es gab gute Tage. Viele sogar. Mit Lacey und meinem Dad. Auch unter den Successio gab es einige, die mir nahe standen… oder von denen ich dachte, dass sie mir nahe stehen… Aber nach dem Tod von meinem Dad durch die X-Men… war ich nur noch wütend. Und drehte mich… in so eine Spirale. Es wurde immer schlimmer… und ich habe Dinge getan, auf die ich nicht stolz bin“, sagte er ernst. „Vieles davon, hätte ich nicht getan, wenn ich bei klarem Verstand gewesen wäre, aber Eris… Lacey vermutet, dass sie mich aufgestachelt hat. Im Nachhinein muss ich ihr recht geben, auch wenn ich es damals nicht habe glauben oder sehen wollen. Eris kann mit einer simplen Berührung dafür sorgen, dass du wütend wirst, dass du dich richtig hineinsteigerst und austickst… Aber da ich damals mit ihr zusammen war, wollte ich nicht glauben, dass sie mich ausnutzt“ Er stieß die Luft hörbar aus und sah Erin an. „Gut, ich gebe zu, so richtig gut war mein Leben bislang nicht. Meine Kindheit war toll, damals, als meine Mom noch gelebt hat. Aber danach…“ Er zuckte mit den Schultern. „Vermutlich gefällt es mir hier deswegen… ganz gut. Die Schule ist wirklich toll. Wenn man nicht unbedingt gezwungen wird, hier zu bleiben und sie nicht zu verlassen“, fügte er mit einem schiefen Lächeln hinzu.

"Zwölf?!", fragte Erin schockiert dazwischen und wollte es selbst dann nicht glauben, als Gregory das Alter wiederholte. Die Successio hatten einen zwölfjährigen auf eine Mission geschickt und als es schief ging ihn dann auch noch dafür bestraft? Vermutlich hatten sie ihn nicht einmal richtig vorbereitet nur um ihn am Ende bestrafen zu können. Ihre Meinung von der Terroristengruppe sank noch tiefer und die war durch die X-Men schon vorher nicht sonderlich hoch gewesen. Und ihr tat Gregory leid. Sehr leid. Eine Info fiel ihr dabei allerdings dann doch auf. "Moment. Zusammen? Ist diese Eris nicht schon uralt?", fragte sie überrascht und presste dann die Lippen aufeinander. "Entschuldige. Geht mich nichts an. Leben. Dein Leben.. Naja, aber jetzt bist du ja hier und irgendwann hoffentlich nicht mehr eingesperrt. Also.. Steht dir jetzt die Welt offen, du kannst dein Leben viel besser gestalten von hier aus."

„Sie ist nicht uralt“, wandte Gregory ein, schnaubte und lächelte matt. „Sie ist… ich glaube“, er kniff die Augen zusammen und versuchte auszurechnen, wie alt sie heute sein müsste. „Jetzt 28. Sie und ich sind acht Jahre auseinander…“ Er bemerkte Erins Blick und hob verteidigend die Hände. „Hey, ich war 15, voll in der Pubertät! Und sie war älter, erfahrener und heiß. Als sie mein Interesse irgendwann erwidert hat, dachte ich, ich bin ein verdammter Glückspilz.“ Er verzog das Gesicht, seufzte und rieb sich die Stirn. „Heute weiß ich, wie naiv und dämlich ich war. Und dass sie eigentlich ziemlich ätzend war…“ Außer im Bett. Sein erstes Mal war im Grunde ziemlich gut gewesen… Und Eris hatte immer so eine unglaubliche Ausstrahlung gehabt. Eine Mischung aus Gefahr, Sinnlichkeit und Selbstbewusstsein, was er sehr anziehend fand. Aber diese Dinge behielt er besser für sich. „Und ja. Jetzt bin ich ja hier… Auch wenn ich nie gedacht hätte, mal hier zu sein. Nicht so“, sagte er und ließ seinen Blick mit einem Lächeln durch den Raum wandern. „Lacey hätte sicher auch nie gedacht, mal ein Kind von einem der Zwillinge zu bekommen. Und dann auch noch ausgerechnet von Noah“, er schnaubte und lachte leise. „Verrückt… was passiert ist.“ Seine Mundwinkel zuckten, ehe er wieder zu Erin sah. „War ein harter und beschwerlicher Weg in dein Bett“, raunte er, grinste und streckte sich auf ihrem Bett aus. „Ich hoffe, du rechnest es mir an. Was ich nicht alles auf mich genommen habe, um es bis hierher zu schaffen! Beine hätte ich ein Auge verloren“, raunte er und wies mal wieder auf seine Narbe, wobei er das Grinsen kaum aus dem Gesicht wischen konnte. „Vielleicht verstehst du jetzt, warum ich wegen der kleinen Narbe so entspannt bin. Ist nicht meine erste. Und wird vermutlich auch nicht die letzte sein. Nicht, wenn ich mich weiter in deiner Nähe aufhalte – wo stände Dinge auf mich zu fliehen…“

28 war uralt! Vor allem wenn da acht Jahre zwischen ihr und Gregory lagen. Erin hatte spontan eine noch stärkere Abneigung gegen die Ältere, die absolut nichts mit ihr selbst und alles mit ihrem Verhältnis zu Gregory zu tun hatte. Da gefiel es ihr besonders gut, dass die Frau sich auch noch Strafbar gemacht hatte, als sie mit Gregory zusammen gewesen war. Das sagte sie aber lieber nicht laut, weil sie nicht eifersüchtig wirken wollte. Und es ging sie ja auch eigentlich wirklich nichts an. Sicherheitshalber nickte sie stumm auf seine Worte, auch wenn sie der Meinung war, dass er ihr da gerade eine Menge nicht gesagt hatte. "Ich glaube niemand hat damit gerechnet, dass irgendwer von euch mal in dieser Lage ist. Oder kannst du dir vorstellen, dass Mr. Haynes sich vorgestellt hat mal mit einer Ex-Successio ein Kind zu bekommen?", fragte sie und verkniff sich noch darauf hinzuweisen, dass Miss Johnson ja auch nicht nur ein Ex-Mitglied war, sondern auch noch mit Gregory verwand war, der ja so ein bisschen der Staatsfeind nummer Eins gewesen war. Und dann verschluckte sie sich fast. Er flirtete schon wieder mit ihr! Gerade erzählte er ihr von Schmerzen und seiner Ex und dann fing er an anzügliche Angebote zu machen? Am liebsten hätte sie ihn mit einem Fußtritt aus ihrem Bett befördert. Aber er spielte da ein dreckiges Spiel indem er sie dran erinnerte, wie sie ihn schon einmal schwer verletzt hatte. Es hätte wirklich sein Auge kosten können. "Wenn du Dinge haben willst, die auf dich fliegen, dann kann ich dir gleich einen kostenlosen Flug auf meinen Boden anbieten. Da ist es auch nicht so schwer hinzukommen, erledigt quasi die Schwerkraft. Und bleiben kannst du da auch unbegrenzt", sagte sie trocken und eine Spur schneidend. Aber man machte schließlich auch keine unmoralischen Angebote, nachdem man einer Frau von der Ex erzählt hatte!

Gregory stellte mit einem Grinsen fest, wie Erin kurz davor war, wieder etwas nach ihm zu werfen. Er liebte das Spiel mit dem Feuer einfach zu sehr, als dass er es sich verkneifen konnte. Außerdem… er wusste ja, dass sie keine Langweiler mochte. Welch ein Glück, dass er alles andere als ein Langweiler war… Nur sollte er vielleicht doch noch ein bisschen am Timing arbeiten. Und der Portionierung. Sich verteidigend hob Gregory die Arme. „Schon gut, schon gut! Ich höre damit auf und bin ganz artig, wenn du das wünschst“, sagte er und sah von unten mit einem ganz leicht verschlagenen Lächeln zu ihr auf. „Auch wenn ich weiß, dass du es lieber nicht artig hast“, fügte er leiser hinzu und lachte leise. „Aber schon allein für meinen Rücken werde ich wohl brav bleiben. Das Bett ist einfach wesentlich bequemer“, sagte er und stützte sich leicht auf seinen Unterarmen auf. Sein Blick fiel auf Erins Nachttisch, auf dem Bücher lagen. Neugierig setzte er sich nun doch wieder ganz auf und lehnte sich etwas hinüber. „Was liest du gerade?“, fragte er neugierig und langte nach den Büchern. Das eine erkannte er, darüber wurde in der Mensa ab und an gesprochen. Auch Kaya hatte davon erzählt. Das mussten sie gerade in Englisch lesen. Das andere aber war ein Roman, der wohl kaum für die Schule war. Er drehte das Buch und las sich den Klappentext durch. „Ist es gut?“

"Du!", rief Erin und schlug dann doch nach Gregorys Schulter. Dabei hatte er tatsächlich recht, sie stand nicht auf artige Jungs. Aber ihr das so unter die Nase zu reiben, während er in ihrem Bett lag? Das war ziemlich dreist. Was heiß war, aber besser gekommen wäre, wenn sie nicht gerade ihren Freund an ihn verloren hätte. Er drehte sich von ihr weg und griff dann zu ihrem Nachttisch. Was zu einem peinlichen Thema führte. Er wollte zumindest nicht wissen welches Buch er für den Unterricht las. "Das ist nur.. Naja, nicht unbedingt ein Schundroman, aber eher was seichtes für Teenies. Ob es gut ist.. Das kommt wohl drauf an was man erwartet. Ich finde die Idee ganz nett, aber vor allem mag ich, dass ich nicht viel denken muss", sagte sie ein wenig verlegen und wünschte sich, dass sie etwas anspruchsvolleres auf dem Tisch gelegt hätte. Ein Teil des Reizes des Buches war für sie auch die Beschreibung der Beziehung der Protagonisten. Und das Happy End. Aber das würde sie Gregory jetzt garantiert nicht sagen. Welcher Spruch darauf folgen würde, konnte sie sich ohne viel Fantasie denken.

Es war ihr unangenehm, das konnte er sehen. Am liebsten hätte er sie damit ein wenig aufgezogen. Gregory drehte das Buch in seiner Hand wieder herum, schlug es auf und las die ersten zwei, drei Sätze. Danach blätterte er noch ein Stück weiter und las wieder eine Stelle. Seine Brauen wanderten nach oben, gefolgt von seinen Mundwinkeln, die sich zu einem spitzbübischen Lächeln verzogen. Seine Augen wanderten weiter über die Seite und schließlich sah er lachend wieder davon auf. „Ich verstehe, was du meinst“, raunte er schmunzelnd, schlug das Buch wieder zu und legte es beiseite. „Klingt ganz nett. Leihst du es mir, wenn du damit durch bist“, fragte er und schmunzelte. „Oder hast du es aus der Bibliothek?“ In seiner ersten Woche hier hatte Lacey ihm von der Bibliothek erzählt. Er war hin und weg gewesen. So viele Bücher auf einem Fleck. Natürlich hatte er sich gleich diverse ausgeliehen. Allerdings war er sich nicht sicher, ob es dort auch solche Schundromane gab. Falls ja, dann hatte er die Ecke mit solchen Büchern noch nicht entdeckt.
„Ich habe aktuell noch drei Bücher auf meinem Nachttisch. Aber danach hätte ich Zeit“ Erin fragte ihn, was er las, woraufhin er sich wieder etwas zurücklehnte. „Ich lese die Biographie von Nelson Mandela-“, Gregory verstummte, als Erin lachte. „Ja. Von Nelson Mandela. Was? Darüber lachst du? Aber dein Schundroman ist kein Grund zum Lachen?“, fragte er und hob eine Braue.

Der Blick war recht eindeutig. Erin hätte ihm am liebsten das Buch aus den Händen gerissen, aber dann hätte sie zugegeben, dass sie wüsste welche Stelle er gerade las. Oder eine der Stellen. Als er wieder zu ihr sah, sah sie weg. Gott, dass wollte sie sich gerade nicht vorstellen. Nicht wo er es gerade halbwegs darauf angelegt hatte es mit ihr zu tun. "Es ist meins. Aber es ist das dritte Buch der Reihe. Das interessiert dich sicher nicht", murmelte sie und wand sich ein wenig unwohl. Wenn sie Greg Softpornos auslieh, sendete sie dann nicht irgendwie falsche Signale. Zum Glück blieb er nicht bei dem Thema, sondern erzählte ihr mehr über seinen Nachttisch. Oder eher die Bücher darauf. Was sie dafür zum Lachen brachte, etwas ungläubig was nicht sonderlich nett war. "Schundromane sind sozial anerkannte Übersprungsreaktionen, darüber muss man nicht lachen, weil das ein sehr großer Absatzmarkt ist", erwiderte Erin so hochtrabend, wie es ihr gerade aus dem Stehgreif einfiel und lenkte dann wieder auf ihn zurück. "Aber dass du Biographien liest, das ist ungewöhnlich. Ich meine, du bist der böse Typ, mit dem Eltern ihren Kindern Angst machen und dann liest du Biographien von großen Männern? Weil du wissen willst, wie du es besser machen kannst?", fragte sie mit einem herausfordernden Grinsen.

Gregory konnte nicht so recht sagen, was ihn mehr störte und verletzte. Dass er Biographien las war ungewöhnlich? Es klang deutlich heraus, dass jemand wie er, ein ‚böser Typ‘, eher etwas anderes lesen sollte. Wenn er vermutlich überhaupt las. Vielleicht irgendetwas anspruchsloses wie Comics oder irgendwelche verbotenen, furchtbaren Bücher, geschrieben von Tyrannen. Biographien von großen, inspirierenden Persönlichkeiten passten da natürlich nicht in das Bild. Gregorys Mund zeigte nur noch ein schmales Lächeln, dass zusehends verkniffener aussah.
„Ja. Genau deswegen“, antwortete er knapp. Es gab für ihn aber noch mehr Gründe als diesen. Oder, er war zumindest nicht so einfach erklärt. Bei den Successio hatte er über solche Menschen nicht lesen dürfen. Jetzt konnte er es. Und Menschen wie Nelson Mandela waren… beeindruckend. Und inspirierend. Und gut. So viel besser als er. Und er wollte es besser machen, er wollte sich bessern. Und hier saß er, bei dem Mädchen, das ihm gefiel und das ihn deswegen verlachte.
Gregory atmete tief ein und stand vom Bett auf. „Es ist schon spät, ich sollte gehen. Du willst sicher deine Ruhe haben“, raunte er und fügte in Gedanken hinzu: ‚Ruhe vor mir‘.
„Schlaf gut. Erin“ Gregory lächelte matt, wandte sich um und ging. Er war in seinen Bewegungen sehr bestimmt und ließ sich auch nicht aufhalten. Er verließ ihr Zimmer, ging den Flur hinab und steuerte das Zimmer an, welches er mit Cooper teilte.
In Gedanken war er noch bei Erin und ihren Worten, die ihn mehr verletzt hatten, als er es für möglich gehalten hatte. Er hatte ja gewusst, dass er nicht wie Erik war und Erin sich deswegen auch nicht auf ihn einlassen wollte… Aber zum ersten Mal fragte er sich, ob das vielleicht auch noch andere Gründe hatte. Sah sie vielleicht auf ihn hinab? Ihr Lachen klang in seinen Ohren. Egal ob sie es tat oder nicht – sie hatte ein falsches Bild von ihm und gab sich nicht viel Mühe, das zu ändern. Mit düsterer Miene betrat er sein Zimmer und ließ sich wortlos auf seinem Bett sinken.

Sprung auf Montag den 06. November, kurz nach drei

Müde blinzelte Noah zur Uhr und wunderte sich, wie der Tag schon wieder fast vorbei sein konnte. Laut seiner Ärzte war er über den schlimmsten Teil hinweg, aber er war sich da nicht so sicher. Den Hauptteil der Tage schlief er noch. Dabei sollte man meinen, dass er nach dem Koma genug geschlafen haben sollte. Er seufzte leise und rieb sich über die müden Augen. Seine Eltern und Lacey waren gestern da gewesen und es war erschreckend zu sehen, wie abgespannt seine Freundin ausgesehen hatte. Was nach dem was sie durchgemacht hatte, wohl nicht verwunderlich war. Aber es bereitete ihm ein schlechtes Gewissen, ohne ihm einen Hinweis zu geben, wie er es besser machen konnte. Nicht solange er hier im Krankenhaus lag und nicht mal seine Mutation im Griff hatte. Wobei im Griff noch nett ausgedrückt war. Sie war einfach gar nicht da und das machte ihm Angst. Was er besser nicht Lacey erzählte.

Zwei Tage war Erin jetzt wie auf Eiern durch die Schule gelaufen. Es war nicht zu übersehen gewesen, dass sie Gregory verletzt hatte, was nicht ihre Absicht gewesen war. Leider war Erin weder über Nacht noch am Sonntag eingefallen, wie sie es wieder gut machen konnte. Oder ob sie es sollte. Immerhin hatte sie ja nicht vor irgendwas mit Gregory anzufangen und er war zu interessiert an ihr gewesen. Das hatte sie wohl effektiv beendet. Zumindest war er beim nächsten Mal, als sie ihn gesehen hatte, mit anderen Schülerinnen zusammen gewesen und hatte ziemlich zufrieden gewirkt. Frustriert warf sie ihre Tasche auf ihr Bett, weil sie selbst nicht wusste, was sie fühlen sollte. Sie bemerkte dabei nicht die Taschen, die bei Camilles Bett standen. Stattdessen überlegte sie sich Argumente, warum es sie nicht stören sollte, dass Gregory sie nicht mehr mochte.

Es war die erste Nacht seit langem gewesen, in der sie wieder besser hatte schlafen können. Zwar war Noah sehr müde und blass als sie ihn gestern mit seinen Eltern besucht hatte, aber die Hauptsache war, dass er wieder bei Bewusstsein war. Allein mit ihm Sprechen zu können, war wunderschön gewesen. Nach all den Wochen, in denen sie gebangt hatte… Jetzt würde alles gut werden. Jetzt konnte auch sie es glauben.
Sie hatte ihr Handy aufgeladen, um Noah heute ein paar Bilder und Videos von Elaine zeigen zu können. Ihre Tochter konnte sie nicht mitnehmen – aber es würde hoffentlich nicht mehr lange dauern, bis Noah zu ihnen zurückkehren konnte. Und dann wäre ihre kleine Familie endlich wieder vereint. Gemeinsam mit Emma fuhr Lacey am Nachmittag wieder zum Krankenhaus, um Noah zu besuchen.
Nachdem sie sich angemeldet hatten, gingen sie zielstrebig zu seinem Zimmer und klopften an. Mit einem warmen Lächeln steckte Lacey den Kopf zur Tür herein. „Hey“, sagte sie und schob die Tür dann weiter auf, sodass Emma hinter ihr zum Vorschein kam.
„Noah“, raunte die Ältere mit einem Lächeln und ging auf ihren Bruder zu. „Was machst du nur für Sachen… Sobald du hier raus bist, werde ich dir jeden Monat ein riesen Paket schicken, mit Dingen, die das Immunsystem stärken“, raunte sie.
 
Vor etwa einer Stunde hatte Mr. Haynes sie im Krankenhaus abgeholt. Alle Tests waren erfreulich ausgefallen, sodass die Ärzte ihre Entlassung schließlich am frühen Montagmorgen befürwortet hatten. Die Schule wurde kontaktiert und Mr. Haynes hatte sich auf dem Weg gemacht, um sie abzuholen. Er füllte die letzten notwendigen Papier aus, sprach mit den Ärzten und dann nahm er Camille und ihren Koffer mit zu seinem Auto. Er war stiller als sonst, das fiel Camille gleich auf. Er war reservierter. Sie dachte an ihr Gespräch am Samstag und beschloss mit schwerem Herzen nichts dagegen zu tun. Es war besser so. In der Schule angekommen trug Nate ihr Gepäck auf ihr Zimmer und verabschiedete sich mit einem matten Lächeln, um anschließend zielstrebig Matts Büro anzusteuern. Es behagte ihm zwar nicht… aber seine Mutter hatte recht. Er brauchte eine Auszeit. Und sobald wie möglich, umso besser wäre es wohl für ihn. Außerdem sollte er es so früh wie möglich mit Matt besprechen, damit dieser entsprechende Vorkehrungen treffen konnte.
Derweil sah sich Camille in ihrem Zimmer um, in dem sie schon so lange nicht mehr war… Sie nahm aus ihrem Schrank ein paar frische Klamotten und verschwand anschließend damit im Bad. Ihre Sachen lagen nun wesentlich figurbetonter an als zuvor, was wohl damit zu tun hatte, dass sie zugenommen hatte. Nicht viel, aber genug, um ein für ihre Größe gesundes ‚normales‘ Gewicht zu haben. Sie sah ihr Spiegelbild an und lächelte schief. Und das erste Mal seit Jahren gefiel ihr wieder was sie sah.
Camilles Gedanken wurden je unterbrochen, als sie hörte wie die Tür aufflog und jemand hereinkam. Mit einem Strahlen ging sie zur Tür und beobachtete, wie Erin sich sichtlich verstimmt auf ihrem Bett niederließ. „Wow, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“, fragte sie mit einem schiefen Grinsen. „Ich dachte, meine Rückkehr wäre ein Grund zur Freude-“
 
Gregory betrat verschwitzt das Hauptgebäude und strich sich das Haar zurück. Er war draußen laufen gewesen, solange, bis sein Kopf frei gewesen war und seine Muskeln brannten. Nun freute er sich auf eine Dusche und überlegte, was er danach machen konnte. Etwas, was ihm davon abhielt, an sie zu denken. Nach ihrem Gespräch am Samstagabend hatte Greg nicht mehr mit Erin geredet. Er brauchte sie nur anzusehen und er hörte wieder ihre Worte und ihr Lachen. Dem sich schließlich andere Worte und das Gelächter anderer anschloss. Auch bei den Successio hatte es den einen oder anderen gegeben, der ihn mit seinen Büchern und seinem Wunsch aufgezogen hatte. Er solle sich nicht einbilden, etwas Besseres zu sein – oder etwas Besseres werden zu können, hieß es damals. Aber er würde es ihnen schon noch zeigen.
Mit entschlossener Miene verschwand er in seinem Zimmer und duschte wenig später. Vielleicht hatte ja Kaya Zeit und Lust auf etwas Training.

Noah schreckte aus dem Halbschlaf, als die Tür aufging und jemand ihn ansprach. Seine Verwirrung löste sich gleich in Freud auf, als er Lacey erkannte und schloss dann auch Emma mit ein, als sie in den Raum kamen. "Hey. Schön euch zu sehen", sagte er und sah seine Schwester dann halb belustigt, halb sarkastisch an. "Ich denke nicht, dass mir irgendwelche Präparate geholfen hätten. Mein Immunsystem war völlig in Ordnung. Haben sie eigentlich herausgefunden, was das für ein Virus ist?", fragte er und drückte Emmas Hand beruhigend. Im Grunde genommen war er ihr ja dankbar für die Sorge, auch wenn es ihn immer noch ziemlich erschreckte wie viel Sorge er seiner Familie bereitet hatte.

"OH GOTT!", schrie Erin erschrocken, als die Tür zum Bad aufging und plötzlich jemand mit ihr Sprach. Sie rutschte sogar fast vom Bett runter, als sie sich aufsetzte um sehen zu können wer sie da überfallen würde. Merkwürdigerweise war sie ein wenig enttäuscht, als es nicht Gregory war. Das Gefühl war aber schnell weg, als sie Camille erkannte. Schneller als vorher schoss sie mit einem weiteren - dieses Mal begeisterten - Schrei vom Bett hoch und fiel ihrer Freundin um den Hals. "Oh mein Gott! Camille! Du bist wieder da! Seit wann bist du wieder da!?", rief sie ihrer Freundin quasi ins Ohr und schob sie dann auf Armlänge von sich weg um sie anzusehen. "Du siehst gut aus."

„Weißt du es? Vielleicht hätte es ja doch geholfen! Schaden kann es ganz bestimmt nicht“, gab Emma zurück und überlegt, was sie in dieses Paket alles packen könnte. Ein Obstkorb könnte sicher auch nicht schaden. Als Noah auf den Virus zu sprechen kam, schürzte Emma ein wenig die Lippen und sah zu Lacey hinüber. Die zuckte leicht mit den Schultern. „Nicht viel. Der Virus fällt nur Träger des X-Gens an. Und es gibt wohl mindestens zwei verschiedene Verläufe. Einen ernsteren… und einen weniger ernsten“, antwortete Lacey, was darauf um ein paar weitere Informationen von Emma ergänzt wurde. Wirklich viel war das aber trotzdem nicht.
„Außer dir haben es noch einige andere bekommen. Ich weiß nicht, ob Nate es dir erzählt hat, aber Camille war wie du auch für viele Wochen nicht ansprechbar und ist ebenfalls erst am Samstag wieder wach geworden“, raunte Lacey und setzte sich behutsam an das Bett ihres Freundes.
 
„Taub, taub“, stöhnte Camille, nachdem Erin ihr förmlich ins Ohr gebrüllt hatte. Was sie aber nicht davon abhielt, ihre beste Freundin zu drücken und zu lächeln – selbst mit klingelnden Ohren. „Vielleicht seit einer halben Stunde?“, antwortete Camille, die nur mutmaßen konnte. Sie wusste nicht, wie spät es inzwischen war. Sie löste sich aus der Umarmung und wies auf ihr Gepäck. „Auf jeden Fall noch nicht lang genug, um auszupacken“, sagte sie, sah Erin wieder lächelnd an, stutzte dann aber auf einmal. „Ist bei dir alles in Ordnung? Du hast eben ziemlich frustriert dreingesehen“, raunte sie, ging derweil zu ihrem Koffer und öffnete diesen. Sie konnte Auspacken und Zuhören gleichzeitig. Von ihrer Wäsche sah sie zu Erin auf. Ob es wegen der Schule war? Unterricht? Oder… oder es war wegen Erik. Camille wollte da ohnehin noch einmal nachhaken. Das kam ihr nämlich doch sehr merkwürdig vor. Ob er noch an der Schule war? Sie wusste gar nicht mehr, warum er nach seinem Abschluss noch an der Schule geblieben war…

Schaden konnte es wohl wirklich nicht und Noah war eh zu müde um zu streiten. Also fand er sich innerlich damit abm dass er in den nächsten Monaten mit Zitronen und Ingwer überhäuft werden würde. Wenn es verhinderte, dass er wieder so krank werden würde, dann würde er noch schlimmeres tun.
Die Informationen der beiden waren nicht sonderlich erbaulich. "Ich hab wohl den ernsteren erwischt", antwortete er leise mit einem verkniffenen Lächeln. "Es klingt aber nicht gut, dass es nur uns befällt. Wie sieht es an der Schule aus?", fragte er hinterher und hoffte nicht eine Kaskade an kranken Schülern ausgelöst zu haben. Über Camille und damit unweigerlich seinen Bruder, machte er sich lieber keine Gedanken. Dem fühlte er sich nicht gewachsen.

"Oh, Entschuldige", lachte Erin verlegen und ließ ihre Freundin los. Die Stimme dämpfte sie auch, um nicht doch noch einen Schaden anzurichten. "Wow. Und du hast es nicht für nötig gehalten mir eine SMS zu schreiben, dass du kommst?", fragte sie und lachte jetzt wirklich. Zumindest so lange, bis Camille sie fragte ob alles in Ordnung war und sie wieder daran erinnerte, was ihr vorher auf dem Gemüt gelegen hatte. Ihr Lächeln wurde etwas gezwungener, während sie sich dran erinnerte, dass sie Camille nicht alles sagen konnte. "Ja, ja. Alles okay. Das Wochenende war nur.. Lang. Und der Unterricht langweilig. Du hast den Tag um so vieles besser gemacht. Der Höhepunkt meines Tages! Hast du schon gegessen? Serge hat bestimmt was da, wenn du nicht bis zum Abendessen warten möchtest."

Das hatte er wohl. Ganz eindeutig. Ebenso wie Stiles und Camille wohl den gleichen, bösartigen Virus gehabt hatten. Für alle drei war es so knapp gewesen… Lacey war froh, dass es für alle drei irgendwie noch einmal gut ausgegangen war. Wobei Stiles wohl nicht ganz zählte. Sie dachte mit Kummer an den Jungen, der keine Wahl mehr hatte treffen können. Und Erik, der zu einer gezwungen worden war. Lacey strich die Bettdecke glatt und nutze den Moment, um sich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Auf Noah. Sie beantwortete seine Frage, zählte ihm auf, wie viele es an der Schule erwischt hatte und wie viele davon wieder genesen waren – manche schneller als andere. „Wir hoffen, das Schlimmste bereits hinter uns zu haben. Aber wer weiß. Herbst und Winter sind ja von Natur aus im Grippezeit“, schloss Lacey seufzend, streckte ihre Hand nach der von Noah aus und drückte diese. „Ich habe ein paar Bilder und Videos von Elaine auf dem Handy. Möchtest du sie sehen?“, fragte sie lächelnd und hoffte, ihn so auch auf angenehmere Themen zu bringen.
 
„Ich bin gerne der Höhepunkt deines Tages“, gab Camille lachend zurück und posierte wie ein Model, ehe sie lachend mit ihrer Wäsche zum Wäschekorb ging. „Oh! Das ist eine gute Idee! Ich würde für Serges Essen töten!“, raunte sie, ließ ihre Wäsche geräuschvoll im Korb verschwinden und trat dann strahlend wieder aus dem Badezimmer. „Der Koffer läuft ja nicht weg, das kann ich auch noch heute Abend erledigen!“ Camille strahlte und war kurz darauf auch schon bei der Tür.
Gemeinsam mit Erin ging sie zur Mensa und steuerte dort dann zielstrebig die Essensausgabe an. Serge hatte fast Tränen in den Augen, als er sah, wie viel Camille sich auf ihr Tablett nahm und ihm sagte, dass sie sein Essen sehr vermisst hätte. An einem der freien Tische suchte sie sich dann einen Platz. Ein paar Schüler, die da waren, grüßten und erkundigten sich, seit wann sie zurück war, ob es ihr wieder gut ging. Camille bejahte alles und war dann froh, als sie endlich Ruhe zum Essen hatte. Sie kaute gerade, als sie entdeckte, wie Gregory an der Ausgabe stand, mit Serge ein paar Worte wechselte und sich eine Wasserfalsche nahm.
„Ist das nicht Greg?“, wandte sich Camille an Erin und hob dann blitzschnell den Arm, als Greg sich umdrehte. Sie winkte ihm lächelnd zu. Greg blinzelte ein wenig verblüfft, lächelte dann breit und kam auf den Tisch der Mädchen zu. „Camille! Wie schön dich wieder hier zu sehen! Wie geht es dir?“, fragte er munter. „Danke, mir geht es gut! Ich bin so, soo froh, wieder hier zu sein!“, sagte sie und ihr Blick wanderte zu Erin hinüber. „Nochmal vielen Dank für das Angebot, bezüglich dem Lernen. Wenn das noch steht, nehme ich auf jeden Fall davon Gebrauch!“
Gregs Brauen wanderten unmerklich nach oben und sein Blick huschte zum ersten Mal zu Erin hinüber. „Natürlich steht das noch.“ Sein Blick wanderte wieder zurück zu Camille, die er wieder charmant anlächelte.

Noah hörte am Ende tatsächlich nur halb zu, welche Schüler es alle noch getroffen hatte. Wobei es ihn doch erleichterte, dass nicht noch mehr Schüler ernsthaft krank geworden waren. Seine Aufmerksamkeit wurde von Laceys Hand abgelenkt. Es war so falsch, dass er so alleine in seinem Kopf war. Er konnte nicht einmal feststellen ob die beiden Frauen ihm wirklich alles sagten oder ob sie die schlimmen Nachrichten vorenthielten. Vermutlich sollte er froh sein, dass er nicht hier im Krankenhaus lag und alle verzweifelten Gedanken hören musste, die rumkreisten. Seine eigenen Gedanken reichten da schon. Er schreckte aus den Gedanken, als sein Name noch einmal gesprochen wurde. Blinzelnd sah er auf und in Laceys besorgtes Gesicht. "Entschuldige. Ich hab.. nicht aufgepasst. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist nicht besonders gut", sagte er mit einem entschuldigenden Lächeln und wurde dann freudig, als Lacey ihre Frage wiederholte. "Sicher will ich das. Ist sie sehr gewachsen?"

Erin hatte noch nicht wirklich hunger, holte sich aber auch einen kleinen Snack, mehr um etwas zu tun zu haben, während sie bei Camille saß. Wobei sie genug zu reden hatten. Zumindest dachte Erin das, bis Camille Gregory bemerkte und ihn zu ihnen rief. Unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl herum und wusste nicht, ob sie Gregory anschauen sollte oder nicht. So wie er sich verhalten hatte, hatte sie ihn ziemlich verletzt und sie wusste immer noch nicht so richtig, wie sie das geschafft hatte. Als er zögerte Camilles Frage zu beantworten, hob sie die Augen, gerade rechtzeitig um seinem Blick zu begegnen. Hastig sah sie wieder zurück auf die Tischplatte und zuckte innerlich zusammen. Deutlicher hätte Gregory wohl nicht sagen können, dass er eigentlich nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Auch wenn seine Worte etwas anderes sagte. Aber was sollte er auch machen, wo sie es Camille gestern so vorschnell versprochen hatte? Wenn es gar nicht ging, dann könnte sie sich ja vielleicht aus dem lernen rausziehen und Gregory mit Camille alleine lassen. Das würde ihn sicher freuen. Sie freute es leider so gar nicht.

Emma lachte. „Das kommt erst noch“, raunte sie, schließlich waren seit der Geburt erst wenige Wochen vergangen und am Anfang hatte er sie ja noch gesehen. Lacey holte derweil ihr Handy hervor, öffnete den Ordner mit den entsprechenden Bildern und Videos und setzte sich dann neben ihm auf die Bettkante, sodass sie bequem beide auf ihr Handy schauen konnten. Mit einem warmen Lächeln zeigte Lacey ihrem Freund die Bilder ihrer Tochter, wobei Emma sie beobachtete. Sie freute sich sehr für ihren Bruder, eine so nette Freundin gefunden zu haben. Anfangs war sie vielleicht etwas skeptisch gewesen, als sie gehört hatte, dass sie früher mal bei den Successio gewesen war. Aber in den letzten Tagen hatte sie Lacey kennenlernen können und wusste es nun besser. Nicht nur sie, auch Greg schien eigentlich ganz nett.
 
„Klasse!“, rief Camille strahlend aus und freute sich darauf. Das Lernen an sich würde zwar hart und weniger schön sein, aber wenigstens war sie damit nicht allein! Und wenn Greg dabei war, dann würden sie und Erin sicher auch effektiver arbeiten (und nicht Quatschen). „Ich muss leider wieder los. Ich bin mit Kaya zum Training verabredet. Schreibt mir einfach, wenn ihr wisst, wann ihr lernen wollt. Erin hat meine Nummer“, raunte er, lächelte schief und sah kurz zur Blonden hinüber. „Also. Schön, dass du wieder hier bist“, wandte sich Greg am Ende wieder an Camille, ehe er sich umdrehte und die Mensa verließ. Camille sah ihm nach, dann sah sie ganz langsam zu Erin hinüber, aß und warf ihr einen vielsagenden Blick zu. Was zum Teufel war passiert? Vorgestern war die Stimmung noch eine ganz andere gewesen. Da hatte es von seitens Greg ordentlich geknistert und es war offensichtlich gewesen, dass er Erin mochte. Jetzt aber hatte er sie kaum angesehen oder angesprochen. Camille schürzte die Lippen und erwartete, dass ihre Freundin selbst mit der Sprache herausrückte. Was war zwischen den beiden in den letzten 48 Stunden passiert?

Ein Glück war er nicht so lange weg gewesen, dass seine Tochter sich großartig verändert hatte. So konnte er doch einigermaßen beruhigt wirklich die Bilder und kleinen Videos genießen, die Lacey ihm zeigte. Er wünschte sich, dass er wider zu seiner Familie zurück konnte um sie auch in echt zu sehen. Sie wieder in den Armen zu halten. Dafür lohnte es sich doch schnell wieder auf die Beine zu kommen. Mit einem zufriedenen Lächeln reichte er Lacey ihr Handy zurück, nachdem er das letzte Foto gesehen hatte. "Ich freu mich schon darauf wieder bei euch zu sein", sagte er und klang recht wehmütige dabei.

Erin sah nicht hin, aber Camilles Blick konnte sie spüren. Sie wusste ganz genau, was ihre Freundin von ihr hören wollte und war absolut nicht gewillt irgendetwas zu dem Thema zu sagen. Nervös rutschte sie auf dem Stuhl herum und wünschte sich, die hätte sich doch etwas mehr zu Essen mitgenommen. Dann hätte sie jetzt etwas mehr zu tun als am Etikett ihrer Wasserflasche rumzuzupfen. Camille hatte leider den längeren Atem, vermutlich fühlte Erin sich auch einfach zu schuldig wegen dem, was passiert war. "Es ist nichts passiert. Du brauchst dir gar keine weiteren Gedanken machen. Es ist alles in bester Ordnung", sagte sie und versuchte sich selbst davon zu überzeugen, dass es stimmte, was sie sagte.

„Es dauert sicher nicht mehr lange, bis du nach Hause kannst“, sagte Emma, die vom Plastikstuhl, den sie sich herangezogen hatte, aufgestanden war. „Ich hole uns mal was zu Essen“ Damit verließ sie das Zimmer und ließ den beiden anderen ein bisschen Privatsphäre, was sie in letzter Zeit schließlich kaum bis gar nicht gehabt hatten. Lacey war für diesen Zug der Älteren sehr dankbar. Sie lehnte sich zu Noah, lehnte ihre Stirn an die seine und legte ihre Hand an sein Gesicht. „Ich mich auch. Ich freue mich darauf. So sehr“, wisperte sie, lehnte sich wieder etwas zurück, um ihren Freund mit einem warmen Blick anzuschauen. „Du hast mir so sehr gefehlt. Und ich bin so, so froh und dankbar dafür, dass du wieder aufgewacht bist. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn du…“ Sie biss sich auf die Lippe, das Lächeln war verschwunden und sie schluckte schwer.
„-nicht wieder aufgewacht wärst…“, sagte Lacey leise. „Deine Eltern und Geschwister sind auch so unendlich froh. Sie… sind wirklich lieb. Sie haben mir so geholfen. Besonders Nate. Dabei ging es ihm auch nicht gut.“
 
„Oh. Ja, das sehe ich. In bester Ordnung“ Camille lachte, zog skeptisch eine Braue hoch, nahm dann jedoch erst einmal einen weiteren Bissen. Erst danach, als der Bissen hinunter geschluckt war, fuhr sie fort. „Ich sage dir jetzt mal, was ich denke: Du lügst. Entweder du belügst mich, oder du belügst dich, aber das eben war auf jeden Fall und ganz klar eine Lüge!“, sagte sie und deutete mit ihrer Gabel auf Erin, die kurz darauf wieder im Essen verschwand. Erin war ihr beste Freundin, die sie gefühlt in und auswendig kannte, sie wusste also, wenn Erin sie belog (zumindest war sie davon überzeugt, dass dem so war). „Als ihr mich beide besucht habt, hat er immer wieder zu dir geschaut. Mit so einem… Ausdruck. Und gerade eben, das war das glatte Gegenteil! Er hat dich kaum angesehen! Und du kannst mir nicht weißmachen, dass nichts passiert wäre.“ Camille schürzte die Lippen und sah Erin ernst an. „Hast du ihm einen Korb gegeben? Ich meine, eigentlich sollte ihm das ja klar sein, immerhin gehst du mit Erik- Wo ist der eigentlich?“

Ein wenig wehmütig lächelte Noah seiner Schwester zu, sagte aber nichts zu ihrer Prognose. So sehr er auch hoffte, schnell aus dem Krankenhaus entlassen zu werden, so sehr hatte ihn heute auch schon der Weg zum Klo erschreckt. Er hatte sich gefühlt, als wäre er kurz vor dem Tod und das nur wegen der zwei Meter Strecke von Bett zum Klo. Das alleine hatte ausgereicht um seine Hoffungen auf eine baldige Entlassung zu ersticken. Was er aber besser nicht den Frauen sagte, wo sie selbst die AUfmunterung brauchten. Kurz darauf ließ Emma sie auch alleine und Lacey nutzte die Gelegenheit die Nähe zu ihm zu suchen. Was recht schnell auch sehr bedrückend wurde. Ihre Angst war spürbar in ihren Worten. Noah fühlte sich unglaublich schuldig ihr diese Ängste zugemutet zu haben. "Nicht doch", widersprach er schwach und drückte ihre Hand. "Du wärst nicht alleine gewesen. Wobei ich zugeben muss, dass ich auch sehr froh bin wieder aufgewacht zu sein." Er lächelte ein wenig schief und zog ihre Hand an sein Gesicht. "Es tut mir Leid. Ich wollte dir nicht solche Sorgen bereiten. Keinem von euch."

Camille kannte sie offensichtlich viel zu gut. Und ihr Vorwurf tat weh. Natürlich log Erin und nicht nur zu diesem Thema. Schuldbewusst biss Erin sich auf die Lippen und versuchte rational den Schmerz weg zu erklären. Sie tat es ja nicht aus freiem Willen, sondern weil sie nichts sagen durfte. Niemanden wäre geholfen, wenn Camille die Wahrheit wusste. Zusätzlich fachte ihre Freundin mit ihren Worten auch noch ihr schlechtes Gewissen an. Erin hatte wirklich etwas verletzendes zu Gregory gesagt, sonst würde er sie nicht wie eine Aussätzige behandeln. Und dann stellte Camille ihr die befürchtete Frage. Wo war Erik? Erin wusste gar nicht welche Frage sie beantworten sollte. Alles schien ihr gerade ein Minenfeld zu sein, in dem sie nur den falschen Schritt tun konnte. "Er ist gegangen. Wir haben uns.. Gestritten und er hat beschlossen doch die Schule zu verlassen", antwortete sie schließlich auf die letzte Frage ihrer Freundin und hoffte so von Gregory ablenken zu können.

Ja, sie wäre nicht allein gewesen. Sie hätte Gregory gehabt. Und Nate und sicher auch Noahs restliche Familie. Und trotzdem… niemand hätte Noah ersetzen können und in dieser Hinsicht wäre sie allein gewesen. Wobei, vielleicht nicht allein, aber einsam. Sie lächelte schwach über seine Worte und genoss die Berührung, den Kontakt. Sanft strich sie mit ihrem Daumen über sein Gesicht. „Nicht. Du musst dich nicht entschuldigen. So war das nicht gemeint. Du hast dir das schließlich nicht aussuchen können… So, wie es dich getroffen hat, hätte es auch mich treffen können. Es war… einfach Pech“, schloss sie und zuckte mit den Schultern. „Und dass du wieder aufgewacht bist, war sehr, sehr viel Glück“ Lacey lächelte leicht. „Jetzt kann ich mich wieder auf Weihnachten freuen. Unser erstes Weihnachten mit Elaine. Als… als Familie“, fügte sie hinzu und wurde ein kleines bisschen rot dabei.

Schlagartig verschwand das Lächeln aus Camilles Gesicht und ihr Blick veränderte sich. Merklich bestürzt sah die Blonde ihre beste Freundin an und schluckte. „Oh, Erin…“, fing sie an, presste die Lippen aufeinander und sah noch bekümmerter drein. „Das tut mir leid. Sehr. Ich- ohh, und ich rede auch noch so einen Müll und zieh dich mit Greg auf – entschuldige!“ Camille ließ die Schultern hängen, griff dann über den Tisch und nahm die Hände ihrer Freundin in die ihre. „Und ich konnte nicht einmal für dich da sein! Es tut mir schrecklich leid! Dieser verdammte Idiot!“ Sie drückte Erins Hände. Was war nur in den Wochen passiert, in der sie nicht bei Bewusstsein gewesen war!? Ein Streit? Was musste das für ein Streit gewesen sein, dass sie sich danach getrennt hatten. Und das, obwohl sie schon ein ganzes Jahr zusammen gewesen waren. Aber so sehr es sie auch interessierte und sie gerne nachfragen würde, sie tat es nicht. Sie wollte ihre Freundin nicht mit Fragen diesbezüglich quälen. Wenn Erin darüber sprechen wollte, würde sie es tun. Hoffentlich. Ob sie sich womöglich wegen Greg gestritten hatten? Sie konnte sich durchaus vorstellen, dass Erik eifersüchtig werden würde… Ob etwas passiert war? Zwischen Erin und Greg?... Ha! Nein, eher war es Erik, der vermutlich am Ende doch schwach geworden war. So ein Blödmann! Camille machte ein trauriges Gesicht. Eigentlich hatte sie die beiden als Paar sehr gemocht… Sie hatten irgendwie so gut zusammengepasst.

Das erste Weihnachten als Familie. Noah fühlte sich plötzlich noch leichter im Kopf vor Glück. Eine Familie. Elaine, Lacey und er. Mit einem glücklichen Lächeln sah er seiner Freundin in die Augen. Die Krankheit und die Medikamente ließen ihn wohl etwas unüberlegter handeln, als er es normalerweise getan hätte. "Willst du das wirklich? Eine Familie sein? Das kommt vielleicht plötzlich, aber ich würde es nur zu gerne. Eine Familie sein. Eine richtige. Wenn du mich heiraten willst, würde ich es sofort tun", brachte er trunken vor Glück ein wenig benebelt hervor.

Camilles Mitleid ließ Erin sich noch viel schlimmer fühlen. Sie belog ihre Freundin und ließ sie auch noch die falschen Schlüsse ziehen. Fast hätte sie ihren Hand weg gezogen, aber das hätte nur noch viel mehr Fragen aufgeworfen. Mit einem dünnen Lächeln sah sie ihre Freundin an und ließ die Augen wieder sinken. "Du warst krank, mach dir keine Vorwürfe. Es hat eben nicht sein sollen", antwortete sie ziemlich gepresst und biss sich auf die Lippen. Vielleicht sollte sie jetzt Camille die Geschichte von dem fingierten Betrung von Erik erzählen, aber sie brachte es einfach nicht über sich ihr noch mehr Lügen zu erzählen. Nicht jetzt.

Es war schön zu sehen, was ihre Worte bewirkten. Ein Lächeln breitete sich auf Noahs Gesicht aus, so glücklich, wie sie es schon lange nicht mehr gesehen hatte. Lacey wurde ganz warm ums Herz und ließ sie nicht minder glücklich lächeln. Zumindest solange, bis Noah ihr einen Antrag machte, irgendwie. Blinzelnd sah sie ihn an, schnaubte und lachte. „Du bist auf Schmerzmitteln. Und vermutlich auf ziemlich guten, denn die Schule lässt keine Kosten und Mühen scheuen, damit du wieder auf die Beine kommst. Daher... ignoriere ich deine Worte und tu so, als hättest du diese überaus bedeutungsvolle Frage nicht gestellt“, raunte sie und tätschelte Noahs Arm. Was sie leider nicht unter Kontrolle hatte, war die Tatsache, dass sie noch etwas röter geworden war. Er hatte ihr tatsächlich einen Antrag gemacht (unter Schmerzmitteln). Einen Antrag… Wenn dieser Virus sie etwas gelehrt hatte, dann, wie viel Noah ihr bedeutete. Der ganze Zorn und die Enttäuschung, die sie noch zu Beginn des Jahres für ihn empfunden hatte, waren gänzlich verschwunden. Er war der Vater ihres Kindes, ihr bester Freund, ihr Vertrauter. Für sie waren sie schon eine Familie, ob mit oder ohne Ring.
 
Camille nickte knapp, drückte Erins Hände noch einmal feste, ehe sie diese wieder freigab. Sie versuchte es mit einem aufmunternden Lächeln, das wahrscheinlich wie ein Tropfen auf dem heißen Stein war. Besser, sie schlug ein anderes Thema an. Nur welches? Gab es überhaupt ein Thema, dass Erin nicht irgendwie an Erik denken ließ? Oh, ihr musste es furchtbar gehen… Kein Wunder, dass sie auf Camilles Bemerkungen bezüglich Greg so reserviert und ablehnend reagiert hatte. Ugh. Sie war förmlich mit Anlauf im Fettnäpfchen gelandet.
„Du weißt, wenn du darüber reden willst, irgendwann, bin ich für dich da“, sagte sie, lächelte schief und versuchte es dann mit einem anderen Thema. „Also… Uhm. Ich werde übrigens erst wieder nächste Woche am regulären Unterricht teilnehmen. Bis dahin treffe ich mich mit jedem Lehrer und bespreche mit ihnen, wie ich den verpassten Stoff optimal wieder aufholen…“, sagte sie mit einem matten Lächeln. „Ich hoffe, ich kriege das hin… Ich will endlich dieses doofen Abschluss haben…“